22.03.11
Kardinal Meisner zum Theologen-Memorandum: Widerspruch in fast jedem Punkt nötig
Größte Sorge des Erzbischofs: Vertrauen auf Lehrer, deren Leben in und mit der Kirche defizitär ist?
(MEDRUM) Kardinal Meisner hat sich mit der ihm eigenen Klarheit zum Theologen-Memorandum geäußert. In seinem bischöflichen Dienst sei ihm selten eine Kundgabe von theologischer Seite bekannt geworden, die ihn so erschrocken und betrübt habe wie dieses Memorandum. Den Zustandsbeschreibungen und Forderungen, müsste man fast in jedem Punkt widersprechen oder Korrekturen entgegensetzen, sagt der Erzbischof von Köln in einer Stellungnahme vom 21. März 2011 zum Memorandum der Theologen.
Forderungen der Memorandums-Theologen
Wie MEDRUM berichtete, wurde am 3. Februar 2011 ein Memorandum von 143 Theologen veröffentlicht, in dem acht Kernforderungen zur Umgestaltung der Katholischen Kirche erhoben werden:
- Einführung synodaler Strukturen auf allen Ebenen der Kirche
- Mitentscheidung der Gläubigen an der Bestellung wichtiger Amtsträger wie Bischöfe und Pfarrer
- Aufbau einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit
- Aufhebung des Zölibats
- Zulassung von Frauen zum Priesteramt
- Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
- Zulassung der Ehescheidung und Wiederverheiratung
- Einführung kulturereller Vielfalt in den Gottesdienst.
Leben in und mit der Kirche defizitär
Kardinal Meisner sieht sich in der Pflicht, "ob man es hören will oder nicht", zitiert er 2 Tim 4,2, der Beurteilung der Theologen und ihren Forderungen zu widersprechen. Es gehöre zum ersten und wichtigsten Dienst im Amt der Kirche, die Wahrheit Jesu Christi zu verkündigen, so Meisner. Der Kölner Hirte stellt heraus, daß für ein fruchtbares, innerkirchliches Gespräch die Bejahung der Kirche "in ihrem tiefsten Wesen" unabdingbar ist. Die jetzige Krise sei vor allem Defiziten im Glaubenswissen und Mängeln im Glaubensleben geschuldet. Er fordert die Theologen auf, hierüber und über einen unguten Einfluss auf Christen nachzudenken, der beispielsweise im Religionsunterricht deutlich sei. Aber seine besondere Sorge ist, daß nicht auf solche Lehrer vertraut werden kann, deren "Leben in und mit der Kirche defizitär" ist.
Kardinal Meisner zum Theologen-Memorandum
Die Stellungnahme von Kardinal Meisner im Wortlaut:
In meinem bischöflichen Dienst - immerhin seit fast 36 Jahren - ist mir selten eine Kundgabe von theologischer Seite bekannt geworden, die mich so erschrocken und betrübt hat wie dieses Memorandum. Es beurteilt die jetzige Lage der Kirche mit Zustandsbeschreibungen und Forderungen, denen man fast in jedem Punkt widersprechen bzw. Korrekturen entgegensetzen müsste.
Dass ich mich dazu äußere, ist bereits ein erster Widerspruch: Denn zum ersten und wichtigsten Dienst des Amtes in der Kirche gehört: die Wahrheit Christi zu verkündigen, „ob man es hören will oder nicht" (2 Tim 4,2). Diese Verkündigung ist keineswegs nur eine „biblische Freiheitsbotschaft", sondern in der Kraft des Heiligen Geistes das Weitergeben und Weiterreichen von Wort und Gnade des menschgewordenen Gottessohnes.
Dass das Herrenwort „Wer euch hört, hört mich" (Lk 10,16) gerade die bestellten Boten in die Pflicht nimmt, müssten wissenschaftlich arbeitende Theologen zu werten wissen. Demgegenüber kann man Sorgen und Kritik nicht so einbringen, als ginge es um irgendeine menschliche Institution. Ein fruchtbares innerkirchliches Gespräch kann nur dann gelingen, wenn man die Kirche in ihrem tiefsten Wesen bejaht: Sie ist der fortlebende Christus und somit das „universale Heilssakrament" (2. Vaticanum, Kirchenkonstitution 48). Wenn man sie so in den Blick nimmt, dann beurteilt man die jetzige „Krise" weitgehend anders als in dem Memorandum. Dass es vor allem die Defizite im Glaubenswissen und die weitverbreiteten Mängel im Glaubensleben sind, sollte die Theologen zum Nachdenken bringen, inwieweit gerade auch von einigen in ihren Reihen ein unguter Einfluss auf die Brüder und Schwestern im Glauben feststellbar ist - man werfe nur einen Blick auf manches, was im Religionsunterricht vermittelt wird!
Meine größte Sorge kann ich nicht verschweigen: Wie kann ich künftige Priester, Diakone, Religionslehrer und seelsorglich Tätige Lehrern anvertrauen, deren Leben in und mit der Kirche defizitär ist!
