Der Bericht zur Pädosexualität zeigt, wie sehr sich die Partei von wirren Theorien vereinnahmen ließ – und wie sie schließlich selbst die Perspektive wechselte.
Wie stark war der Einfluss pädophiler Forderungen auf die Programme der Grünen? Die Partei hat sich Zeit gelassen mit der Aufarbeitung, entschuldigt sich klar bei den Opfern - und wird die Vergangenheit doch nicht los.
13.11.14
Reicht eine Entschuldigung der grünen Parteispitze?
Grünenchefin Simone Peter präsentiert "Bericht zur Pädophiliedebatte der 1980er Jahre"
(MEDRUM) Die Debatte um die Grünen und ihre pädophil beeinflusste Vergangenheit hat neue Nahrung erhalten. Am Mittwoch wurden die Ergebnisse einer Studie präsentiert, die die Grünen Ende 2013 in Auftrag gegeben haben.
Bei der Bundespressekonferenz präsentierte Parteichefin Simone Peter (Bündnis90/Die Grünen) am Mittwoch in Berlin die Studienergebnisse über die Untersuchung der Vergangenheit der Grünen in Fragen der Pädophilie. Die Studie wurde unter Projektleitung des Parteienforschers Franz Walter vom Göttinger Institut für Demokratieforschung im Lauf des Jahres 2014 erarbeitet. Die Überschrift, unter die die Grünen diesen Vorgang gestellt haben, klingt undramatisch: "Bericht zur Pädophilie-Debatte der 1980er-Jahre". Stattdessen hätte sie ebenso lauten können: Die Grünen bitten Opfer des sexuellen Missbrauchs um Vergebung und übernehmen Verantwortung.
Schon die öffentliche Bekanntmachung der Auftragserteilung dieser Untersuchung im Dezember 2013 klang harmlos. Die Grünen hatten dies unter die Überschrift gestellt: "Wir wollen unsere Geschichte besser verstehen." Tatsächlich sollte es dabei nicht einfach nur um Geschichtsverständnis gehen, sondern um schwergewichtige Fragen der Moral und Politik: Die Verstrickung der Grünen und prominenter Vertreter der Grünen in die Pädophilie. Angemessen wäre schon zum damaligen Zeitpunkt etwa die Überschrift gewesen: Wir wollen unsere Schuld in Hinblick auf sexuellen Missbrauch aufdecken und dafür auch politische und persönliche Verantwortung übernehmen.
Deutlicher als die Grünen mit ihren Überschriften markiert Franz Walter worum es geht. Der Titel seines Berichtes lautet: "Die Grünen und die Pädosexualität". Untertitel: "Eine bundesdeutsche Geschichte". Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht. Im Begleittext sagt der Verlag zu dem von Franz Walter, Stephan Klecha und Alexander Hensel herausgegebenen Bericht:
"Im Wahljahr 2013 entflammte in Deutschland eine heftige Debatte über Pädophilie und Pädosexualität. Im Zentrum der intensiven wie plakativen Auseinandersetzung mit diesem heiklen Thema stand die grüne Partei, in der in den 1980er Jahren die Forderung nach einer Legalisierung von pädosexuellen Kontakten nicht nur debattiert, sondern auch verschiedentlich beschlossen wurde.
Die aus heutiger politischer Sicht unverständliche Forderung war indes weder nur basisdemokratisches Kuriosum noch bloßer Zufall. Vielmehr findet sich bereits in den 1970er Jahren ein vielfältiger gesellschaftlicher Diskurs über die eine Enttabuisierung von Pädophilie wie die Legalisierung von Pädosexualität. Dieser wurzelte in verschiedenen liberal-emanzipatorischen Diskussionen, unter anderem in den Bereichen Recht, Pädagogik und Sexualwissenschaft und war anknüpfungsfähig in verschiedene gesellschaftliche und politische Bereiche.
Im vorliegenden Buch wird die Emergenz der Diskussion über Pädophilie und Pädosexualität analysiert und deren Niederschlag in der grünen Debatte und Programmatik seziert. Ebenso wird der gesellschaftliche Umgang wie die Verdrängung der Forderung nach einer Legalisierung von Pädosexualität beleuchtet."
Dieser Text lässt nicht darauf schließen, dass hier ein Gremium tätig war, das sich - wie ein Untersuchungsausschuss - zum Ziel gesetzt hatte, auch Schuld aufzuklären und persönliche Verantwortung zu identifizieren.
