09.02.09
Angela Merkel sucht Rehabilitation durch den Papst
Schadensbegrenzung für die Unionsparteien und Kirchen
(MEDRUM) Nach Bericht des Spiegel vom 08.02.09 rief Angela Merkel den Papst an, um sich mit ihm auszusprechen. Das Gespräch soll die Verstimmungen ausgeräumt haben, die durch Äußerungen der Bundeskanzlerin entstanden waren. Angela Merkel hatte sich zuvor kritisch zur Haltung des Papstes geäußert und Klarstellungen gefordert, weil er vier exkommunizierten "Lefebvre-Bischöfen" die Rückkehr in die kirchliche Gemeinschaft ermöglichen will.
Papst Benedikt XVI. hatte am 21.01.09 auf Antrag der vier Lefebvre-Bischöfe Fellay, Williamson, Tissier de Mallerais und de Galarreta beschlossen, ihnen die Exkommunikationsstrafe zu erlassen. Die Exkommunikation wurde von seinem Amtsvorgänger Johannes Paul II. ausgesprochen, weil der abtrünnige Erzbischof Lefebvre in einem eigenmächtigen Akt diese vier Bischöfe gegen den Willen des Papstes geweiht hatte und seine Handlung als ein Akt der Abspaltung von der römisch-katholischen Kirche mißbilligt werden mußte. Mit der Rücknahme der Exkommunikationsstrafe sollte den Bischöfen - und mit ihnen einer großen Zahl von Priestern und Gläubigen - die Möglichkeit eröffnet werden, die Gemeinschaft mit der katholischen Kirche wieder herzustellen.
Nachdem das päpstliche Dekret bekannt gegeben worden war, wurde auch ein Interview bekannt, das Richard Williamson kurz zuvor am 19.01.09 dem schwedischen Fernsehen zum Holocaust gegeben hatte. In diesem Interview, das am 21.01.09 ausgestrahlt wurde, äußerte sich Williamson über den Holocaust und stellte fest, er glaube nicht, dass es eine Vernichtung von Juden in Gaskammern gegeben haben könne und führte als Beleg die Auffassung so genannter Experten an, die zu diesen Schlußfolgerungen gekommen seien. In den Medien wurden diese Äußerungen erwartungsgemäß verurteilt und dabei vielfach und willkürlich in einen Zusammenhang mit dem Erlass der Exkommunikationsstrafe gestellt. Dem Papst wurde vorgeworfen, er habe einen Holocaust-Leugner rehabilitiert. Mit diesem Vorwurf wurde dem Papst - zu dessen bestürzender Überraschung - unterstellt, dass eine Holocaust-Leugnung für ihn akzeptabel sei und er es billige, dass sich Williamson leugnend zum Holocaust geäußert habe.
Obwohl der Papst bei seiner Generalaudienz am 28.01.09 - wie vielfach bereits zuvor - darauf hinwies, dass die römisch-katholischen Kirche den Holocaust in Solidarität mit dem jüdischen Volk verurteilt, obwohl der Vatikan klarstellte, dass es keinen Zusammenhang zwischen einer Rücknahme der Exkommunikationsstrafe und den Äußerungen von Williamson über den Holocaust gibt, und obwohl klargestellt worden war, dass die Auffassungen von Williamson im Widerspruch zur Position der katholischen Kirche stehen und als inakzeptabel mißbilligt werden, forderte die Bundeskanzlerin am 03.02.09 eine Klarstellung des Papstes. Sie forderte dies darüber hinaus auch trotz der Tatsache, dass der Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am 29.01.09 erklärte, wer den Holocaust leugne, "der leugnet den christlichen Glauben selbst". Dies sei umso schwerwiegender, wenn es aus dem Mund eines Priesters oder eines Bischofs komme, so Lombardi. Es war ebenso bekannt, dass trotz des päpstlichen Angebotes, in den Schoß der Kirche zurückkehren zu können, Richard Williamson auch weiterhin von der Ausübung kirchlicher Ämter suspendiert blieb und seine Äußerungen als inakzeptabel abgelehnt wurden. Dennoch hielt Angela Merkel die Erklärungen des Papstes und Vatikans für nicht ausreichend. Die Bundeskanzlerin klärte jedoch ihrerseits nicht darüber auf, welche weiteren Klarstellungen sie für nötig befunden hatte. Wer über die tatsächlichen Ereignisse und Zusammenhänge informiert war, musste - wie Papst und Kurie - über ihre Forderung erstaunt sein und hätte eigentlich eine Klarstellung von Angela Merkel erwarten können.
Die Kritik von Angela Merkel rief daher ein gespaltenes Echo, vielfach auch Unverständnis und Ablehnung hervor. Kritik kam nicht nur von Kirchenvertretern, sondern auch aus den Reihen der Unionsparteien. Mit ihrer Mahnung an den Papst habe sie nicht nur Klarstellungen gefordert, derer es nicht bedurfte, sondern auch ihre Kompetenzen überschritten, stellten Vertreter aus Politik und Kirche fest. Auch habe sie dadurch die geistliche Autorität des Papstes in Frage gestellt, stellte beispielsweise der Professor für Pastoraltheologie Hubert Windisch von der Universität Freiburg fest. Norbert Geis erklärte in einem Interview im Deutschlandradio, dass er sich gewünscht hätte, wenn sich Angela Merkel an die Seite des Papstes gestellt hätte, um ihn vor ungerechtfertigten Vorwürfen in Schutz zu nehmen und sein kirchliches Anliegen zur Versöhnung zu unterstützen. Der CDU-Abgeordnete Georg Brunner berichtete nach einem Besuch in Rom, dass man dort über die Haltung in Deutschland geradezu entsetzt sei.
