19.05.11
Frauen müssen in Goslar gleicher sein - Gleichstellungsbeauftragte Ebeling abgesetzt
Grüne: Benachteiligungen von Männern beseitigen ist nicht unser politischer Wille. SPD: Fokus verrutscht!
von Kurt J. Heinz
(MEDRUM) Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Goslar wurde am Dienstag nach dreijähriger Amtszeit abgesetzt. Die Ursache für diesen ungewöhnlichen Vorgang: Die Amtsinhaberin Monika Ebeling (SPD-Mitglied), eine studierte Sozialpädagogin und Leiterin einer Kindertagesstätte, hat den politischen Willen in Goslar mißachtet. Sie trat nicht nur für die Gleichstellung von Frauen, sondern auch für die von Männern ein. Dies brachte die Gemüter der grünen und linken Lokal- und Frauenpolitiker zum Kochen. Nachdem Ebeling durch Abwahl zur Strecke gebracht wurde, sind die Weichen gestellt, um im Gleichstellungsgeschäft die gewünschte Normallage einnehmen zu können: Gleichstellung muß in Goslar auf Frauen fokussiert sein. Denn Ebelings Fokus war "verrutscht", wurde argumentiert.
Weshalb Ebeling bei großen Teilen des Stadtrates in Ungnade fiel, macht die grüne Kommunalpolitikerin Doris Juranek (Vorsitzende der grünen Stadtratsfraktion) in einem Schreiben an den Oberbürgermeister der Stadt Goslar klar:
"... das Wirken der Gleichstellungsbeauftragten ist mittlerweile von unseren Vorstellungen weit entfernt. Ihren bisherigen Tätigkeiten nach will sie Benachteiligung von Männern aufzeigen und ‚beseitigen′ – dies ist nicht unser politischer Wille und wir denken, damit auch im Rat nicht allein zu stehen!"
Juranek behielt recht. Sie stand tatsächlich im Rat nicht alleine da mit ihrem politischen Willen, Benachteiligungen von Männern nicht Teil der Gleichstellung in Goslar werden zu lassen. Vor allem die Grünen, aber auch die SPD unterstützten den Abwahlantrag, den die Linkspartei zuvor eingebracht hatte. Mangelnde Teamfähigkeit, fehlende Kooperationsbereitschaft oder Beratungsresistenz waren Schlagworte, die für die Begründung der Abwahlinitiative herhalten mussten.
Außerhalb des Rahmens feministisch geprägter Gleichstellung lag Ebelings Erkenntnis: „Männer haben aber auch Gleichstellungsbedürfnisse.” Deshalb wollte sie „für eine moderne Gleichstellungspolitik des Miteinanders von Männern und Frauen” stehen. Dazu gehörte für sie auch, daß der Blickwinkel nicht auf Frauen und Mädchen in der Opfer- und Männer und Jungens in der Täterrolle verengt wird (Beispiel Abbildung links), sondern die Verhältnisse differenziert statt polarisierend dargestellt werden. Sie wollte einer Notwendigkeit folgen, die auch von der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder gesehen wird: "Die Bedeutung der Jungen- und Männerpolitik in der Gleichstellungspolitik wird immer noch unterschätzt. Das müssen wir ändern, und zwar sowohl im Interesse der Männer als auch im Interesse der Frauen." Ebeling versuchte, frei von einseitigen Betrachtungsweisen Gleichberechtigung für beide Geschlechter zu erreichen und in ihrem Verhältnis zueinander die Kinder nicht zu übersehen. Das reichte als "Verfehlung".
Wer sich erlaubt, selbstständig zu denken, scharf zu analysieren und ein eigenständiges Urteil zu bilden, das eben aus dem gewünschten Rahmen von Verfechtern einer Gleichstellung herausfällt, die nur die Frau im Auge hat, fällt im Goslar des Jahres 2011 einem unerbittlichen Diktat zu Opfer. So jedenfalls erlebte es Monika Ebeling. Sie sah das Unheil ihrer Abwahl auf sich zukommen, wollte sich aber nicht beugen lassen und blieb standhaft bei der Vertretung ihrer an beidseitiger Geschlechtergerechtigkeit orientierten Überzeugung. Eindrucksvoll dokumentiert wird der spannungsgeladene Konflikt durch die Stellungnahme von Monika Ebeling, die sie von der Rathausdiele aus bei der Stadtratssitzung abgab, die ihre Amtszeit als Gleichstellungsbeauftragte beenden sollte. MEDRUM dokumentiert Ebelings Stellungnahme im Wortlaut.