Köln, den 21. März 2011
+ Joachim Kardinal Meisner, Erzbischof von Köln
Andere kritische Stimmen
Mit seiner Stellungnahme bekräftigt Kardinal Meisner, was den Theologen des Memorandums bereits vielfach von anderer Seite entgegengehalten wurde. Eine Auswahl von kritischen Stimmen hierzu:
Norbert Geis, Bundestatgsabgeordneter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion:
"Der Glaube wird nur dann in unserem Volk Bestand haben, wenn es genug Christen gibt, die sich zu ihrem Glauben bekennen. Genau das ist bei einem Priester, der die Ehelosigkeit lebt, in einzigartiger Weise der Fall. Es ist der Auftrag des Priesters, das Werk Christi, den Menschen das Heil zu bringen, bis zum Ende unserer Zeit fortzusetzen. Die Welt braucht diese Menschen. Auch wir Christen, die wir das Salz der Erde sein sollen, brauchen sie, damit sie uns daran hindern, selbst schal zu werden."
Manfred Lütz, Psychiater, Psychotherapeut und Theologe, Mitglied des Päpstlichen Rates für die Laien sowie Mitglied im Direktorium der Päpstlichen Akademie für das Leben und Berater der Vatikanischen Kleruskongregation:
"Das Memorandum ist ein Dokument der Verzweiflung und Resignation. Den Theologen geht es nicht um Aufbruch, sondern Macht und Einfluß. Öffentlich haben sie ihr Renommee fast eingebüßt. Auf unserem Sterbebett wird uns wohl nicht die Frage nach Zölibat, Frauenordination, Sexualmoral und kirchlichen Strukturen interessieren, sondern die Frage Luthers: "Wie finde ich einen gnädigen Gott?" Die jungen Leute auf den Weltjugendtagen sind nicht für die Themen der vielen Theologieprofessoren interessiert. Sie suchen Menschen, die sich zu Gott, zu Jesus Christus und auch zur Kirche bekennen."
Gabriele Kuby, katholische Publizistin und studierte Soziologin:
"Die Forderungen jener, die meinen ‚nicht länger schweigen’ zu dürfen, zielen auf eine Zerschlagung der Identität der katholischen Kirche. Sie fordern, die ‚Doppelmoral’ in der Kirche zu beseitigen. Wie? Indem die Kirche ihren ‚selbstgerechten moralischen Rigorismus’ aufgibt, das eheliche Treuegebot Jesu aufhebt, die gleichgeschlechtliche Partnerschaft gutheißt, Priester und Priesterinnen (gleichgeschlechtlich) heiraten lässt und die Leitung der Gemeinde aus Mitleid mit den überlasteten Priestern Laien übergibt. Das nennen die Verfasser dann ‚wie Petrus übers Wasser gehen’. In Wahrheit geht es darum, den Leib Christi, der die Kirche ist, erneut zu kreuzigen."
Sprecher einer Gruppe von Stipendiatinnen und Stipendiaten des Cusanuswerks:
"Die Forderungen der Theologen führen zu einer ‚Zerstörung der katholischen Identität’. Sie sind Teil der von Papst Benedikt XVI. verurteilten «Diktatur des Relativismus», die eine große Gefahr für die Kirche Christi darstellen."
Alexander Kissler, Literaturwissenschaftler, Kulturjournalist und Autor:
"Ach, unsere guten deutschen Theologen, wie schön, dass wir sie haben. Ihr wisst, dass Eure behänd hervorgeholten Forderungen nicht verwirklicht werden. Noch mehr Frauen am Altar, ergänzt durch verheiratete Priester, gerne auch geschieden, gerne auch schwul: Warum sollte diese mit katholischer Tradition komplett brechende Agenda irgendein Bischof in Rom vortragen? Zumal sie aus einem Land stammt, in dem nicht einmal zwei Prozent aller Katholiken leben, von denen wiederum nicht alle Euch applaudieren. Unmögliches begehrt Ihr, das allein darf man Euch nicht vorwerfen. Vielleicht hat Euch zu später Lebensstunde Sturm und Drang gepackt? Das wäre schön und nicht zu neiden. Aber es sind eben vor allem Exerzitien der intellektuellen Selbstkasteiung, denen Ihr Euch hingebt. Ihr stellt euch - bitte entschuldigt das harte Wort - viel, viel schlichter, als Ihr seid. Ihr spiegelt uns eine Armut im Geiste vor, die keinem von Euch wirklich eigen sein kann."
Hubert Gindert, Vorsitzender des Forums Deutscher Katholiken:
"Die bekannten Forderungen der Kirchenvolksbegehrer von anno 1995 werden unter einer neuen Schlagzeile in die Öffentlichkeit transportiert! Die Verfasser des ‚Memorandums’, zum guten Teil bekannte Kirchenkritiker, instrumentalisieren nur die gegenwärtige Zölibats-Diskussion, um sich mit ihren uralten Forderungen in Erinnerung zu bringen. Von einem ‚Aufbruch’ kann schon deswegen nicht die Rede sein, weil darin das Wesentliche fehlt, nämlich der biblische Aufruf zum Umdenken und zur Umkehr, die für die notwendige Neuevangelisierung in unserem Land Voraussetzung sind."
Das Memorandum der Theologen wird auch von einer großen Mehrheit der MEDRUM-Leser abgelehnt. Nur 14 % der mehr als 700 Teilnehmer einer MEDRUM-Umfrage stimmen den Forderungen der Theologen zu, die katholische Kirche umzugestalten.