09.03.10
Ist die Gesellschaft wahrheitsunfähig?
Kommentar zur Sendung Hart aber Fair , „Die Priester und der Sex"
von Gabriele Kuby
(MEDRUM) Wer Herrn Norbert Denef in der Sendung hart aber fair über „Die Priester und den Sex" gesehen hat, der zweifelt nicht mehr, dass der vom Papst für die Opfer gebrauchte Begriff „Überlebender" zutreffend ist. Norbert Denef ist ein Gezeichneter. Dass er nicht nur angeklagt, sondern sogar die Fortzeugung fremder Schuld durch eigene Schuld bekennt, nötigt größten Respekt ab. Es ist durch sein Zeugnis und die Stellungnahme des Psychotherapeuten Wolfgang Bergmann verständlich geworden, warum die Opfer so lange schweigen. Deswegen sollte die Forderung der Opfer, die Verjährungsfrist aufzuheben, von der Kirche unterstützt und von der Regierung dringend umgesetzt werden.
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Wenn es zutrifft, dass die Katholische Kirche Herrn Denef mit Wissen des zuständigen Bischofs, Schweigegeld angeboten hat, dann genügt es nicht, dass dies als Fehler eingestanden wird, dann sollte dieser Bischof dem Beispiel des Abtes von Ettal und der EKD-Ratsvorsitzenden folgen. Er hat dann seine Autorität beschädigt.
Für Bischof Jaschke war es ein schwerer Gang. „Die Welt", die der Kirche prinzipiell mit „sprungbereiter Feindseligkeit" gegenüber steht, kann jetzt springen; die Kirche, verstrickt in Schuld, hat keine Chance, diese Kampf in den Augen der Massen zu gewinnen und Zeugnis abzulegen für ihre leuchtende Botschaft der Liebe Gottes zu den Menschen und der Berufung des Menschen zur Liebe. Und dennoch hätte der Kirchenmann genau dies tun müssen.
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Wir leben in einer krankhaft sexualisierten Welt. Die Anbetung des Moloch Sex zerstört ihre moralische und physische Lebensgrundlage, denn die sexuelle Revolution frisst ihre Kinder: Eine von der Fortpflanzung befreite Sexualität braucht Verhütung und Abtreibung. Aber daran gibt es kein Rütteln, selbst wenn wir ein aussterbendes Volk sind und sich unser Land vor unseren Augen in ein Altenheim verwandelt. Niemand will das ungeheure Elend sehen, das unaufhaltsam auf uns zukommt. Nein, wir zwingen die Kinder ab neun Jahren, Verhütungsmethoden zu erlernen, und wir machen Abtreibung zum Menschenrecht. Hier wird im großen Stil durchexerziert, was es heißt einen Götzen anzubeten: Er liebt die Menschen nicht, er frisst die Menschen. Nur einer liebt die Menschen bis in den Tod: Jesus Christus.
Die Seelen- und Schicksalszerstörung von Kindern und Jugendlichen durch kriminelle Sexsüchtige ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Nach Aussagen des Berliner Kriminalpsychiater Hans-Ludwig Kröber, Professor für Forensische Psychiatrie an der Berliner Klinik Charité, gegenüber KNA ist die Wahrscheinlichkeit, dass nicht-zölibatär lebende Männer zu Missbrauchstätern werden, 36 mal höher als bei katholischen Priestern. Seit 1995 habe es in Deutschland mehr als 200.000 polizeilich erfasste Fälle von Kindesmissbrauch gegeben. Da Opfer schweigen, ist die Dunkelziffer horrend. Die ganz große Mehrheit der Priester tut ihren Dienst am Menschen unbescholten. (Dafür versuchte Andreas Englisch eine Lanze zu brechen, nur leider mit fuchtelnder Erregtheit.) Dass Gott Geweihte dennoch fallen, ist eine schwere Beschädigung des Leibes Christi. Jeder Priester muss wissen, dass er bei sexuellem Missbrauch nicht nur versetzt wird, sondern sofort sein Amt verliert und angezeigt wird.