Auch die Darstellung der grünen Parteispitze zum Bericht weist eher auf eine Vergangenheitsbetrachtung hin. Laut Bündnis90/Die Grünen erfüllt der Bericht drei Aufgaben:
Erwiesen und damit nicht mehr umstritten ist, dass Forderungen nach Straffreiheit pädophiler Handlungen von Teilen der Grünen zeitweise unterstützt wurden. Die Grünen räumen ein:
"Der Bericht dokumentiert, dass sich Forderungen nach Straffreiheit pädophiler Handlungen in der ersten Hälfte der 1980er Jahre in unterschiedlichen Programmen auf Bundesebene, bei einigen Landesverbänden und teilweise auch auf kommunaler Ebene finden."
Von solchen Forderungen hat sich die Parteispitze jetzt distanziert:
"Von Forderungen nach Straffreiheit für pädophile Handlungen distanzieren wir uns in aller Deutlichkeit. Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern ist immer sexualisierte Gewalt gegen Kinder und eine Form des Machtmissbrauchs, mit schwerwiegenden, zum Teil lebenslangen Folgen für die Betroffenen."
Heute steht für die Grünen fest, dass derartige Forderungen "zu keinem Zeitpunkt akzeptabel" waren. "Wir hätten als Partei schon viel früher Konsequenzen ziehen müssen", so die Parteispitze. Zugleich gestehen die Grünen ein, dass durch die damaligen Debatten und Positionen die Täter des sexuellen Missbrauchs zumindest ein "Gefühl der Legitimation" erhalten haben könnten und entschuldigen sich in ihrer gestrigen Erklärung:
"Wir entschuldigen uns bei denen, die sich durch unsere Debatten und Positionen in den 1980er Jahren in ihrem Schmerz und Leid verhöhnt fühlen. Wir bedauern es zutiefst, wenn durch diese Debatten Täter ein Gefühl der Legitimation für ihre Taten erhalten haben sollten."
Reicht das? Zweifel sind angebracht. Mit Recht verweist beispielweise die ZEIT auf Implikationen einer pädophilenfreundlichen Haltung auf die lange Zeit unaufgeklärten Missbrauchsvorfälle, wie etwa die zahlreichen Vorfälle in der Odenwaldschule. Der Mitautor Klecha meinte zu diesem Problemkreis: "Kinder und Jugendliche konnten sich nicht äußern, weil die sexuelle Befreiung als etwas Wertvolles galt. Die Erwachsenen waren dann oft blind für das Gegenteil." Diese Blindheit reicht allerdings bis in die Gegenwart. So wurde der grüne Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit mit der Auszeichnung des Theodor-Heuss-Preises bedacht, obwohl er auf seine pädophil nicht unbedenkliche Vergangenheit zurückblicken muss. Die Weigerung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes, Andreas Voßkuhle, die Laudatio für Cohn-Bendit zu halten, hat eine wichtige Rolle für das Aufkeimen der Debatte um die Grünen und ihre Rolle in Fragen der Pädophilie gespielt.
Dass indes noch personelle Konsequenzen gezogen werden, ist eher unwahrscheinlich. Denn Volker Beck, der seine Verstrickung in die Forderungen nach Straffreiheit von pädophilen Handlungen jahrelang leugnete, blieb auch nach der Bundestagswahl 2013 weiterhin Abgeordneter der Grünen im Deutschen Bundestag und hat in der neuen Legislaturperiode sogar die Rolle des innenpolitischen und religionspolitischen Sprechers bei den Grünen übernommen, obwohl er bereits in aller Öffentlichkeit als Lügner entlarvt worden war. Die TAZ schrieb dazu im September 2013: "Der Grüne Volker Beck hat über einen Aufsatz zum Thema Pädophilie aus dem Jahr 1988 nicht die Wahrheit gesagt. Er selbst bleibt uneinsichtig."
Beck versuchte so lange über Tatsachen hinweg zu täuschen, bis ein Leugnen nicht mehr möglich war. Erst danach räumte er ein, es sei ein Fehler gewesen, seinen Aufsatz zu relativieren. Weitere Konsequenzen zogen bis heute weder er noch die Parteiführung. Stattedessen schulmeistert Beck jeden, der es ihm nicht recht macht, wie seine jüngste Schelte gegen das ZDF zeigt, das im Rahmen einer Themenwoche unter das Bild zweier sich küssender Männer den Text hinzufügte: "Normal oder nicht normal?". Beck machte deswegen dem ZDF den Vorwurf, er müsse sich als homosexueller Mann im Jahr 2014 in seiner Existenz in Frage stellen lassen. Beck könnte entgegnet werden: Nein, Sie werden nicht als homosexueller Mann in ihrer Existenz in Frage gestellt, sondern Sie haben selbst als Politiker ihre gesamte Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in Ihre Rechtschaffenheit verspielt, als Sie zu leugnen versuchten, dass Sie früher Auffassungen zum Sex zwischen Erwachsenen und Kindern vertreten haben, die "zu keinem Zeitpunkt akzeptabel" waren und sexuellen Missbrauch verharmlost haben. Sie gehören zu den letzten Personen, die sich aufs hohe Roß setzen sollten.
