11.07.09
Äußerungen der Pius-Bruderschaft über homosexuelle Lebenskonzepte "inakzeptabel"
Pressesprecher der Diözese Stuttgart-Rottenburg schlägt sich auf die Seite von Brigitte Zypries
(MEDRUM) Im Interview mit dem Domradio Köln vom 02.07.09 bezog Thomas Broch, Pressesprecher der Diözese Stuttgart-Rottenburg, Stellung gegen die Pius-Bruderschaft. Er verurteilte deren Äußerungen über den Christopher Street Day (CSD) in Stuttgart als "inaktzeptabel" wie zuvor bereits Brigitte Zypries, die die Äußerungen der Pius-Brüder als "unerträglich" bezeichnete.
Anlaß für die öffentliche Verurteilung der Pius-Bruderschaft waren Äußerungen im Mitteilungsblatt der Pius-Bruderschaft vom Juli 2009. Darin üben die Pius-Brüder zunächst Kritik an Entgleisungen von Teilnehmern des CSD im letzten Jahr: "Besonders verletzend und beleidigend waren die Moralvergifter im letzten Jahr, da sie sich über den Glauben lustig machten." Die Bruderschaft wies damit "obszöne Verunglimpfungen des katholischen Glaubens" bei der letzten Homosexuellenparade in Stuttgart zurück. Dort hatte eine Frau, als Papst verkleidet, "hämisch grinsend die Segensgeste des Papstes verhöhnt". "Müssen wir Katholiken uns wirklich jeden Spott gefallen lassen?", fragt die Pius-Bruderschaft. Zur diesjährigen Parade schreiben sie: "Dieses Jahr findet die perverse Kundgebung am 1. August statt. Männer und Familienväter, verteidigt mit uns die Werte des Abendlandes! Eine kleine Gruppe mutiger Katholiken am Rand des CSD in Stuttgart 2007 – Wieviele werden es 2009 sein? ... Eine Menge von sich wild und obszön gebärdenden Menschen zieht durch die Straßen Stuttgarts und will den Menschen suggerieren: Homosexualität ist das Normalste der Welt. Seht, wie pervers-fröhlich wir sind." Die Pius-Bruderschaft rief zum Widerstand auf: "Wie stolz sind wir, wenn wir in einem Geschichtsbuch lesen, dass es im Dritten Reich mutige Katholiken gab, die sagten: 'Wir machen diesen Wahnsinn nicht mit!'. Ebenso muss es heute wieder mutige Katholiken geben! Und man kann nicht sagen: Was geht mich das an?"
Broch machte unmißverständlich klar, dass Äußerungen wie sie von der Piusbruderschaft gemacht wurden, in keiner Weise gerechtfertigt seien. Der Sprecher der Diözese trat vielmehr für die Akzeptanz homosexueller Lebensweisen ein. "Was mich besonders stört ist die verunglimpfende Sprache", erklärte Broch. Broch wollte die Worte nicht in den "Mund nehmen", die er konkret als verunglimpfend bewertete. Stattdessen hob er hervor, dass andere Lebenskonzepte wie die der Homosexuellen nicht diffamiert werden dürfen. Ebenso inakzeptabel sei es, wenn Homosexuelle indirekt mit den Nazis verglichen würden, so Broch im Domradio.
Auf die Frage, inwieweit die Piusbrüder als katholisch anzusehen seien, antwortete Broch mit dem Hinweis auf die noch nicht abgeschlossene Debatte zwischen der Römisch-Katholischen Kirche und der Pius-Bruderschaft: Dies sei noch ungeklärt." Auch auf die Frage, wie der CSD aus der Sicht normaler Katholiken zu sehen ist, antwortete Broch eher ausweichend: er wisse nicht, ob es notwendig sei, dass man seine persönliche sexuelle Orientierung und seine persönlichen Vorstellungen von Lebenskonzepte in dieser Weise in einer öffentlichen Demonstration in diesem Ausmaß auf die Straße zu tragen, wie es beim Christopher Street Day geschehe, so Broch.
Weder das Domradio noch Broch gingen im Interview auf die Warnung der Bruderschaft vor einer Änderung des Grundgesetzes ein, wie sie von Brigitte Zypries angestrebt wird. Absicht von Brigitte Zypries ist es, homosexuelle Partnerschaften unter den gleichen Schutz des Grundgesetzes stellen zu lassen wie die Ehe. Dazu hatten die Pius-Brüder erklärt: "Vor kurzem hat Brigitte Zypries von der SPD noch viel weitergehend gefordert, die geschlechtliche Perversion sogar in das Grundgesetz aufzunehmen. Wenn das geschieht, dann wird es in Deutschland für Katholiken eng. Dann darf man die sodomitische Sünde nicht mehr anprangern, weil es verfassungsfeindlich ist." Diese Befürchtung scheinen nicht unbegründet zu sein. Denn der Bundespolitiker der Grünen Volker Beck hatte im April den kritischen Diskurs über homosexuelle Lebensweisen mit antisemitischen Positionen verglichen und Brigitte Zypries bezeichnete die Pius-Bruderschaft als Gefahr für Freiheit und Demokratie.
Auch der Organisator des CSD Stuttgart verurteilte die Äußerungen der Pius-Brüder und stellte Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Christoph Michl, Vorstand und Gesamtleiter des CSD Stuttgart, hatte dazu erklärt: „Wir sind geschockt über diese neue, unhaltbare Dimension der Hetze gegen Schwule und Lesben. Nach zwei Gegendemonstrationen haben wir uns mittlerweile an die Priesterbruderschaft und ihre verschrobenen Ansichten gewöhnt." Die Veröffentlichung mit dem Aufruf zum Widerstand und insbesondere der Gleichsetzung von homosexuellen Menschen mit den Nationalsozialisten des Dritten Reichs erfülle eindeutig den Tatbestand der Volksverhetzung, meinte Michl.
Domradio Köln -> Das ist völlig inakzeptabel
MEDRUM-Artikel -> Zypries: Demokratie und Freiheit durch Piusbruderschaft bedroht
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Ergänzung
Entschließung des EU-Parlamentes P6_TA(2007)0167 im Anhang als pdf-Datei beigefügt.