20.02.13
Kindern in Lebenspartnerschaften darf weiterer Elternteil nicht verweigert werden
Bundesverfassungsgericht fordert Gleichbehandlung von Kindern im Verhältnis zu adoptierten Kindern von Ehepartnern
(MEDRUM) Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat am Dienstag ein Urteil über das Adoptionsrecht gefällt, das niemanden überraschen sollte. Mit der Schaffung der Lebenspartnerschaft durch die rot-grüne Mehrheit im Bundestag wurden im Jahr 2001 rechtliche Bedingungen geschaffen, unter denen die Adoption eines Kindes durch einen Lebenspartner, für das der andere Lebenspartner bereits rechtlicher Elternteil ist, eine logische und unausbleibliche Folge ist.
Das Bundesverfassungsgericht sah übereinstimmend keine Gründe, einem Lebenspartner und einem Kind die Adoption zu verweigern, wenn das Kind bereits Adoptivkind des Lebenspartners ist ("Sukzessivadoption"). Der Schutz der Familie durch das Grundgesetz gebiete es vielmehr, auch nichteheliche Familien zu schützen und für deren soziale Lebensverhältnisse rechtliche Strukturen bereitzustellen, insbesondere, um Kinder in solchen Familien nicht gegenüber Kindern in ehelichen Familien zu benachteiligen. Das BVG wörtlich: "Die Ungleichbehandlung der betroffenen Kinder im Verhältnis zu adoptierten Kindern von Ehepartnern ist nicht gerechtfertigt." Aus diesem Leitsatz wird klar, dass die sogenannte Sukzessivadoption den Kindern, die Teil einer auf einer Lebenspartnerschaft gründenden Familie sind, nicht grundsätzlich vorenthalten werden darf. Sie haben einen Anspruch auf Gleichbehandlung.
Das Urteil des BVG macht transparent, dass sich die entscheidenden Weichenstellungen für die Adoption eines Kindes in Lebenspartnerschaften nicht aus der Bedeutung der biologischen Elternschaft und Abstammung eines Kindes ergeben, sondern sich rechtlich als Folgewirkungen aus der Tatsache ableiten, dass der Gesetzgeber in der Zeit der rot-grünen Koalition neben der Ehe die Möglichkeit geschaffen hat, eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft einzugehen, und darauf - ebenso wie bei der Ehe und unabhängig von einer biologischen Elternschaft - Familien gründen können, deren Kinder geschützt und gleichbehandelt werden müssen. Dieser Verpflichtung muss der Staat nachkommen.
Da die biologische Elternschaft bei der rechtlichen Betrachtung der Adoption von Kindern in der Urteilsfindung des BVG keine Rolle spielt, könnte auf weitere Sicht auch die Frage interessant werden, ob ein Kind rechtlich gesehen nicht auch mehr als zwei Elternteile haben könnte. Derzeit sind gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften (wie die natürliche Zweierverbindung von Mann und Frau in der Ehe) noch auf zwei Personen begrenzt. Sollten die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag künftig aber auch Lebenspartnerschaften als Rechtsinstitut möglich machen, die aus drei oder vier Lebenspartnern bestehen - eine Idee, die insbesondere die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, auch mit Blick auf polyamore Lebensbeziehungen für gut hält - , wären die Konsequenzen hinsichtlich einer Adoption ähnlich einzuschätzen. Ein Kind könnte dann auch drei oder mehr (Adoptiv-)Elternteile haben, vorausgesetzt, dass bei der rechtlichen Schaffung erweiterter Strukturen und Lebensformen dieselben Erwägungen wie beim jetzigen Urteil leitend wären.
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Gesprächsrunde in PHOENIX
Das Thema Adoption und Gleichbehandlung ist Gegenstand der PHOENIX-Runde: "Zum Wohl des Kindes? Adoptionsrecht für Homosexuelle". Im Begleittext heißt es: "Künftig soll eine "Sukzessivadoption" in Deutschland auch für eingetragene, homosexuelle Partnerschaften möglich sein. Endlich ein zeitgemäßer Weg in Richtung Gleichbehandlung? Anders als z.B. in Frankreich, steht allerdings eine gemeinschaftliche Adoption homosexueller Partner noch nicht zur Debatte. Was sollte zukünftig passieren, damit Homosexualität als normal und damit gleichberechtigt angesehen wird?"
Diskussionspartner sind u.a. Volker Beck und Norbert Geis.
Sendezeiten: Mi, 20.02.13, 22.15 Uhr, und Do, 21.02.13, 00.00 Uhr
Buchempfehlung → ... und schuf sie als Mann und Frau