08.07.09
Kommentator der Papst-Enzyklika von der FAZ lässt Leser ratlos zurück
Ein Einwurf von Kurt J. Heinz
(MEDRUM) Die FAZ präsentiert in ihrer Ausgabe vom 07.07.09 einen Kommentar zur Enzyklika "Caritas in veritate", die am gleichen Tage vom Vatikan veröffentlicht wurde. Die Enzyklika lasse selbst wohlmeinende Leser eher ratlos zurück, schreibt Daniel Deckers.
Kann dem Kommentator ein Kompliment gemacht werden? Noch am Tage der Veröffentlichung kommentiert er ein 73 Seiten umfassendes Dokument und präsentiert in Windeseile dem FAZ-Leser ein Gesamturteil: Nicht für tauglich befunden, lautet es.
Die dem Thema Globalisierung gewidmete Enzyklika „Caritas in veritate" sei nicht nur sprachlich ein schwerverständliches Konvolut. "Auch inhaltlich lassen die Autoren, unter denen der Papst nur einer von vielen war, wohlmeinende Leser eher ratlos zurück", so Decker, der die Enzyklika als "Trauerspiel" bezeichnet. Sie sei ein katholisches Selbstgespräch, bar jeden Bestrebens, den Dialog zu suchen.
Wer die Enzyklika gelesen hat, dem stellen sich sofort und unweigerlich Fragen an den Kommentator der FAZ.
Ist etwa der Appell an die Liebe der Menschen untereinander, eine zentrale Botschaft der Enzyklika, kein Bestreben zum Dialog? Welch besseren Beitrag zum Dialog, beispielsweise unter den Religionen, könnte es geben, als den Appell zum liebenden Umgang? Dies ist mitnichten ein katholisches Selbstgespräch.
Wer den Versuch macht, sich die Enzyklika zu erschließen, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Kommentator eher seine persönlichen Frustrationen und eigenen Ratlosigkeiten los geworden sein könnte, als dem Leser das Ergebnis einer konstruktiven Analyse zu liefern. Die Analyse müsste damit beginnen, die Adressaten und die Zielsetzung der Enzyklika mit ihren Kernbotschaften darzustellen und dies zu diskutieren. Doch davon ist im Kommentar wenig zu finden. Ist das für den Kommentator der FAZ nicht leistbar gewesen? Noch am gleichen Tag ihres Erscheinens vielleicht nicht, wohl aber an den Tagen danach. Aus der Hüfte und daneben geschossen?
Ein Kernsatz aus der Enzyklika lautet: "Wenn wir im augenblicklichen sozialen und kulturellen Umfeld, in dem die Tendenz zur Relativierung der Wahrheit verbreitet ist, die Liebe in der Wahrheit leben, kommen wir zu der Einsicht, daß die Zustimmung zu den Werten des Christentums ein nicht nur nützliches, sondern unverzichtbares Element für den Aufbau einer guten Gesellschaft und einer echten ganzheitlichen Entwicklung des Menschen ist."
Ist dieser Satz schwer verständlich? Lässt dieser Satz den Leser der Enzyklika ratlos zurück? Selbst wenn dies für den Kommentator der FAZ zutreffen sollte, wird es nicht allen Menschen so gehen. Im Übrigen könnte auch ein Ratsvorsitzender der EKD diesen Satz unterschreiben.
Weiter heißt es in der Enzyklika: Ohne Wahrheit, ohne Vertrauen und Liebe gegenüber dem Wahren gibt es kein Gewissen und keine soziale Verantwortung: Das soziale Handeln wird ein Spiel privater Interessen und Logiken der Macht, mit zersetzenden Folgen für die Gesellschaft, um so mehr in einer Gesellschaft auf dem Weg zur Globalisierung und in schwierigen Situationen wie der augenblicklichen.
