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Pädagogen statt Theologen


19.02.11

Pädagogen statt Theologen

Alexander Kissler seziert die Unterzeichnerliste des Theologenmemorandums

(MEDRUM) Wie MEDRUM berichtete (04.02.11), traten 143 Theologen mit einem Memorandum an die Öffentlichkeit, um die Katholische Kirche umzugestalten. Alexander Kissler stellt in einem Artikel in DIE TAGESPOST nun fest, daß der Eindruck trügt, es handle sich um eine geballte Macht katholischer Theologen. "Der Etikettenschwindel" lautet der Titel seines Artikels vom 18. Februar 2011.

Wer genauer hinblickt kann erkennen, daß die Mehrheit der Unterzeichner des Memorandums der 143 Theologen keine aktiven Theologieprofessoren sind, zeigt Alexander Kissler auf. Er folgert, die Schlagzeile, mit der das Memorandum in die Medien kam, hätte lauten müssen: „Religionspädagogen und Ruhestandsprofessoren plädieren für Abkehr von Rom.“

Lediglich 76 Unterzeichner seien an deutschen Universitäten beschäftigt und Jahrgang 1947 oder jünger, stellt Kissler fest, die restlichen 67 Erstunterzeichner seien entweder außerhalb Deutschlands tätig, bereits im Ruhestand oder würden 2011 noch emeritiert oder pensioniert. Kissler kommt letztlich zu dem Schluß, daß - gemessen an der Gesamtzahl von 344 laut Statistischem Bundesamt in Deutschland lehrenden Professoren für katholische Theologie - lediglich 22 Prozent der aktiven Theologieprofessoren an deutschen Hochschulen zu den Erstunterzeichnern des Memorandums gehören. Zwar eine "erkleckliche Summe, aber eine klare Minderheit", so Kissler.

Die Analyse von Kissler zeigt auf, daß die Zahl theologischer Umstürzler also nicht rekordverdächtig und ehrfurchtgebietend ist. Für rekordverdächtig hält Kissler aber das Verhältnis von Professoren und Studenten. 344 Professoren katholischer Theologie hatten 2008 nur 7 340 Studenten zu betreuen. Das, so Kissler, ergibt ein "rekordverdächtig luxuriöses" Verhältnis. Denn auf einen Professer entfallen gerade einmal 21 Studenten. Trotz dieser "paradiesischen Zustände" ist jedoch nach Kisslers Auffassung nicht zu erkennen, daß die "Glaubensstärke und diskursive Kraft der katholischen Elite nachhaltig" wachse.

Die Umstürzler hatten acht Kernforderungen in ihrem Memorandum gestellt:

  1. Einführung synodaler Strukturen auf allen Ebenen der Kirche
  2. Mitentscheidung der Gläubigen an der Bestellung wichtiger Amtsträger wie Bischöfe und Pfarrer
  3. Aufbau einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit
  4. Aufhebung des Zölibats
  5. Zulassung von Frauen zum Priesteramt
  6. Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
  7. Zulassung der Ehescheidung und Wiederverheiratung
  8. Einführung kultureller Vielfalt in den Gottesdienst.

Nur ein kleiner Teil der MEDRUM-Leser, die sich an einer MEDRUM-Umfrage beteiligt haben, stimmt diesen Forderungen zu. Ihr Anteil ist mit unterhalb von 15 Prozent noch geringer als der Anteil aktiver Theologieprofessoren, die das Memorandum "Kirche 2011 im Aufbruch" unterzeichnet hatten.

Umfrage: Stimmen Sie den Forderungen der 143 Theologen zur Umgestaltung der katholischen Kirche zu?


