Predigt über Jes. 40, 26-31 - 30. März 2008, Quasimodogeniti, St. Nikolai
von Pfarrer Christian Führer
Ehrlich gesagt: Ich habe ewig keinen Anfang für die
heutige Predigt gefunden. Dann dachte ich mir: Geh einfach rein mit dem
Predigttext in die Nikolaikirche...
Und so fange ich mit der einladenden, offenen Tür an:
„Nikolaikirche – offen für alle.“
Das ist mehr als ein Hinweis! Das ist die Aussage, dass
JESUS Türen öffnet; ermutigt, Grenzen zu überschreiten und Schwellenängste zu
überwinden. Das ist die Aufhebung der Trennung von drinnen und draußen. Denn
Straße und Altar gehören nach JESUS zusammen, weil die ganze Welt, ungeteilt,
GOTTES Welt ist! Und „GOTT will, dass allen Menschen geholfen wird und
sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ (1. Tim. 2,3+4)
So sind wir problemlos hier zusammengekommen, voll
Dankbarkeit, dass unsere Mütter und Väter im Glauben so große Kirchen gebaut
haben, in denen so viele Menschen Platz finden.
Einen Gottesdienst feiern mit Singen und Beten, mit Hören
und Musizieren, zu erleben, dass JESUS selbst in Brot und Wein präsent wird und
Gestalt annimmt: da ist die Liebe GOTTES mit Händen zu greifen; da werden wir
zu quasimodogeniti, zu gleichsam neu Geborenen.
Wir werden in Zukunft immer dringender die Kirchen, die kleinen
und die großen Kirchen, brauchen. Denn vom Materialismus wird letztlich niemand
satt. Da herrscht Hunger bei vollen Schüsseln. Und unter der gnadenlosen
Diktatur des Kapitals zu leben macht weder froh noch frei! Da leben wir wie in
einem komfortablen Labyrinth, das keinen Ausweg hat, weder nach vorn noch nach
hinten, weder rechts noch links. Nur oben ist das Labyrinth offen!
Nur von oben kommen Licht und Erleuchtung, Orientierung
und Hilfe ins Labyrinth unserer heutigen Welt.
Darum brauchen wir die Kirchen, die mit ihren Türmen nach
oben weisen und uns den Aufblick, das Aufatmen, den Ausweg ermöglichen.
Menschen mit dieser Turmfunktion gab es schon zu Zeiten
des Alten Testaments, Propheten genannt. Wie den zweiten Jesaja, der etwa 550
v. Chr. zu den Gefangenen und Ausweglosen in Babylon redete und schrieb: „Hebt
eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies geschaffen? ER führt das Heer
(der Sterne) vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen.
SEINE Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins
von ihnen fehlt...“
Schon von Kindheit an kennen viele von uns dieses
Prophetenwort durch das Lied :
„Weißt du wie viel Sternlein stehen...
GOTT, der HERR, hat sie gezählet,
dass IHM auch nicht eines fehlet an der ganzen, großen
Zahl.“
Und endet mit der wunderbaren Aussage:
„...kennt auch dich und hat dich lieb.“
Blickt auf aus den Drangsalen und Rätselhaftigkeiten Eures
Daseins in die Höhe, ans Firmament: da ist Schönheit und Maß, da gilt GOTTES
Ordnung, da hat der Mensch nichts durcheinander gebracht.
„Kennt auch dich und hat dich lieb“, weiß auch für dich
einen Weg, da dein Fuß gehen kann!
„Warum sprichst du denn: “Mein Weg ist dem HERRN verborgen
und mein Recht geht vor meinem GOTT vorüber?“
Ja, so sind wir. Wir sind so furchtbar leicht zu verunsichern,
zu verletzen, zu entmutigen.
Liebevoll wie eine Mutter spricht der Prophet die
Verzagten, auch heute, an:
Warum wirst du so unsicher, als ob GOTT nicht weiter
führte?
„Weißt du nicht, hast du nicht gehört: Der HERR, der ewige
GOTT...wird nicht müde noch matt, SEIN Verstand ist unausforschlich!“ SEINE Möglichkeiten unbegrenzt! Das ist ja nun wie zu uns selbst gesagt.
Wie oft habe ich im letzten halben Jahr gehört: „Wie soll
das hier alles weitergehen? Werdet ihr überhaupt jemanden kriegen, der bereit ist,
hier einzusteigen und diese Aufgaben zu übernehmen?“ Nun, diese bange Frage ist
bereits gelöst, und zwar auf eine für alle erstaunliche Weise: ohne die fast
unvermeidliche Spannung zwischen Kirchenvorstand und Landeskirchenamt; ohne
Kampfabstimmung ist mein Nachfolger auf geradezu christliche Weise und
einstimmig angenommen worden und wird nach einer extrem kurzen Vakanzzeit
bereits am 13. Juli in sein Amt als Pfarrer der Nikolaikirche eingeführt!
