21.02.10
Evangelische Kirche im Ausverkauf auf dem Markt der Möglichkeiten?
Oberlandeskirchenrat Hans Christian Brandy beschreibt schwierige Rolle der Kirche
(MEDRUM) Der neue Superintendent der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover, Oberlandeskirchenrat Hans Christian Brandy (51), sieht es als wichtige Aufgabe der Kirche, wie auf einem Markt ein gutes Angebot zu präsentieren. Er erläuterte dies im Interview mit dem "Wochenblatt der Kreiszeitung Nordheide, Elbe und Geest Gruppe Buchholz".
Hans Christian Brandy ist der neue Landessuperintendent für den Sprengel Stade. Der ehemalige Sprecher von Bischöfin Margot Käßmann tritt zum 1. April die Nachfolge von Manfred Horch an, der im Oktober 2009 verstorben ist. Brandy ist gebürtiger Bonner. Er studierte Theologie in Göttingen und promovierte über das Christusverständnis in der Reformationszeit. Als Oberlandeskirchenrat im Landeskirchenamt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers ist Brandy bisher u.a. zuständig gewesen für die Bereiche Gottesdienst, Kirchenmusik, Ökumene, Volksmission. Zur Rolle der Kirche erklärte er: "Unsere Gesellschaft wird immer vielfältiger - auch in religiöser Hinsicht. Das Christentum ist nicht mehr selbstverständlich, sondern eine Möglichkeit von vielen. Wir sind auf einem Marktplatz und unsere Aufgabe ist es, den christlichen Glauben als hilfreiches und gutes Angebot zu präsentieren." Brandy meinte, der Glauben müsse so gelebt und formuliert werden, dass er ansprechend sei. "Nur dann können wir unseren missionarischen Auftrag erfüllen und eine einladende Kirche sein.", so der Oberkirchenrat.
Mit knapp 200 Gemeinden und rund 590.000 Mitgliedern übernimmt er einen Sprengel, der zu sechs Kirchenbezirken der Landeskirche gehört und ihn vor große Herausforderungen stellt. Sinkende Mitgliederzahlen und zurückgehende Finanzmittel stellen auch dort die Kirche vor Probleme, die gelöst werden wollen. Brandy wies zudem darauf hin, daß die Einnahmen schon allein aufgrund des "demografischen Wandels" zurückgehen werden. Ein sichtbares Zeichen für die sich wandelnden Verhältnisse ist das seit Sommer 2009 zum Verkauf anstehende Matthias-Claudius-Haus der St. Petri-Gemeinde in Buxtehude. Es soll zum Verkauf anstehen und rund 500.000 Euro kosten, wie das Wochenblatt in der selben Ausgabe berichtet. Interesse am Kauf hat die islamische Gemeinschaft Buxthude bekundet.
Zum Interview des neuen Superintendenten meldete sich die Leserin Kersti W. zu Wort. Sie sieht die Entwicklungen mit Skepsis: "Nach Ansicht des Superintendenten steht die ev. Kirche auf dem Marktplatz der Beliebigkeiten und muss sich feilbieten, um wahrgenommen und besucht zu werden, entsprechend bunt und unterhaltsam sollen die Veranstaltungen werden. Und auf derselben Seite etwas höher werden ohne Protest der CDU oder der Kirche die Vorbereitungen für die Umwandlung einer ev. Kirche in eine Moschee getroffen. Werden wir mitsamt unseren christlichen Werten jetzt ohne nennenswerten Widerstand total ausverkauft? Ich habe Angst um die Zukunft meiner Kinder, wo bleibt unsere christliche nationale Identität in einer Welt der internationalen Vielfalt und Beliebigkeiten?"