04.02.11 MEDRUM 143 Theologinnen und Theologen wollen die Katholische Kirche umgestalten
05.02.11 MEDRUM Hat Pressesprecher Kopp Kampagne gegen Katholische Kirche ausgelöst?
05.02.11 MEDRUM Anpassung der Katholischen Kirche an die Gesellschaft oder Neuaufbruch im Glauben?
05.02.11 MEDRUM Verteidigt die Schafe vor den Wölfen!
07.02.11 MEDRUM Manfred Lütz: Theologen geht es nicht um Aufbruch, sondern Macht und Einfluß
08.02.11 MEDRUM Zu wenig gedacht, zu kurz gedacht, liebe Theologen

Leserbriefe

Dr. Alexander Kissler nennt die 143 Ruheständler-Theologieprofessoren: "Umstürzler". Er trifft den Nagel (ein Sargnagel unserer kath. Weltkirche !) auf den Kopf. Übrigens hätten diese 143 Umstürzler sich kürzer fassen können. Statt nämlich der 7 verschiedenen Forderungen hätte eine (!) gereicht; und zwar kurz und bündig: "Abschaffung der röm.-kathol. Kirche !"

Als sogen. "kleiner" kathol. Christ hat man die Erwartung von einem verantwortlichen, kath. Theologen, daß er zum Aufbau und zur Weiterentfaltung des kath. Glaubens verhilft und beiträgt. Dafür ist einem - mit 81 Lebensj. in der kath. Kirche - das sich inzwischen entwickelte und bereichernde Glaubensgut viel zu kostbar, nicht durch flotten, allzu spontanen Zeigeist ersetzbar, geworden. Was hatte man in der Nazi-Unzeit nicht alles für verrückte heidnische, und gefährliche "Naziglaubens-Schnapsideen" sich anhören müssen durch verbohrte HJ-Führer u. Nazilehrer. Oder auch die Zeit nach dem le. Konzil, als selbst Priester die neuen Beschlüsse offensichtlich wohl falsch auslegten und geradezu "auf den Kopf stellten". So verdrehte man den mutigen Aufruf von Papst Johannes XXIII.: "Die Kirche muß in die Welt gehen !" -gemäß ihrem Missionsauftrag. Aber Priester verdrehten dies und holten die 'Welt in die Kirche' ("Welt" im negativen Sinne gemeint). Wie vieles wurde dann sichtbar im Inneren des Kirchengebäudes übereifrig geändert, umgeworfen, so daß man aufgrund ihrer Kahlheit sich manchmal wie in einer calvin. = reformatorischen Kirche fühlte. Dazu kamen die so radikalen geistigen Umwerfungen der bisherigen Frömmigkeitsübungen. Zugegeben: da war wohl einiges inzwischen wie ausgeleiert und erneuerungsbedürftig geworden, ja es gab da auch eine Verkrampfung u. Engstirnigkeit. Das kann man aber nicht durch radikale Rodung verändern, sondern durch spiritueller gezielter aber behutsamer Umstellung.

Was ist z.B. mit der früheren Beichtpraxis gemacht worden ? Man mußte selbst von Priestern abfällige Meinungen über das Beichten sich anhören ? So kann man heute noch als Folge davon selbst von eigentlich eifrigen Katholiken hören "Ich (ein 70-j.) war zuletzt Mitte der 60-iger J. beichten!" Andererseits suchen doch relativ viele Leute (auch Christen) bei psychischen Nöten entsprechende, säkulare Fachleute auf - ich kann da aus eigener 25-j. Erfahrung in hauptberufl. Tätigkeit als psychosozialer Suchttherapeut mitargumentieren. M.M. nach muß ein "Beichtvater" heute außer seiner sakramentalen Vollmacht zusätzliche psychologische Fähigkeiten besitzen (durch Zusatzschulungen). Aber da muß man leider heute bei Priestern die Erfahrung machen, daß sie mit vielen zusätzlichen Aufgaben, für die sie ja eigentlich nicht zu Priestern geweiht wurden, zugepackt sind. Hier muß sich dringend bald Grundsätzliches ändern, sonst droht der Priester immer mehr zu einem kirchlichen Funktionär zu werden.

Wie hat es Benedeikt XVI. so deutlich ausgedrückt: "Ein Priester hat die Aufgabe, die Menschen zu Jesus Christus zu führen!" Darin könnten die Theologen z.B. mithelfen, wie sollte und muß das konkret in unserer Zeit aussehen und priesterl. gestaltet sein, nicht revolutionär = umstürzlerisch, sondern spirituell begründet und den Glauben an Christus aufbauend und fördernd. Das wird dann das kirchliche Leben nach innen erneuern und nach außen erneuert leuchten lassen -somit wieder anziehend für suchende Menschen.