Auch dieser Satz ist nicht schwer verständlich. Er bestätigt nur, was sich wachsamen und kritischen Zeitgenossen längst offenbart hat. Handeln ohne Verpflichtung an eine Ethik des christlichen Glaubens führt ins Abseits, in der Politik, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft. Viele wissen oder spüren es, wollen es aber nicht wahrhaben. Erneut bewahrheitet sich was schon Nietzsche erkannt hatte: "Das Abfließen der Gewässer der Religion lässt Sümpfe oder Weiher zurück, ... Niemals war die Welt mehr Welt, nie ärmer an Liebe und Güte."
Nicht die Enzyklika ist ein Trauerspiel, sondern die heutige Realität mit ihrem menschlichen Unverstand, die immer wieder gemachte Erfahrung zu vergessen, dass der Versuch des Menschen, sich von Gott zu emanzipieren, und seine autonome Gottlosigkeit den Menschen selbst in den Abgrund führt. Die Deutschen haben dies unter dem Nationalsozialismus erlebt, die Menschen Osteuropas unter Lenin und Stalin, und die Asiaten unter Mao. Wir selbst erleben diesen Versuch, sich von Gott loszusagen, heute unter dem Diktat des Relativismus. Der so genannte Humanismus des autonomen und hedonistischen Menschen ist in Wahrheit inhuman, weil ihm die Liebe zur Wahrheit fehlt. Die Enzyklika sagt dazu: "Der Humanismus, der Gott ausschließt, ist ein unmenschlicher Humanismus."
Die Botschaft der Enzyklika macht diesen Bruch des Menschen mit Gott bewußt und ruft ihn zur Rückbesinnung und Umkehr auf. Sie stellt für diesen Weg wichtige Gemeinsamkeiten der Kulturen und Religionen heraus: "In allen Kulturen gibt es besondere und vielfältige ethische Übereinstimmungen, die Ausdruck derselben menschlichen, vom Schöpfer gewollten Natur sind und die von der ethischen Weisheit der Menschheit Naturrecht genannt wird. Ein solches universales Sittengesetz ist die feste Grundlage eines jeden kulturellen, religiösen und politischen Dialogs und erlaubt dem vielfältigen Pluralismus der verschiedenen Kulturen, sich nicht von der gemeinsamen Suche nach dem Wahren und Guten und nach Gott zu lösen." Dies ist kein katholisches Selbstgespräch, sondern ein Appell und Beitrag zum Dialog im Zeitalter der Globalisierung, auf den sich jeder, auch und gerade die Vertreter Medien einlassen sollten.
Das macht der Kommentator der FAZ jedoch nicht. Anstatt die Kernbotschaften dieser Enzyklika und ihre Bedeutung für die Geistlichkeit, für Theologen und Politiker, für Christen und Nichtchristen herauszustellen, sie konstruktiv zu analysieren, und ihre praktischen Konsequenzen aufzuzeigen, liefert er einen großzügigen Verriß, der den Leser seinerseits ratlos zurücklässt. Schon weil er sich nicht ermutigt fühlt, diese Enzyklika überhaupt zu lesen. Hermetisch nennt Deckers die Enzyklika.
Doch nicht die Enzyklika ist hermetisch, sondern Geist und Herz des heutigen Menschen sind hermetisch. Er geht einen Weg, vor dem die Enzyklika warnt. Die Abschaffung des Religionsunterrichtes in Berlin, die Propagierung der Abtreibung, der Umgang des Menschen mit seiner Sexualität , die immer weiter um sich greifende Auflösung des Familienbildes, die Implosion unserer Geburtenraten und der Zusammenbruch des Weltfinanzsystems sind Zeichen dieser Entwicklung, mit der sich die Enzyklika tiefgründig auseinandersetzt. Das alles ist nicht wirklich schwer zu verstehen, man muß es aber verstehen wollen. Doch der Kommentator der FAZ zeigt sich von einer hermetischen Seite.
FAZ-Artikel -> Katholisches Selbstgespräch
MEDRUM-Artikel -> Enzyklika „Caritas in veritate"