22.02.10
"Unheilige Allianz" der Medien
Christlicher Medienverbund KEP kritisiert Berichterstattung über Auszeichnung für den Jenaer Professor Reinhard Haupt
(MEDRUM/KEP) Wetzlar, 19.02.10 - Der Christliche Medienverbund KEP (Wetzlar) hat die gegenwärtige Berichterstattung über die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den früheren Jenaer Hochschulprofessor Reinhard Haupt kritisiert. Gegen den engagierten Christen wird nach Ansicht von KEP-Geschäftsführer Wolfgang Baake eine gezielte Medienkampagne des Humanistischen Pressedienstes (hpd) und der beiden Zeitungen "Neues Deutschland" (Berlin) und "Freies Wort" (Suhl) geführt.
Haupt hatte am 21. Januar 2010 aus der Hand der Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. In der Würdigung für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes heißt es, dass der Hochschulprofessor sich sehr für bessere Studienbedingungen eingesetzt und einen intensiven Dialog zwischen Professorenschaft und Studierenden gefördert habe. "Durch seinen großen persönlichen Einsatz und vorgelebte christlich-soziale Werte" habe Haupt das Gemeinwohl gefördert. Weiter wurden die verschiedenen Engagements von Professor Haupt gewürdigt, darunter auch seine Mitgliedschaft in der Studiengemeinschaft "Wort und Wissen".
Der Humanistische Pressedienst kritisiert in einer Meldung vom 8. Februar 2010 unter der Überschrift "Bundesverdienstkreuz für Kreationisten": "Man staunt nicht schlecht: Ein leitender Mitarbeiter der Studiengemeinschaft 'Wort und Wissen' erhielt das Bundesverdienstkreuz am Band." In der Meldung zitiert der hpd aus den Vergaberichtlinien des Bundespräsidialamtes für das Bundesverdienstkreuz und kommt zu dem Schluss: "Man kann die Verbreitung der biblischen Schöpfungslehre, an der Reinhard Haupt sich beteiligt, aber beim besten Willen nicht als besondere geistige Leistung betrachten. Im Gegenteil: Es ist ein Zurückdrängen der Aufklärung, der kulturellen Errungenschaft wissenschaftlichen Denkens."
Der Geschäftsführer des Christlichen Medienverbundes KEP, Wolfgang Baake, kritisiert eine manipulative Berichterstattung und Kommentierung durch den hpd. "Wer die Begründung des Bundespräsidenten für die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Prof. Reinhard Haupt liest, kann unschwer erkennen, dass die eigentliche Begründung eine ganz andere ist. Hier wird durch eine gezielte Manipulation einiger Medien versucht, einen hoch angesehenen Wissenschaftler und von Kollegen wie auch Studenten sehr geschätzten Hochschulprofessor bewusst zu diskreditieren, nur weil er als engagierter Christ aktiv in seiner Gemeinde und ehrenamtlich in der Studiengemeinschaft 'Wort und Wissen' mitarbeitet."
In der Kampagne gegen Haupt und die Thüringer Ministerpräsidentin Lieberknecht haben sich laut Baake der Humanistische Pressedienst, die sozialistische Zeitung "Neues Deutschland" und die Tageszeitung "Freies Wort" zu einer "unheiligen Allianz" zusammengeschlossen. Er forderte die Berichterstatter auf, alle Facetten fair und ausgewogen darzustellen. Dies gebiete die journalistische Sorgfaltspflicht.
08.12.09
Universität Köln: Ein ambivalenter Schauplatz
Homo-Spektakel um Philosophin Edith Düsing bei Vorlesung über Schillers Konzept des "Höheren Selbst"
von Kurt J. Heinz
(MEDRUM) Die Vorlesung der Philosophin Edith Düsing über Schiller an der Universität Köln konnte am Montag erst nach erheblichem, langanhaltendem Protest von Lesben und Schwulen beginnen.
