20.05.11
Die Desorientierung der Gleichstellungsvertreterin Pichlbauer
Zuhörer treiben Expertin für "Gender Mainstreaming" bei Münchner CSU-Veranstaltung in die intellektuelle Insolvenz
(MEDRUM) Die CSU München wollte am Donnerstagabend in ihrer Vortragsveranstaltung "Gender Mainstreaming - Was bedeutet das?" dem Innovationspotential von Gender Mainstreaming auf die Spur kommen (MEDRUM berichtete). Als Referentin geladen hatte der Münchner Bezirksverband die Leiterin der Gleichstellungsstelle für Frauen der Stadt München, Michaela Pichlbauer. Doch die hochgesteckten Erwartungen wurden nicht erfüllt. Für die Zuhörer geriet die Veranstaltung zu einer herben Enttäuschung, für die Gleichstellungsvertreterin zu einer teilweise blamablen Vorstellung und für die CSU verwandelte sich die Hoffnung, der Zuhörerschaft positive Gender-Innovationspotenziale zu erschließen, in eine intellektuelle Insolvenz.
„doing gender”
Frauen und Männer müssten besser zusammengehen, dafür setze sie sich ein, lautete die wohlklingende Eingangsbotschaft von Michaela Pichlbauer. Bei ihr gehe es nur um die Gleichstellung der Frauen, immerhin gebe es noch einen erheblichen Gleichstellungsbedarf (23 % pay gap), begründete Pichlbauer ihre Funktion. Ein Credo ihres Vortrages lautete: „ ‚Doing gender' bedeutet, dass wir Selbstverständlichkeiten (der Gleichheit) herstellen." Sie plädierte für mehr Frauen in Spitzenpositionen und wies nicht zuletzt auch auf Kofi Annan hin, der gesagt habe, ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis sorge für mehr Wohlstand.
Pichlbauer verfolgte den Ansatz, das ihr gestellte Thema, die Bedeutung von Gender Mainstreaming, auf das scheinbar Unproblematische und Positive, die Gleichberechtigung der Frau, zu reduzieren. Dies wurde im Verlauf der Veranstaltung durch kritische Nachfragen der Zuhörerschaft offenkundig.
Warum gebrauche man den Kunstbegriff "Gender", wenn es angeblich doch nur um Gleichstellung von Frauen und Männern gehe, lautete eine von vielen Fragen an Pichlbauer, auf die sie überzeugende Antworten schuldig blieb.
Zu Gender gehöre insbesondere der Kampf um die LGBT-Rechte (Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender). Dafür gebe es in München eine Stelle für „Gleichgeschlechtliche Lebensweisen", welche in die Schulen hineinwirke. Die Sexualisierung der Jugend sei Teil des Gender-Paketes, reklamierte ein Zuhörer. Pichelbauer wich aus: Dies sei nicht ihre Baustelle, sie rede hier nur über Fakten und Wissenschaft.
Ein anderer Zuhörer wandte ein, sie könne beim Thema Gender doch nicht ignorieren, dass Gender ein feministischer Kampfbegriff sei. Der Begriff „gender identity" stamme von John Money, der eine Klinik für Geschlechtsumwandlung betrieben habe. Erneut wich Pichlbauer aus: „Ich will nur Wissen vermitteln. Das ist nicht meine Baustelle. Ich bin gegen Ideologien."
Auch dem Einwand, Gender wolle aber das Geschlecht dekonstruieren, sie kenne doch die Theorien von Judith Butler, wich die Referentin aus. Das sei spannende Wissenschaft, so wie Heidegger und die Relativitätstheorie von Einstein, meinte sie wiederum abwiegelnd.
Aus dem Zuhörerkreis wurde überdies auf die Schieflage hingewiesen, die der "Gleichstellung" zunehmend angelastet wird. „Wie heißt Ihre Stelle?", fragte ein weiterer Zuhörer. „Gleichstellungsstelle für Frauen", erwiderte Pichlbauer. Der Zuhörer: „Eben! Das ist unser Problem. Männer werden als Schuldige und Täter diskriminiert. Im Öffentlichen Bereich ist der Lohngap nur 4 %."
Expertin desorientiert und Publikum überqualifiziert?