Mit der gestrigen Präsentation der Untersuchungsergebnisse ist die Debatte bei den Grünen noch nicht beendet. Bei der Delegiertenkonferenz vom 21. bis 23. November 2014 in Hamburg soll der Bericht über die pädophile Vergangenheit thematisiert werden. Wer den Bericht über die Grünen im Original lesen will, muss ihn kaufen. Er ist in Buchform zu haben (die exklusiven Verlagsrechte haben sich die Autoren bei Abschluss ihres Studienauftrages von den Grünen zusichern lassen, so die Grünen). Die Kosten: 39,99.- EUR. Das Buch, das in gebundener Form 288 Seiten umfasst, ist nach Auskunft des Verlages jetzt verfügbar und kann - beispielsweise bei Amazon - vorbestellt werden.
Die gestrige Pressekonferenz der Grünen hat in den Medien ein vielfaches Echo gefunden.
12.11.14 | Die Grünen sind keine Opfer des Zeitgeistes | Zeit |
12.11.14 | Pädophilie - die dunkle Vergangenheit der Grünen | Deutsche Welle |
12.11.14 | Pädophilie-Debatte bei den Grünen: "Ignoranz und mangelnde Souveränität" | Spiegel |
14.11.14
Grün-Rot sagt bei sexueller Vielfalt nein zum Elternrecht und zur Erziehungspartnerschaft
Landtag Baden-Württembergs lehnt Petition zum Bildungsplan mit grün-roter Mehrheit ohne Kompromißbereitschaft ab
(MEDRUM) In der gestrigen Plenarsitzung des Landtages von Baden-Württemberg wurde die Petition "Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens" mit der grün-roten Regierungsmehrheit abgelehnt. Die Redner aus den Regierungsparteien von Grünen und SPD weigerten sich, auf die Forderung der Union einzugehen, am Elternrecht und an der Elternpartnerschaft bei der geschlechtlichen Erziehung festzuhalten.
Besonderer Wert von Ehe und Familie eine "verquere Weltanschauung"?
Sie habe eine "verquere Weltanschauung", warf die Grünenabgeordnete Beate Böhlen (Bild links) der Landtagsabgeordneten Sabine Kurtz vor. Kurtz, wissenschaftspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, hatte in ihrem Redebeitrag zu Beginn einer kurzen Debatte über die Petition zum Bildungsplan 2015 zuvor kritisiert, die Regierung habe Gräben aufgerissen. Sie mache es sich zu einfach, indem sie, wie im Petitionsausschuss geschehen, die Petition für erledigt erklärt, statt sie an die Regierung zur Einarbeitung zu überweisen. Das Vorgehen der Regierung zeige, dass es ihr um eine Werteverschiebung gehe, so Kurtz. Sexuelle Vielfalt solle nach den Regierungsvorstellungen von Schülerinnen und Schülern wertfrei wahrgenommen werden. Kurtz: "Ehe und Familie, meine Damen und Herren, genießen also unter dieser Regierung keine besondere Bedeutung mehr."
Sorgen um Elternrecht und Erziehungspartnerschaft
Kurtz erinnerte in ihrer Rede (Bild links) auch an einen Beitrag des SPD-Abgeordneten Fulst-Blei, der laut Kurtz im Ausschuss gesagt hatte, es sei wichtig, dass das Thema "Akzeptanz sexueller Vielfalt" im Bildungsplan verankert werde, weil dann Eltern diese Themen nicht mehr verhindern könnten. Die CDU-Politikerin zog daraus den logisch naheliegenden Schluss, dass damit nicht nur die besondere Bedeutung von Ehe und Familie, sondern auch die "Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Schule" in Frage gestellt werde. Also, so Kurtz weiter: "In Zukunft darf die Schule die Kinder über die Köpfe der Eltern hinweg unterrichten und erziehen." Dies stünde im Gegensatz zur bewährten Zusammenarbeit zwischen Eltern und Lehrern in der Vergangenheit. Die CDU mache sich Sorgen, ob das Elternrecht unter der grün-roten Landesregierung in der Zunkunft noch gewahrt werde. Kurtz bekannt sich nachdrücklich zum Elternrecht auf Erziehung mit den Worten: "Wir verstehen es und wir befürworten es, dass Eltern auf ihr Recht auf Erziehung der eigenen Kinder nicht verzichten wollen." Kurtz hob hervor, dass das Vorgehen der Regierung Ängste in der Elternschaft ausgelöst und Gräben aufgerissen habe.