Edith Düsing war bereits am Vortag ihrer Schiller-Vorlesung auf eine Protestaktion gegen ihre Person gefasst. Daß sie aber erst 45 Minuten später als geplant beginnen konnte, hatte sie nicht erwartet. Grund waren Störaktionen aus dem Kreis von Lesben und Schwulen, deren Interessen vom "Autonomen Lesben- und Schwulenreferat Köln (LuSK)" beim AStA vertreten werden. "Campus: grün Köln" hatte am 6. Dezember öffentlich aufgerufen, die Plätze im Vorlesungssaal für einen Protest gegen die Professorin zu "besetzen".
Düsing sollte attackiert werden, weil sie die Erklärung "Für Freiheit und Selbstbestimmung" zum Marburger Kongreß im Mai dieses Jahres unterzeichnet hatte. Aus der Sicht des "Autonomen Lesben- und Schwulenreferates Köln (LuSK)" war dies eine diskriminierende und homophobe Handlung. Nachdem sich Düsing nicht bereit fand, sich von der Erklärung zu distanzieren und sich deswegen auch nicht an einen "Runden Tisch" in der Universität zitieren ließ, war die Protestaktion beschlossene Sache. Damit war für reichlich Turbulenz gesorgt.
Die vielfachen Versuche, mit der Vorlesung zu beginnen, erstickten im lärmenden Getöse. Eine stattliche Anzahl interessierter Hörer verließ den Hörsaal, nachdem die Störaktionen auch eine Viertel Stunde nach geplantem Beginn noch anhielten. Erst nach der Intervention der zur Zeit im Rollstuhl sitzenden Frau und Koordinatorin der Schiller-Vorlesungsreihe, Dr. Regine Romberg, begannen die Protestteilnehmer ein Einsehen zu zeigen und verließen den Raum der Veranstaltung, um sich außerhalb des Hörsaals zu versammeln. Vor ihrem Abgang bedienten sie sich an einer bereitliegenden schriftlichen Verlautbarung, in der die Professorin zum Geschehen Stellung genommen hat. Einen Auszug aus dieser Stellungnahme wird MEDRUM veröffentlichen.
Bedauert hatte Edith Düsing, daß dem Protestgeschehen kaum Einhalt geboten wurde. Der Prodekan der Philosophischen Fakultät, Professor Walter Pape, war zwar anwesend, aber nach dem Eindruck mehrerer Teilnehmer schien er sich eher mit der Protesttruppe solidarisieren zu wollen, als für einen störungsfreien Vorlesungsbetrieb zu sorgen. "Ich stehe auf der Seite der Lesben und Schwulen und ich dulde keine diskriminierenden Äußerungen", hatte er erklärt. Einige Zuhörer verstanden die Bekundungen des Prodekans als Solidaritätsadresse an die Störer einerseits und als Warnung an Edith Düsing andrerseits. Seine einige Male geäußerte Bitte an das lärmende Auditorium, Frau Düsing sprechen zu lassen, wurde dennoch nicht erhört. Er selbst wählte dann auch die vielsagende Bezeichnung "suboptimal" für den Verlauf der Veranstaltung.
Es wird keine Polizei geben, hatte der Rektor der Universität offenbar bereits zuvor versichert. Das Hausverbot könne nicht Frau Düsing, sondern nur der Rektor erteilen. Dies stand auf einer Regieanweisung (Auszug), die an die zusammengetrommelten Lesben und Schwulen verteilt worden war. „Transparente, Fahnen, Küss-Flashmobs sitzend oder stehend, Aufstehen und den Rücken zu ihr stehen" ... , Klatschen, Klopfen, Rufen, „möglichst alle Plätze im Hörsaal belegen" - dies alles gehörte zur vorbedachten Protestaktion, die die Szenerie im Hörsaal XIII beherrschte. Es war eine Art Gegenkonzept zu Schillers "Höherem Selbst". Es lähmte eine Veranstaltung, die doch dazu gedacht war, Studenten und Hörer zum 250. Geburtstag von Friedrich Schiller geistig zu beflügeln.