Und ich selbst wurde oft und ehrlich gefragt, wie ich denn
das Dienstende als Pfarrer der Nikolaikirche nach so vielen Jahren (28)
schaffen würde und was ich schwerer fände, anzufangen oder aufzuhören?
Aufhören und Anfangen fallen ja immer zusammen. Wenn etwas
aufhört, fängt etwas Neues an. Wenn der neue Anfang verheißungsvoll ist und
beflügelt, fällt das Loslassen und Aufhören des Bisherigen leichter. Aber vor
allem: Gilt nicht auch uns, meiner Frau und mir:
„Weißt du nicht, hast du nicht gehört: Der HERR, der ewige
GOTT,...“weiß schon, wie es weitergeht mit euch, nicht nur
äußerlich, sondern insgesamt.
Und wem das und wenn das immer noch nicht reicht an
Zuversicht und Verheißung, dem spricht es der Prophet mit indikativischer
Gewissheit zu:
„ER gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem
Unvermögenden. (Auch) Männer werden müde und matt, und junge Leute straucheln
und fallen; aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren
mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln
und nicht müde werden.“
Ja, auch die Starken und Jungen und Gesunden sind nicht
unermüdlich. Auch ihre Kräfte sind begrenzt und verbrauchen sich mehr oder
weniger schnell. Wer nur aus sich selbst schöpft, (der) ist bald erschöpft. Das
wissen wir alle. „Aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft..“
„Harren“, die auf ihrem Glauben an GOTT beharren, nicht
einfach warten, das wäre zu flach. Wir warten auf den Frühling, auf die
Straßenbahn. „Auf den HERRN harren“ hat eine andere Qualität: ist
intensiver, ist totaler, hat gewaltige Folgen: „kriegen neue Kraft!“
Wie anders hätten wir paar Leute mit den Friedensgebeten
sonst durchhalten können, die vom Kirchenvorstand, der Superintendent, die
Basisgruppenvertreter und ich! Als 1984 in Ost und West die
Mittelstreckenraketen stationiert wurden, hat das bei uns im Osten große
Resignation ausgelöst. Wir hatten im Fernsehen
gesehen, was im Westen, was in der Demokratie die Bürger für
Möglichkeiten des Protestes hatten. Aber dann wurde auch bei denen trotz aller
Proteste genauso stationiert wie bei uns in der Diktatur – das
bundesrepublikanische Modell „Demokratie“ hatte einen großen Riss bekommen! Die
Zahlen der montäglichen Friedensgebetsteilnehmer sanken auf unter 10. Da saßen
wir dann einmal zu sechst hier im Altarrondell. Superintendent Magirius las
einen Psalm, ich war auch dabei. Ziehen
Sie uns zwei Profis ab, waren es nur noch vier aufrechte
Christenmenschen. Und als mich hinterher eine Teilnehmerin fragte: „Herr
Pfarrer, Sie lassen doch nicht etwa die Friedensgebete eingehen“ – ich sah
wahrscheinlich nicht sehr glaubensfroh
aus – und ich antwortete: „Wieso?“, sagte sie: „Wenn wir aufhören, gibt
es keine Hoffnung mehr im Land.“
Ich dachte: „Sie hat recht.“ Als Pfarrer fällt einem zum
Glück fast immer ein passendes Bibelwort ein. JESUS sagte ja einmal zur kleinen
Jünger- und Jüngerinnenschar:
„Wo nur zwei oder drei in MEINEM Namen versammelt sind, da
bin ICH mitten unter ihnen.“ (Matth. 18,20) – da waren wir zu
sechst ja schon doppelt so viel – also weitermachen!
„Die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft!“ Sie
werden nicht matt im Glauben, nicht müde in der Hoffnung!
Im Friedensgebet am 27. Februar 1989, das der Kreis „Hoffnung
für Ausreisewillige“ gestaltete, nahm ich diesen Gedanken in der Einleitung
auf: „Wir brauchen eine Hoffnung, die hüben und drüben gilt, eine Hoffnung, die
unabhängig ist von den Fahnen, die draußen wehen... Der Grund dieser Hoffnung
ist der gekreuzigte und auferstandene JESUS CHRISTUS... Weil wir die Gnade
unseres HERRN JESUS CHRISTUS und die Liebe GOTTES und die Gemeinschaft des
HEILIGEN GEISTES (2. Kor. 13,13) erfahren in unserem Leben, weil uns im
Tiefpunkt unseres Lebens, an der dunkelsten Stelle, das Wort JESU erreicht: „Lass
dir an MEINER Gnade genügen, denn MEINE Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
(2. Kor.12,9), darum kommen wir immer wieder auf die Beine, innerlich und
äußerlich. So wagen wir den Satz: es gibt keine aussichtslosen Situationen im
Leben, sondern nur Menschen, die die Hoffnung aufgegeben haben. Ich lade uns
alle heute erneut ein zu CHRISTUS, der Hoffnung über den Ideologien.“
Heute?
