19.02.19
Moral statt Fakten? - Die ARD will Bürger vereinnahmen
Framing-Manual liefert auf 89 Seiten manipulative Rezepturen für die Meinungsbeeinflussung zur Imagepflege
(MEDRUM) Wie durch die Internetseite "netzpolitik.org" bekannt wurde, hat sich die ARD ein "Framing-Papier" erstellen lassen, um den öffentlichen Meinungskurs über sich selbst in ihrem eigenen Sinne zu beeinflussen.
Moral- statt faktenbasiertes Argumentieren
Die Kommunikationswissenschaftlerin Elisabeth Wehling (Berkeley International Framing Institute) legt der ARD nahe, ihre "Kommunikation immer in Form von moralischen Argumenten stattfinden" zu lassen, wenn die Bürger vom Mehrwert der ARD überzeugt werden sollen. Worte, Slogans und Narrative, die verwendet werden, müssten ein primäres Ziel haben, so Wehling, das Ziel, bei der Diskussion von Fakten rund um die ARD und Themen wie „Beitragszahlungen“ oder „Strukturreform“ immer zunächst ihre moralische Perspektive sprachlich offenzulegen. Wehling: "Denken und sprechen Sie nicht primär in Form von Faktenlisten und einzelnen Details. Denken und sprechen Sie zunächst immer über die moralischen Prämissen." Wehling bezeichnet dies als "moralischen Argumentieren".
Anleitung zur Manipulation
Auf 89 Seiten gibt Wehling der ARD detaillierte Rezepte an die Hand, wie sie die gebührenzahlenden Bürger im Sinne der ARD am besten beeinflussen kann. In der Zeitung DIE WELT heißt es in einem Beitrag "ARD-Framing-Manual" dazu: "Anders gesagt: Die ARD hat eine Anleitung angefordert, die bei der Manipulation des Publikums durch die Wahl bestimmter Sprachbilder helfen soll." Das ARD-Papier argumentiere "im Kern totalitär", so der Autor, Professor Jan Schellenbach. Denn es empfehle, Kritikern des zwangsfinanzierten Gebührenfernsehens vorzuhalten, dass sie die Verbindlichkeit demokratischer Entscheidungen infrage stellen und sich demokratiefern verhalten. Das Papier argumentiere also von einer "fiktiven Volksgemeinschaft mit Einheitswillen her", aus der man sich durch Widerspruch selbst ausschließe.
Nicht bessere Journalisten, sondern bessere Manipulateure
Dass das Unterfangen der ARD-Verantwortlichen fragwürdig ist, geht auch aus einem Beitrag der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) hervor. Über die Bedienungsanleitung, meint die NZZ, "sollen sich nämlich ARD-Mitarbeiter beugen, um die berühmte Wirkmacht der Sprache zu begreifen". Damit sollen aus den Mitarbeitern keine besseren Journalisten werden. Diese sollern vielmehr "selber ein bisschen manipulieren und die Themen ihrem Publikum umso wirkungsmächtiger zu verkaufen. Die Schweizer Zeitung kommt zu dem Schluss: "Neues deutsches Sendungsbewusstsein: Die ARD will mit Moral das Publikum einseifen". Jan Fleischhauer verdeutlicht diesen wie eine Gehirnwäsche wirkenden Prozess im SPIEGEL: Der Rundfunkbeitrag ist demnach nicht mehr Rundfunkbeitrag, sondern "eine proaktive, selbstbestimmte (da demokratisch entschiedene) Beteiligung der Bürger am gemeinsamen Rundfunk ARD".
1.000 Euro pro Seite
Wie DIE WELT berichtet, hatte die Internetseite "netzpolitik.org" zunächst nur Teile des Papiers veröffentlicht. Zwischenzeitlich hat dieses Internetportal jedoch das gesamte Dokument als pdf-Datei ins Netz gestellt unter der Überschrift "Wir veroeffentlichen das Framing Gutachten der ARD". Die ARD wollte das Dokument, das bereits 2017 erstellt wurde, nicht veröffentlichen und gab dafür urheberrechtliche Gründe an. Die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt hat sich das Papier allerdings etwas kosten lassen. Laut Wikipedia zahlt die ARD für das Framing-Manual und Workshops zur Anpassung von Mitarbeitern an die erwünschte Sprachregelung insgesamt 120.000 Euro. Jede Seite des Manuals war der ARD also etwa 1.000 Euro wert.
Zu Elisabeth Wehling
Elisabeth Wehlung ist Linguistin und bezeichnet sich selbst als die führende Expertin für politisches Framing in Europa. 2016 gelang ihr mit dem Buch "Politisches Framing" ein SPIEGEL-Bestseller. Wehling studierte Soziologie, Journalismus und Linguistik. Ein Schwerpunkt ihrer Studienaktivitäten waren Untersuchungen zur Propaganda der Nationalsozialisten. So verwundert es nicht, wenn Wehling der ARD empfiehlt: "Nur durch die ständige Wiederholung neuer sprachlicher Muster über längere Zeit hinweg ist es möglich, den neuen Frames kognitiv Geltung zu verschaffen und sie damit zu einer realistischen Wahrnehmungsalternative werden zu lassen." Im November 2018 dozierte Wehling in Frank Plasberg's Sendung "hart, aber fair": "Je öfter man eine Lüge hört, desto eher wird das für das Gehirn zur Wahrheit.“
Matthias Heine schrieb dazu in der WELT: "Es ist ein bisschen so, als hätten die Verfasser von „Aus dem Wörterbuch des Unmenschen“, die nach 1945 die Nazisprache analysierten, anschließend ein „Wörterbuch für Gutmenschen“ geschrieben, in dem sie lehrten, wie man Goebbels’ Methoden nun für die Demokratie nutzbar machen könne."