Als enttäuschend bezeichnete ein Beobachter das Geschehen und das Agieren des Prodekans. 45 von 90 für die Vorlesungsveranstaltung vorgesehenen Minuten fiel der Störaktion zum Opfer. Eine Diskussion über das Schiller-Thema musste daher entfallen. Dennoch wurde die Vorlesung ein Gewinn für die Hörer, wie die Reaktion einer jungen Studentin nach Ende der Veranstaltung zeigte. Sie hatte sich zuvor am lärmenden Protest beteiligt, gestand aber, daß es ihr nach der Vorlesung leid getan habe. "Ich habe aus Ihrer Vorlesung gewonnen", sagte sie zu Edith Düsing, die nach Ende der Veranstaltung das Spalier einer Gruppe von Störern vor dem Hörsaal unter deren Buhrufen passieren mußte.
Es liegt wohl jenseits der Imaginationskraft der meisten Zeitgenossen sich vorzustellen, was passieren würde, falls versucht werden würde, gegen eine Person aus dem Kreis von Lesben- und Schwulen in ähnlicher Weise vorzugehen, wie es Edith Düsing widerfahren ist. Erinnerungen an üble Zeiten werden wach.
-> "Campus: grün" ruft zur Protestaktion gegen Edith Düsing an der Uni Köln auf
-> "Wir unternehmen nichts gegen die Vorlesung" von Edith Düsing
-> Auszug aus Erklaerung von Edith Düsing
19.02.10
Aus den Medien
SPIEGEL: Debatte um katholischen Missbrauch
19.02.10 | Spiegel | Die Grünen, der Sex und die Kinder |
23.02.10
Ab wann wird ein ‚Sozialstaat’ asozial?
Gerechtigkeits-Ansprüche im Widerstreit mit Belastungs-Grenzen
von Albert Wunsch
(MEDRUM) Auch wenn die meisten Harz IV Empfänger weit davon entfernt sind, in dekadenten Orgien zu schwelgen, die Frage was einen Sozialstaat als solchen ausweist und ab wann er sich ins Gegenteil verkehrt, drängt nach Antwort. Es lohnt sich, in Abgrenzung von einer ausufernden ‚Versprechungs-Politik’ nach dem Strickmuster, ‚allen soll es besser und möglichst niemand schlechter gehen’, zu klären, was im eigentlichen Wortsinn sozial ist.
Dazu ist es notwendig, das eingeengte Blickfeld: ‚Hilfe für Notleidende und Bedürftige’ einmal kurz zu verlassen. Dann wird deutlich, dass sozial all das ist, was ein förderliches Zusammenleben ermöglicht und verbessert. Und im Gegenzug ist alles asozial, was ein Leben in Gemeinschaften stört oder gar unmöglich macht. Schlüssel-Voraussetzungen für ein positives Zusammenleben sind Eigenständigkeit und Selbstverantwortung. Diese sind von Kindesbeinen an auszuprägen, weil sonst dass anstelle des Gebens das Nehmen oder nicht Aktivität sondern die Inaktivität erlernt wird.
Als Abraham Lincoln den Satz formulierte: „Man hilft den Menschen nicht, wenn man etwas für sie tut, was sie selbst tun könnten“, dachte dieser große Staatsmann sicher nicht an irgendwelche Detail-Defizite im US-amerikanischen Sozialsystem.. Nein, - er nimmt eine Grundhaltung in den Blick, welche Menschen mehr oder weniger stabil bzw. instabil sein lässt. Und die bundesdeutsche Variante des Vaters der sozialen Marktwirtschaft lautet: „Ich will mich aus eigener Kraft bewähren“ und „für mein Schicksal selbst verantwortlich sein. Sorge du Staat dafür, dass ich dazu in der Lage bin,“ so Ludwig Ehrhard in seinem Buch: „Wohlstand für alle.“ Hier haben in den vergangen Jahrzehnten viele staatliche Stellen fahrlässig bis grob-fahrlässig falsche Anreize geschaffen, weil anstelle einer Herausforderung zur Eigenaktivität per regelmäßigem Geldfluss die Inaktivität gefördert wurde.