Mit dem jetzigem Gespräch zwischen Angela Merkel und dem deutschen Papst und der anschließenden Presseerklärung des Sprechers der Bundesregierung, Ulrich Wilhelm, es sei ein "gutes und konstruktives Gespräch gewesen, getragen von dem gemeinsamen tiefen Anliegen der immerwährenden Mahnung der Shoa für die Menschheit", wird jetzt eine Gemeinsamkeit unterstrichen, die nie in Frage gestellt war und ist: Die Einmütigkeit von Angela Merkel mit Papst Benedikt, mit der sie den Holocaust verurteilen und seine mahnende Bedeutung für die Menschen herausstellen. Da dies kein Novum ist, war der Bundeskanzlerin offenbar aber daran gelegen, mit einer solchen gemeinsamen Erklärung ihre vorherigen Äußerungen vergessen zu machen und weiterer Kritik an ihrem Agieren den Wind aus den Segeln nehmen. Die Erklärung wurde gemeinsam mit dem Vatikansprecher Lombardi abgegeben. Im Gegensatz zum Erlass der Kommunikationsstrafe für den Holocaust-Leugner Williamson, die nicht als Rehabilitation mißgedeutet werden darf, könnte die gemeinsame Erklärung der Bundesregierung und des Vatikans allerdings nicht nur als Geste der Versöhnung, sondern auch als politisch erwünschte Rehabilitation von Angela Merkel durch den Papst angesehen werden. Sie kann die Gemüter in den eigenen Reihen beruhigen und helfen, potenzielle Wähler nicht abtrünnig werden zu lassen.
Eine Rehabilitation kann indes nur dann von dauerhafter Natur sein, wenn Angela Merkel ihr Amt nicht weiterhin dazu nutzt, ungerechtfertigten Vorwürfen an den Papst auch noch durch eigene Erklärungen zusätzlichen Auftrieb zu geben. Beiträge zur Deeskalation statt Eskalation und zur Schadensbegrenzung statt Schadensvermehrung sind nicht nur in der Kirche, sondern auch in der Politik gefragt. Sonst könnte es schnell erneutes Entsetzen geben. Damit schadet Angela Merkel ihrer Reputation als Bundeskanzlerin, aber - schlimmer - besonders auch dem Anliegen der katholischen Kirche und den christlichen Kirchen ganz allgemein, wie an der Aktion der "TAZ" sichtbar wird, die katholische Christen gleich mit einer Anleitung zum Kirchenaustritt ermuntert hat. Zwar richtet sich die jetzige Aktion gegen die katholische Kirche, aber dies ist wohl nur eine Frage der Gelegenheit. Das haben bereits die desinformierenden und tendenziösen Artikel über evangelikale Christen in "TAZ" und "Spiegel" im Zusammenhang mit der Diskriminierung des Schülermagazins "Q-rage" im letzten Jahr gezeigt. An einer Schadensbegrenzung für die christlichen Kirchen scheint ihnen wenig gelegen zu sein. Es ist zu hoffen, dass es der Bundeskanzlerin und Vorsitzenden der Christlich Demokratischen Union aber sehr wohl auch darum geht.
Den Schaden zu begrenzen, muß das Ziel aller Christen sein, nicht nur im eigenen und kirchlichen Interesse, sondern ebenso im Interesse eines der Versöhnung und dem Ausgleich gewidmeten Zusammenlebens und Dialoges mit den Menschen jüdischen Glaubens. Deswegen kann es zwar eine Rehabilitation für unglückliche Äußerungen von Angela Merkel, aber keine Rehabilitation für Holocaust-Leugner geben. Selbst wenn diese nicht exkommuniziert sind, bleiben sie doch von allen Ämtern der Kirche ausgeschlossen wie Richard Williamson vom Priester- und Bischofsamt ausgeschlossen bleibt, zumindest solange er den Holocaust für unerwiesen hält. Aber selbst bei einem Widerruf seiner Äußerungen dürfte ihm die Rückkehr in ein Priesteramt kaum noch möglich sein, denn die Empörung über seine Äußerungen ist derart groß, dass es auch einem ehemaligen Holocaust-Leugner Williamson nicht gestattet wird, rehabilitiert zu werden.
Die Kirche muss zwar offen sein für die Rückkehr eines reuigen Sünders in die kirchliche Gemeinschaft, sie darf ihm aber durchaus eine Rückkehr in kirchliche Ämter verweigern. Darin liegt der Unterschied zwischen der Rehabilitation eines Amtsträgers der Kirche und der versöhnlichen Annahme eines Christen als Mitglied der kirchlichen Gemeinschaft, die keinem Menschen verweigert werden darf, der reuig darum bittet.
Aus der gemeinsamen Erklärung der Sprecher kann zwar nicht abgeleitet werden, dass der Papst Angelika Merkel wegen ihrer wenig hilfreichen Erklärung vom 03.02.09 rehabilitiert hat, es wird aber doch klar, dass er ihre Bitte zum Gespräch großherzig und versöhnlich angenommen hat.
Spiegel-Artikel -> Merkel rief Papst zur Aussprache an
MEDRUM-Artikel -> Norbert Geis (CSU) unterstützt Versöhnungs-Akt des Papstes
MEDRUM-Artikel -> TAZ ermuntert zum Kirchenaustritt aus der katholischen Kirche