05.11.09
"Reaktionäres Ehebild"
Klaus Wowereit wirft Norbert Geis in Maischberger-Sendung ein reaktionäres Bild von Ehe und Familie vor
(MEDRUM) In der Sendung "Schwule und Lesben an die Macht!" von Sandra Maischberger kam es am Dienstagabend zur Kontroverse zwischen Klaus Wowereit (SPD) und Norbert Geis (CSU). Dabei warf der SPD-Politiker und Regierende Bürgermeister von Berlin Wowereit dem CSU-Politiker Geis ein reaktionäres Ehebild vor.
Norbert Geis wurde von Sandra Maischberger gefragt, weshalb er gegen eine Ehe oder Heirat von Frauen oder von Männern sei. Geis erläuterte seine Haltung zur Ehe und Lebenspartnerschaft damit, dass die Ehe sowohl seiner Meinung nach wie auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften grundsätzlich zu unterscheiden sei. Norbert Geis dazu:
"Es ist meiner Meinung nach ein wesentlicher Unterschied, und das hat auch das Verfassungsgericht gesagt, in seinem Urteil vom 17. Juli 2002, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft ist ein 'aliud', so nennen es die Juristen, das heißt, es ist etwas anderes als die Ehe." ... "Die Ehe, als Einvernehmen, als eine Gemeinschaft zwischen Mann und Frau, ausgerichtet auf Kinder, auf Familie, diese Ehe steht unter dem besonderen Schutz des Staates, und der Staat hat sie zu fördern. Das ist, was wir unter Ehe verstehen."
Klaus Wowereit erklärte daraufhin sein eigenes Verständnis von der Ehe und entgegnete Norbert Geis:
"Sie haben ein ganz anderes Gesellschaftsbild. ...Wir sehen den Sinn der Ehe auch darin, dass da zwei Partner sind, die - entweder weil sie keine Kinder bekommen können oder nicht wollen - auch in einer Ehe zusammenleben. Und wir wollen auch, dass zwei Menschen, die gleichgeschlechtlich sind, dass die auch sich verpartnern können in der Weise auch mit der Rechtsstellung, dass die nicht im Krankenhaus beispielsweise keine Auskünfte bekommen, weil sie nicht akzeptiert werden, dass sie steuerrechtlich gleichgestellt werden, dass sie versorgungsrechtlich gleichgestellt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat ja nun noch mal gerade geurteilt, oder das Bundesverwaltungsgericht, dass hier auch bei Beamten das endlich mal wieder gleichgestellt werden muss auf der Bundesebene. ...
So, das ist ein unterschiedliches Gesellschaftsbild. Es ist ja Ihr legitimes Recht, so ein Bild zu haben, aber Sie müssen akzeptieren, dass andere Menschen, und Gott sei Dank die Mehrheit in unserer Gesellschaft heute dieses konservative, ich würde eher sagen, reaktionäre Ehebild nicht haben."
Norbert Geis wies den Vorwurf eines reaktionären Bildes von Ehe und Familie zurück:
"Ich habe das Weltbild so wie es in der Verfassung steht. ... Reaktionär, wissen Sie, was damit verbunden ist? Also da sollten Sie vielleicht auch als Regierender Bürgermeister etwas vorsichtiger damit umgehen."
Wowereit hielt dennoch an seiner Kritik fest und bekräftigte seinen Vorwurf im weiteren Verlauf der Diskussion über die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Partnerschaften mit der Bemerkung:
"Aber bitte sehr auch für eine Eingetragene Partnerschaft, dass beide adoptieren können. Und das ist eben heute nicht möglich. So, und das soll man ändern. Dass Sie da ne andere Auffassung haben, das muß ich akzeptieren."
Auf die Zwischenbemerkung von Norbert Geis, "Das ist aber nicht reaktionär.", erwiderte Klaus Wowereit: "Für mich ist das reaktionär."
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Norbert Geis ist Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Aschaffenburg und wurde im September erneut als Direktkandidat der CSU in den Bundestag gewählt. Er gehörte zu den Erstunterzeichnern der Erklärung "Für Freiheit und Selbstbestimmung", die sich für die Freiheit der Rede und Wissenschaft beim 6. Internationalen Kongreß für "Psychotherapie und Seelsorge" im Mai 2009 einsetzte.
Neben den beiden Politikern Wowereit und Geis waren die lesbische Schauspielerin Maren Kroymann, zwei homosexuelle Lebenspartnerschaften und der Diplom-Psychologe Michael Gerlach als Gäste in der Gesprächsrunde von Sandra Maischberger geladen.
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