Auch wenn in diesen Tagen - ob leidenschaftlich oder polemisch – über die Aufgaben bzw. Grenzen eines Sozialstaates diskutiert wird, sind bisher kaum Anhaltspunkte zu erkennen, dass die führenden Kräfte in Politik und Gesellschaft einen Konsens darüber anstreben, was denn eigentlich ein Sozialstaat sei und ab wann er sich in sein Gegenteil verkehrt. Ist es sozial oder inhuman, wenn dem Einzelnen neu verdeutlicht wird, seine eigenen Fähigkeiten und Kräfte stärker nutzen zu müssen? Ist es unter sozialen Gesichtspunkt vertretbar, wenn sich Menschen bis ins Koma besaufen und die Folgekosten wie selbstverständlich von der Solidargemeinschaft übernommen werden, während z.B. ältere Menschen massive Probleme haben, ihre medizinische Grundversorgung gewährleistet zu bekommen, von kostenintensiven Heilbehandlungen oder schwierigen OP-Eingriffen ganz zu schweigen? Kann es gerecht sein, wenn in regulärer, sozialversicherungspflichtiger Vollzeit-Arbeit stehende Menschen z.T. erheblich weniger verdienen, als Harz IV-Empfänger? Ist es sozial unzumutbar, wenn Bedürftige anstelle von Geld gebrauchte Kleidung oder Ausstattungsgegenstände erhalten oder ist dies bei knappen Kassen äußerst sinnvoll und gerecht? Lässt es sich mit christlichen oder humanistischen Wertvorstellungen vereinbaren, das mildtätige Nächstenliebe auch deutliche Grenzen hat?
Um diese Fragen nicht zu lange im Raume stehen zu lassen: Tiefst unsozial und unchristlich ist es, wenn staatliche Einrichtungen und andere gesellschaftlichen Kräfte Selbstverantwortung nicht fördern sondern behindern. Zur Geburtsstunde unserer Republik wurde die „Soziale-Marktwirtschaft“ zur Basis von Stärke und Wohlstand. Mit dieser Begriffskoppelung wird unterstrichen, dass nur eine stabile Wirtschaft einen entsprechenden finanziellen Rahmen für soziale Gaben zulässt. Dazu noch einmal Ludwig Ehrhard: „Jede soziale Leistung kann sich nur auf wirtschaftliche Leistung gründen, und wo immer es dieser Harmonie, d.h. dieses Gleichgewichts ermangelt, wird die vermeintliche Wohltat zu Betrug“. Sozialpolitik bedeutet demnach, jedem die Chance auf selbst geschaffenen Wohnstand zu geben, aber nicht durch Ansprüche an den Staat. Die sozialste Tat ist, Menschen wieder auf die eigenen Füße gelangen zu lassen. Aber nach Alimentation lechzende Bürger werden kaum freiwillig den somit einzuschlagenden mühevollen Weg gehen, auch wenn an dessen Endpunkt eine neu gefundene Identität der Selbstverantwortlichkeit stünde.
Was bisher übrigens restlos vermieden wurde ist eine kritische Auseinandersetzung mit den auslösenden Faktoren dieser Situation. Wie konnten diese Mist-Beete entstehen, wer pflegte sie, dass sich so wuchernd Anspruchshaltungen entwickeln konnten? Wer hat die Friedhöfe angelegt, auf welchen mehr oder weniger unbemerkt Fleiß, Durchhaltevermögen und Selbstverantwortlichkeit beerdigt wurden? Wann stellen wir die Vorsänger des ‘Ohne-mich-Credos‘ beim Leistungserbringen und des ‘Nimm-soviel-du-Kannst’ beim Leistungsbeziehen an den Pranger? Für eine ständig wachsende Personengruppe scheint der Staat jedenfalls zu einem steht’s offenen Selbstbedienungsladen verkommen zu sein. So fehlt der Zukunft die Kraft, wenn Leistungsverweigerung zum Volkssport wird!