Läuterung der Kirche ist notwendig. Sie geht über die schonungslose Ahndung einzelner Fälle weit hinaus. Läuterung bedeutet, den Weg der Liebe zu leben, zu lehren und zu verkünden, den Jesus Christus gewiesen hat und für den er die Kraft schenkt. Die Kirche besitzt den Schatz der Theologie des Leibes von Johanes Paul II. Wie kein anderer Theologe vor ihm lässt er den Höhenweg der Liebe, zu dem der Mensch berufen ist, aufleuchten. Sexualität wird dann zur Quelle des Lebens, wenn sie leiblicher Ausdruck der personalen Liebe zwischen Mann und Frau ist, die im Sakrament der Ehe sich einander ganz schenken. Es kommt darauf an, diesen Schatz zu heben, in dem die Jugenderziehung und die Priestererziehung darauf gegründet wird. Ein weiter Weg, aber ein unausweichlicher, wenn die Kirche im sexuellen Tsunami unserer Zeit nicht untergehen will.
Heiner Geißler möchte, dass die Kirche seinen Weg geht, den Weg nach unten. Weil er sich, wie er mitteilte, den evangelischen Räten der Keuschheit und des Gehorsams nicht gewachsen sah, verließ er nach vier Jahren das Noviziat der Jesuiten. Den klaffenden Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Kirche möchte er durch Aufgabe des Anspruches auflösen. Aber der Anspruch kommt von Gott und kann deswegen nur aufgegeben werden, wenn sich die Kirche selber aufgibt.
Außer dem Bischof waren sich alle Teilnehmer der Runde einig, dass Sexualität ausgelebt werden müsse. Über den Begriff „Sublimation" rümpfte der Moderator nur süffisant die Nase. Offenbar ist ihm unbekannt, das Sigmund Freud die Sublimation des Sexualtriebes für die Bedingung von Kultur hält, weil die Zügelung des Sexualtriebes diese mächtige chöpferische Kraft für den Aufbau der Kultur freisetzt. Dies bezeugen die Mönche, die für die Schaffung der europäischen Hochkultur die wesentliche Rolle spielen. Dies zeigt der englische Anthropologe in seinem 1934 erschienen Werk Sex and Culture. Er weist nach: Hochkultur gibt es nur bei strengen Sexualnormen. Werden diese aufgegeben, sinkt eine Kultur innerhalb von drei Generationen auf das „zoistische", das tierische, Niveau. Dies schreien die Indikatore des Verfalls zum Himmel: Familienzerstörung, massenhafte psychische Störungen schon bei Kleinkindern, Leistungsverfall bei den Jugendlichen, Kriminalität, Drogensucht, Massentötung ungeborener Kinder ...
Es hat eine kollektive Gehirnwäsche stattgefunden, ausgelöst durch die Theorien von Wilhelm Reich, Herbert Marcuse und andere. Reich behauptete, der Mensch brauche dreimal in der Woche einen Orgasmus, egal mit wem, um gesund zu sein. Herbert Marcuse und die ganze Frankfurter Schule verkündeten das Anbrechen des herrschaftsfreien Paradieses und ewige Resistenz gegen totalitäre Systeme durch die Befreiung der sexuellen Lust von allen moralischen Fesseln. Sind wir dem Paradies näher gekommen? Was sagen die Menschen, deren Leid in Statistiken von psychischen Störungen, Scheidung, Missbrauch eingefroren ist?
Nicht nur zölibatäre Priester strafen diese Wahn lügen, denn sie sind nicht die einzigen, die ihre Sexualität nicht ausleben und dennoch ein erfülltes Leben führen. Das war bis vor der sexuellen Revolution normal für alle Unverheirateten, war die Norm für junge Menschen, die sich auf die Ehe vorbereiteten. War das Leben deswegen für sie ungenießbar, die Kultur gefährdet? Das Leben wird aber zur Geißel, die Familien gehen kaputt, die Kultur verfällt, wenn der Mensch zum Sklaven seines Sexualtriebes wird, was durch Internetpornographie millionenfach der Fall ist.
Wäre doch eine junge Frau oder ein junger Mann in der Runde gesessen, die Reinheit leben und mit ihrer Ausstrahlung den Weg in die Zukunft beleuchten. J. D. Unwin zeigt: die Kultur oder die soziale Gruppe wird eine demoralisierte Kultur übernehmen, die die strengeren Sexualnormen hat.
Copyright Gabriele Kuby
Erstveröffentlichung exklusiv in kath.net, 02.03.10
Die Verfasserin des Artikels ist heute zu Gast in
"Die Priester und der Sex: Verschweigen, verleugnen, vertuschen?"
ARD-Sendung Menschen bei Maischberger am Dienstag, 09.03.2010, 22.45 Uhr