Zur Hoffnung über den Parteien, zur Hoffnung über dem
Geld, zur Hoffnung über den Kriegen und anderen selbstgemachten Katastrophen
und Ausweglosigkeiten.
Nur oben ist das Labyrinth offen!
Im Kirchenblatt haben wir uns, meine Frau und ich, bei
allen, den Nahen und den Fernen, bedankt. Sie können das dort nachlesen. Es
waren für uns die wunderbaren Jahre, mit Schönem und Schwerem.
Einen Dank möchte ich jetzt noch aussprechen. Ein Kollege
hat mich neulich skizziert u. a. als theologisches Rätsel mit provozierender
Bibelnähe, fragwürdiger Einseitigkeit
und jesusähnlicher Radikalität. Es liegt auf der Hand, dass es alles andere als
einfach oder gar problemlos ist, mit so einem „Rätsel“ umzugehen.
Darum meinen herzlichen Dank an die Gemeinde,
Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
ja die Sächsische Landeskirche überhaupt: so lange mit diesem „Rätsel“ gelebt
zu haben!
Mein tiefster Dank aber gilt GOTT, DER uns vor falschen
Entscheidungen bewahrt, SEINE schützende Hand über uns alle gehalten und uns
geführt und geleitet hat über Bitten und Verstehen!
Wie es weiter geht?
Alles, was uns bisher wichtig war, bleibt uns weiterhin
wichtig.
„Und Zuflucht haben wir unter dem Schatten SEINER Flügel.“
(Psalm 36,8)
Und wollen alle zusammen weitergehen und wachsen und
bleiben an
„DEM, DER da ist und DER da war und DER da kommt,
unserem HERRN und HEILAND
JESUS CHRISTUS.“ (Offb. 1,8)
Amen
Pfarrer
Christian Führer
EKD-Newsletter Nr. 281, 15. April 2008
16.04.08
Christen im Irak in größter Not: Zwang zum Übertritt zum Islam, zur Zahlung von Schutzgeldern und Bedrohung ihres Lebens
Die Situation der Christen im Irak gibt Grund zu größter Sorge. Der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, hat erneut auf die Verfolgungssituation aufmerksam gemacht, wie die EKD in ihrem neuesten Newsletter berichtet.
In einem Interview sagte Bischof Huber vor wenigen Tagen, dass der Umfang der Flüchtlingsbewegung aus dem Irak erschreckend sei. Dies hätten noch nicht alle in Deutschland im erforderlichen Maß wahrgenommen. Ein sicheres Leben im Irak sei für Christen mittlerweile nicht mehr möglich. Man zwinge sie, zum Islam überzutreten, Schutzgelder zu zahlen, und sie müssten um Leib und Leben bangen. Oft bliebe ihnen nur die Wahl zwischen Tod oder Flucht. Nachbarländer, vor allem Jordanien und Syrien, können die Flüchtlingsströme nicht alleine aufnehmen. Europa, auch Deutschland müsse helfen. Es solle eine so genannte Kontingentlösung gefunden werden, damit irakische Christen ohne komplizierte Asylverfahren aufgenommen werden könnten, weil sie grundsätzlich als verfolgt anzusehen seien.
16.04.08
"Wasserfolter" und US-Regierung
Wie die Sendung Frontal 21 gestern abend berichtet hat, wurden in den vergangenen Jahren Maßnahmen der Folter durch die USA in drei benannten Fällen angewendet. Frontal zeigte in erschütternder Weise, welche Grausamkeit hinter der "Wasserfolter" steckt, die beim Kampf gegen den Terrorismus durch die USA angewendet wurden.
Frontal 21 hat als politisch Verantwortliche für die Anwendung der
"Wasserfolter" (engliischer Begriff "Waterboarding") George W. Bush, Dick Cheney und Ronald Rumsfield genannt.US-Soldaten wurden in der Zeit des Vietnamkrieges empfindlich bestraft, weil sie durch Anwendung solcher Foltermaßnahme ein Kriegsverbrechen begangen hatten. Wie berichtet hat der Präsident des USA vor wenigen Wochen durch sein Veto-Recht verhindert, dass solche Methoden durch ein "Anti-Folter-Gesetz" in den USA verboten und unter Strafe gestellt werden.
Das Manuskript des Magazinbeitrages ist verfügbar unter:
http://frontal21.zdf.de/ZDFde/inhalt/1/0,1872,1001633,00.html?dr=1