Auch der Vertreter der FDP/DVP-Fraktion, Timm Kern, kritisierte die Haltung der Regierungsparteien. Selbst aus den Reihen der Lesben und Schwulen gebe es mittlerweile Stimmen, die das Vorgehen der Regierung kritisierten und meinten, es seinen Gräben aufgerissen worden. Kern unterstrich ebenso wie die Unionsvertreter, die wichtige Bedeutung der Erziehungspartnerschaft.
Stoch: Akzeptanz sexueller Vielfalt, aber keine Sexualpädagogik
Auf die Forderungen der CDU-Fraktion zum besonderen Wert von Ehe und Familie sowie der Erziehungspartnerschaft ging weder Kultusminister Andreas Stoch (SPD) noch Beate Böhlen als Rednerin der Grünen inhaltlich ein. Sie rezitierten vielmehr, was sich die Grünen in den Landesregierungen, an denen sie beteiligt sind, gesellschaftsverändernd auf die Fahnen geschrieben haben: die Akzeptanz sexueller Vielfalt muss in der schulischen Bildung verankert werden. Je häufiger es thematisiert wird, desto größer ist die Akzeptanz. Das ist das Credo von Bündnis 90 / Die Grünen (Bild links).
In der Debatte wurde deutlich, dass es den Vertretern der Regierungsparteien nicht nur um Toleranz, sondern um mehr, nämlich auch um Akzeptanz unterschiedlicher sexueller Lebensentwürfe geht. Akzeptanz sei für ihn selbstverständlich, meinte SPD-Minister Stoch. Es sei "äußerst perfide" zu unterstellen, dass mit der Akzeptanz von sexueller Vielfalt eine Sexualisierung gewollt sei. Das sei nicht der Fall. Sexuelle Vielfalt und Sexualpädagogik hätten zwar etwas miteinander zu tun, hätten aber ganz unterschiedliche Schwerpunkte. Dieses Missverständnis müsse ein für alle Mal ausgeräumt werden. Ähnlich äußerte sich auch der SPD-Abgeordete Kleinböck. Er meinte: "Wir wollen keine Sexualisierung und Bevormundung."
Grün-Rote Mehrheit beschließt, Petition abzulehnen
Letztlich weigerten sich die Redner der Regierungsparteien wie zuvor im Petitionsausschuss, die Empfehlung der CDU aufzugreifen und die Petition für die Erarbeitung des Bildungsplanes an die Landesregierung zu überweisen. Sie hielten daran fest, der Petition nicht abhelfen zu können und zu wollen. Dabei verwiesen sie auch auf die Tatsache, dass das ursprüngliche Arbeitspapier, das von der Petition angegriffen wurde, längst überholt und durch ein neues Papier ersetzt worden sei, das sich nicht mehr allein auf Akzeptanz sexueller Vielfalt, sondern ganz generell auf Akzeptanz von Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Menschen beziehe.
Die Beschlussfassung der Plenarsitzung ist nicht überraschend (MEDRUM hatte dazu vorweg berichtet und schrieb : "... Dennoch ist es wenig wahrscheinlich, dass dies zu einer Kursänderung bei der grün-roten Landesregierung führen wird.")
Nach der Sitzung erklärte Sabine Kurtz: "Wir werden die Bildungspläne vor diesem Hintergrund kritisch prüfen, damit Eltern auch weiterhin volles Vertrauen zu den Lehrerinnen und Lehrer ihrer Kinder haben können."
Die Plenarsitzung ist in der Mediathek des Landtages abrufbar:www.landtag-bw.de/cms/home/mediathek/videos.html
12.11.14 | Petitionen zur Bildungsplanreform im Landtag Badenwürttembergs | MEDRUM |
14.11.14
Grün-Rot sagt bei sexueller Vielfalt nein zum Elternrecht und zur Erziehungspartnerschaft
Landtag Baden-Württembergs lehnt Petition zum Bildungsplan mit grün-roter Mehrheit ohne Kompromißbereitschaft ab
(MEDRUM) In der gestrigen Plenarsitzung des Landtages von Baden-Württemberg wurde die Petition "Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens" mit der grün-roten Regierungsmehrheit ablehnt. Die Redner aus den Regierungsparteien der SPD und Grünen weigerten sich, auf die Forderung der Union einzugehen, am Elternrecht und an der Elternpartnerschaft bei der geschlechtlichen Erziehung festzuhalten. Weiterlesen »
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