Monika Ebeling
Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Goslar
Kurzvortrag zur Ratssitzung am 17. Mai 2011
Sehr geehrte Frau Ratsvorsitzende, werte Ratsmitglieder, liebe Frauen und Männer im Publikum,
bevor ich zu meinem eigentlichen Vortrag komme, möchte ich ein paar Sätze zu dem Stil, in dem die Auseinandersetzung in den letzten Monaten geführt wurde sagen:
Ich persönlich habe heftige Angriffe erlebt, aber auch vielfältige Unterstützung. Wenn Teile dieser Unterstützung über die Grenze des Fairen hinausgingen, möchte ich mich dafür entschuldigen. Ebenso möchte ich mich entschuldigen, wenn ich jemanden persönlich getroffen habe. Ich will niemanden verletzen. Mir geht es um gerechte Gleichstellungsarbeit.
In der heutigen Aussprache geht es um mehr als den Umgangsstil oder die Abberufung einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten. Die Abberufung einer Gleichstellungsbeauftragten, die schlechte Arbeit leistet, mag eine persönliche Schmach sein, das allerdings reißt niemandem vom Sofa und erregt auch keine bundesweite Aufmerksamkeit.
Gegenstand unserer Auseinandersetzung ist dagegen die Einbeziehung von Männern in die Gleichstellungsarbeit. Das wird vom Gesetzgeber so verlangt und gehört zu meiner Aufgabe. Ich finde es notwendig und längst überfällig. Ich werde der, von meinen Kritikerinnen geforderten Ausgrenzung von Männern, auch weiterhin nicht nachgeben.
Da ist der Vater eines nichtehelichen Kindes, dem das Sorgerecht vorenthalten wird. Nicht, weil er der schlechtere Elternteil ist, sondern weil er ein Mann ist. Dieses Schicksal teilt er mit Millionen anderer Väter nichtehelicher Kinder.
Da ist der Vater, der Zweifel an seiner biologischen Vaterschaft hat. Er braucht aber für den notwendigen DNA-Test die Zustimmung der Mutter oder einen richterlichen Beschluss. Jeden Hundehaufen kann man problemloser seinem Erzeuger zuordnen.
Da ist der geschiedene Vater, dem seine ehemalige Frau das Leben zur Hölle macht, indem sie gezielt sein Umgangsrecht sabotiert. Das geht an den Kindern nie spurlos vorbei!
Da ist der Mann, der an den etablierten Parteien verzweifelt, weil sie die notwendigen Reformen für die familiäre Gleichstellung nicht angehen mögen und den schwarzen Peter bei den Jugendämtern und Gerichten belassen.
Da beklagt jemand, dass Männer pauschal als Täter und Frauen als Opfer dargestellt werden (Ausstellung im Kreishaus, ideologische Brötchentüte) und fragt, ob wir Deutschen in Sachen kollektiver Verdächtigung denn aus unserer leidvollen Geschichte nichts gelernt haben.
Da ist der Mann, der psychisch und physisch gedemütigt wird und weiß, dass er nur belächelt wird, aber keine Hilfe erfährt.
Das ist nur ein Teil meiner Arbeit, aber der umstrittene. Die anderen Teile stehen hier heute ja nicht zur Diskussion, können aber in meinen Berichten nachgelesen werden.
Hier findet nicht - wie die Goslarsche Zeitung heute zitiert - der ‚Kampf um Goslar’ statt. Es geht grundsätzlich um die Abkehr von der jahrzehntelangen einseitigen Frauenförderung hin zu einer fairen Gleichstellung.
Die Selbstverständlichkeit der Verweigerung derjenigen, die sich bei der alten Frauenförderung besser aufgehoben sehen, führte zu der eben erlebten Eskalation.
Die Verfechter einer zukünftigen fairen Gleichstellung dagegen sehen in den Ereignissen hier in Goslar einen wichtigen Schritt, werden das würdigen und in Erinnerung behalten. Goslar wird deshalb voraussichtlich auch der Ort sein, in dem die Grüppchen, die überall im Lande bereits existieren, sich zu einer gemeinsamen Plattform verständigen werden.