Pichlbauer wich aber nicht nur aus und verdrängte, sondern zeigte sich auch in Aussagen über Fakten zum Gender Mainstreaming desorientiert. Der Bundestag habe 1999 Gender Mainstreaming „als Leitprinzip und Querschnittsaufgabe der Politik" beschlossen, war in ihrer Power-Point-gestützten Präsentation zu lesen. Doch diese, vermeintlich parlamentarische, Legitimation für Gender Mainstreaming, war schnell als Illusion entlarvt. Ein Zwischenruf klärte die Zuhörer darüber auf, daß es keinen Bundestagsbeschluss zu Gender Mainstreaming gegeben habe. Da müsse sie noch einmal recherchieren, meinte die Expertin des Abends, die eigentlich wissen müsste, daß dieses Konzept nicht durch einen Beschluß des Bundestages, sondern des Bundeskabinetts der rot-grünen Regierungskoalition unter Kanzler Schröder 1999 für die Bundesregierung eingeführt wurde.
Geradezu symptomatisch für den Verlauf der Veranstaltung war es, als Pichlbauer ihrer Zuhörerschaft das eher ratlos wirkende Kompliment machte: "Ja, Sie wissen ja schon alles, Ihnen kann ich ja gar nichts mehr erzählen. Ihr Glas ist ja schon voll." Pichlbauer hatte treffend erkannt, ein offenbar interessiertes und informiertes Publikum vor sich zu haben, das qualifizierte Fragen stellte. Auf qualifizierte Antworten hofften die Zuhörer allerdings vergebens. Pichlbauer war ihrem Publikum nicht gewachsen.
Die Referentin - immerhin ist sie nicht nur Leiterin der Gleichstellungsstelle für Frauen in München, sondern seit 2003 auch Beraterin der Universität Augsburg für Gender Mainstreaming und seit 2005 Beraterin der Stadt München für Gender Budgeting -, entpuppte sich als erschreckend ahnungslos, gewollt oder ungewollt. Sie wird den Zuhörern mehr durch Verdrängung und Desorientierung als durch Kompetenz und überzeugende Sachbeiträge in Erinnerung bleiben.
Zielsetzung mißglückt
Für den kritischen Beobachter lieferte der Abend unverkennbar eine Erkenntnis: Wer sich mit Gender Mainstreaming befasst, muß sich mit einer an den Wurzeln der Gesellschaft ansetzenden Strategie auseinandersetzen, die im Schafspelz der Gleichstellung erscheint, aber den brutalen Kulturbruch will und eine riskante gesellschaftliche Umwälzung von großer Tragweite mit sich bringt. Diese Entwicklung hat längst begonnen, durch eine Penetration unter den Schlagworten "flexibles Geschlecht", "sexuelle Vielfalt" und "sexuelle Identität", die sich in der Erosion sozialer Strukturen und sozial-ethischer Normen bis in die Kirchen, Schulen und Kindergärten hinein niedergeschlagen hat. Auf diese Fakten hat sich Pichlbauer nicht eingelassen.
Fazit: Gemessen an der vorgegebenen Zielsetzung der Münchner CSU, mit dieser Abendveranstaltung zum Jahr der Frau 2011 die Attraktivität von Gender Mainstreaming und ihre Umsetzung im "politischen Tagesgeschäft" zu erhellen, ist die Veranstaltung mißglückt, denn: Die vermeintlich positiven Innovationspotentiale des Gender Mainstreaming sind unentdeckt geblieben. Doch alle ideologisch gewollten Implikationen und die, für die gesellschaftliche Entwicklung problematischen Konsequenzen wurden letztlich ausgeblendet. Eigentlich drängte sich aus der an diesem Abend diskutierten Frage "Gender Mainstreaming - Was bedeutet das?" die Schlußfolgerung auf: Gleichberechtigung von Mann und Frau? Ja - Gender Mainstreaming? Nein. Doch die sexuelle Indoktrination und der Kulturbruch, den Gender Mainstreaming herbeiführt, waren nicht auf die Tagesordnung gesetzt worden. Insgesamt legten Verlauf und Erkenntnisse des Abends eine intellektuelle Insolvenz der Veranstaltung offen. Dies müsste ein Signal sein, nicht dem Zeitgeist zu erliegen, sondern allen Desorientierungen, die im Namen des Gender Mainstreaming verbreitet werden, konsequent und entschieden entgegenzutreten.