Zu lange hat unser „Sozialsystem“ die verschiedensten - mehr oder weniger - Bedürftigen mit beraterischer Zuwendung oder materiellen Gaben ruhig gestellt. So wurden Phänomene verstärkt, wo spezielle Förderprogramme zu entwickeln gewesen wären. Wir wissen es alle: Not macht erfinderisch, Hunger und Durst machen suchend, und ohne Leistung erworbenes Geld macht die Menschen auf Dauer krank und führt sie in die Abhängigkeit. Handelt der Sozialstaat so, dann produziert er asoziales Verhalten, weil nicht Verselbständigung und Eigenverantwortung, sondern Inaktivität gefördert wird.
Eine rheinische Großstadt führte vor einige Jahren im Umgang mit Sozialhilfeanträgen folgende Neuerung ein. Sie wurden erst dann bearbeitet, wenn vorher für 2 Wochen täglich beim Arbeitsamt und bei einer Zeitarbeitsfirma nachgefragt wird, ob kurzfristig oder auf Dauer eine Arbeitsmöglichkeit bestehe. Erst wenn diese Bemühungen nachweisbar erfolglos blieben, setzt die Unterstützung ein. Eine erste Bilanz nach einigen Monaten offenbarte, dass die Fälle um 27% zurückgingen. Entweder wurde eine Stelle gefunden oder der Aufwand bei der Stellensuche als zu groß betrachtet. Auch wenn diese Zahl vielleicht nicht repräsentativ ist, der Trend sicher. So wurden über Jahrzehnte Menschen unnötigerweise mit Geld ausgestattet, welches damit für andere öffentliche Aufgaben fehlte.
Häufig mangelt es an Ansatzpunkten, um zwischen echter und scheinbarer Notlage zu unterscheiden und wie den wirklich Bedürftigen geholfen werden kann, mit Unterstützung des Sozialstaates wieder die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Dazu ist auch Geld notwendig, aber nicht unbedingt in die Hände der Betroffenen. Es wird kein einfacher Weg sein, die vielen ‘Stütze’ Beziehenden aus ihrer häufig tief sitzenden Lethargie zu führen. Dabei wird mit deutlichem Widerstand zu rechnen sein. Schließlich gibt es Schlimmeres, als sich an einen regelmäßig wiederkehrenden staatlichen Geldsegen zu gewöhnen. Mit ‘Zuckerbrot und Peitsche’ - so mancher Politiker in den Medien - soll das so verursachte Siechtum des Sozialstaates beendet werden. Während dessen tickt die Zeitbombe weiter. Entweder tragen wieder alle dazu bei, den Sozialstaat zu erstarken, oder seine Schwäche rafft uns dahin.
Da es mittlerweile immer mehr Familien gibt, welche schon in der dritten Generation als Sozialhilfeempfänger leben, sollte sich die anstehende Herauforderung zur Eigenverantwortung daran orientieren, die Würde dieser Menschen wieder wachsen zu lassen. Der weit über Köln hinaus bekannt gewordene katholische Pfarrer Franz Meurer, der äußerst engagiert, mutig und erfolgreich in einem Vorstadt-Gebiet mit einem Sozialhilfe-Bevölkerungsanteil von über 40% wirkt, setzt entsprechende Akzente. Er lebt dort hautnah - mit Tatkraft und Kreativität - ein sozialpolitisch intendiertes unkonventionelles Christentum und weiß um die wirklichen Probleme: „Almosen geben ist einfach, weiterführend ist es jedoch, die Eigenkräfte von Menschen zu fördern. - Es ist möglich, dass die Leute nichts mehr von den anderen erwarten. Aber schlimm ist es, wenn sie keinen Respekt mehr vor sich selber haben.“
Neben den lethargischen bzw. arbeitsunwilligen Stütze-Beziehern gibt es aber auch eine sehr große und leider immer noch wachende Zahl von unverschuldet in die Arbeitslosigkeit geratenen Menschen. Zusätzlich gibt es noch Kranke oder sonst wie Beeinträchtigte, welche wirklich auf die Fürsorge durch Andere angewiesen sind. Aber auch diese müssen - meist schmerzhaft - zur Kenntnis nehmen, dass ein Staat, in welchem immer weniger im Erwerbsleben stehende Menschen für immer mehr Transferleistungsbezieher sorgen sollen, neu definieren muss, was menschlich zumutbar ist. Und wenn die Sozialstaat-Romantiker nicht akzeptieren, dass nur ein begrenzter Teil des Steueraufkommens für Bedürftige zur Verfügung stehen kann, werden alle darunter leiden.
Fakt scheint mir zu sein, dass es nicht weiterführend ist, dass im Erwerbsleben stehende sich überlegen, ob sie nicht auch die Seiten wechseln sollen, um ohne Arbeit mehr Geld oder vielleicht auch etwas weniger zu erhalten, weil sonst die Leistungsträger sich als die Deppen der Nation fühlen. Und wenn „Harzen“ zum Zukunftsbegriff der nachwachsenden Generation werden kann, dann ist über Jahre vieles falsch gelaufen in unserem Erziehungs- und Gesellschaftssystem. Belegt wird dieser Trend auch von der aktuellen OECD-Studie, nach der sich ‚Arbeit in Deutschland nicht mehr lohnt’.
Made in Germany’! Mit Stolz wurde dieses Gütezeichen deutscher Wertarbeit in die Welt getragen und fand international über Jahrzehnte die höchste Anerkennung. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden Qualität und Produktivität unserer Wirtschaft zur Basis einer neuen ‘wir-sind-wieder-wer’ Identität. Diese Ära ist längst vorbei. Zyniker deuten das einstige Signet unserer Produkte heute in ‘Maden in Deutschland’ um.
Weder eine Gesellschaft, noch der Einzelne ist ohne engagierter Eigentätigkeit und Selbstverantwortung lebensfähig. Teilhabe, Mitwirkung und Leistung sind die Voraussetzungen eines gesunden Selbstwertgefühls, welches sich in personaler Stärke, Zufriedenheit und Lebenserfolg äußert. Jede Gemeinschaft wird zugrunde gehen, wenn zu viele Menschen - ob aus Not oder Trägheit - auf Kosten Anderer leben. So bleibt als Fazit. ‘Wer mit Spaß und Lust den Leistungsbegriff diskreditiert, wird sich bald nichts mehr leisten können’. Auch viele kleine Löcher lassen große Schiffe sinken, umso schneller, wenn es stündlich mehr werden. Das Sozialsystem in der Bundesrepublik Deutschland wird bald, wenn der Kurs nicht neu bestimmt wird, ein manöverierunfähiges Wrack sein.
Copyright Albert Wunsch, 23.02.2010
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Dr. Albert Wunsch (64)
ist Diplom-Sozialpädagoge, Psychologe und promovierter Erziehungswissenschaftler (Psychologie, Pädagogik, Kunst). Als Dozent für Erziehungswissenschaft, Elementarpädagogik und Konzepte der sozialen Arbeit lehrt er unter anderem die Lehrgebiete Kleinkindpädagogik und Eltern-Qualifikationsprogramme an der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Köln, sowie als Lehrbeauftragter an der Philologischen Fakultät der Universität Düsseldorf. Seit zwei Jahren lehrt Wunsch auch an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Vallendar und arbeitet darüber hinaus in einer eigenen Praxis als Paar-, Erziehungs- und Konfliktberater.
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