Zum Schluss noch einmal meine persönliche Position.
Wie bekannt und von mir auch bereits im VA vorgetragen, liegt gegen mich dienstrechtlich und arbeitsrechtlich nichts vor und ich habe mir auch nichts vorzuwerfen.
"Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden". Dieser Satz ist aus dem SPD- Parteiprogramm. Wie wirkt solch Satz auf einen Vater, der leidet, weil er seine Kinder kaum zu sehen bekommt. Ich bin SPD-Genossin und bleibe es, möchte aber mit solch einem kränkenden Satz nichts zu tun haben.
Lieber möchte ich diesem Vater in seinem Wunsch, seine Kinder regelmäßig zu sehen, unterstützen.
Es geht hier um die Zukunft unserer Kinder!
Wer Monika Ebeling in die Augen schauen konnte, sah, wie bewegt sie am Ende ihrer engagierten Rede war. Sie war die erste Gleichstellungsbeauftragte im Bundesland Niedersachsen, die mit Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes von Niedersachsen zum 1. Januar 2011 einen Gleichstellungsplan erarbeitet hatte. In diesem von ihr herausgegebenen Dokument heißt es (Auszüge):
"Der Rat der Stadt Goslar hat seit 2008 die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten wieder besetzt und damit auch ihren Willen zur Gleichstellung von Mann und Frau, zu moderner Gleichstellungsarbeit, zum Ausdruck gebracht. Die Gleichstellungsbeauftragte nimmt diese Aufgabe zeitgemäß wahr und praktiziert keine einseitige Frauenförderung. Sie nimmt seit Beginn ihrer Tätigkeit Benachteiligung unabhängig des Geschlechtes ins Visier. ... In diesem Sinne ist jeder Mensch ‚beauftragt’, sich für ein demokratisches, faires und partnerschaftliches Miteinander einzusetzen. ...
Die Stadtverwaltung hat sich durch die Verabschiedung eines Gender-Leitbildes zur Geschlechtergerechtigkeit für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verpflichtet und orientiert sich damit z. B. auch an den Ministerien der Landessregierung, in denen sog. Genderteams arbeiten. Mit dem Gender-Leitbild verpflichtet die Stadt Goslar sich nachdrücklich, sich umfassend und systematisch für die Gleichbehandlung der Geschlechter in allen Entscheidungsprozessen und Strategien einzusetzen und die Auswirkungen ihres Handelns auf Mann und Frau zu prüfen. ... Heutige Gleichstellungspolitik verfolgt nicht mehr ausschließlich frauenpolitische Ziele, sie nimmt beide Geschlechter in den Blick. ... In diesem Sinn gibt der vorliegende Gleichstellungsplan für die Stadt Goslar Anregungen. Frauen und Männer sollen in allen Phasen ihres Lebens gleiche Chancen ermöglicht werden.
Für die Abstimmung im Stadtrat Goslar war es letztlich unerheblich, mit welchem Engagement und mit welcher Qualität Ebeling Grundlagen für eine zukunftsorientierte und gesetzeskonforme Gleichstellung der Geschlechter für die Bürger der Stadt geschaffen hatte. Doch gute Arbeit half ihr nicht. Die Bürgermeisterin Renate Lucksch (SPD) räumte ein, Ebeling habe keine schlechte Arbeit geleistet, ihr sei nur „der Fokus verrutscht“.
Seit Dienstagabend ist Monika Ebeling nicht mehr Gleichstellungsbeauftragte der rot-gelb regierten Stadt Goslar. 25 von 35 Ratsmitgliedern stimmten für Ebelings Abberufung: Drei Fraktionen (DIE LINKE, die Grünen und die SPD) stimmten geschlossen sowie sechs weitere Stadträte aus den übrigen Parteien für den Abwahlantrag der Linkspartei. Lediglich die CDU wollte Ebeling mehrheitlich weiterhin im Amt behalten. Die Hetzjagd wolle sie nicht mitmachen, hatte der Fraktionsvorsitzende der CDU zuvor geäußert.
Die Absetzung von Ebeling hat auch in überregionalen Medien hohe Aufmerksamkeit gefunden. Eine Auswahl aus dem Medienspiegel hierzu: