07.03.09
Geburtenentwicklung in Deutschland besorgniserregend
Paradigmenwechsel vom "Gender Mainstreaming" zum "Kinder- und Familien-Mainstreaming" ist lebensnotwendig
von Kurt J. Heinz
(MEDRUM) Trotz aller gegenteiliger Beteuerungen und Beschwörungen der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen nimmt die Entwicklung der Familie in Deutschland einen ungünstigen, ja sogar besorgniserregenden Verlauf.
Väter statt Mütter an den Wickeltisch, Elterngeld statt Erziehungsgeld, Erhöhung der Frauenerwerbsquote, Kinder statt in die Familien in die Krippen, und schon steigt nach Auffassung der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen die Zahl der Geburten. Der Wunsch nach Kindern sei wieder gestiegen, die Familie habe auch in der Krise Konjunktur, verkündete die Ministerin und verwies auf vermeintlich steigende Geburtenzahlen. Schon Doktor Faust sagte zum Chor der Engel in der Tragödie Erster Teil: "Die Botschaft hör ich wohl, doch allein mir fehlt der Glaube, das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind."
Wir gerne würden wir dran glauben, doch kann man dieses sich erlauben? Ist der Wunsch nach Kindern wirklich gestiegen? Sind Zahlen und die Schlüsse auch gediegen? Mit anderen Worten: Setzt sich der vermeintliche Wunsch auch in nennenswertem Umfang in steigenden Geburtenzahlen in die Wirklichkeit um? Wer diesen Fragen nachgeht, findet Antworten, die den Glauben an die Botschaften von Frau von der Leyen durch nackte Tatsachen ersetzt. So schwindet der Glaube an das Wunder der Ursula von der Leyen spätestens dann, wenn man einen Blick auf die nackten Zahlen des Statistischen Bundesamtes wirft, dessen Erhebungen noch nicht der Zensur und Geheimhaltung unterliegen. Das Ergebnis ist ernüchternd, oder sagen wir besser, es ist niederschmetternd. Der angebliche Anstieg des Kinderwunsches und der Geburtenzahlen, den von der Leyen verkündet hatte, war nichts anderes als eine unbedeutende, flüchtige Momentaufnahme von einem kurzzeitigen und geringfügigen Anstieg im Jahr 2007, der demographisch und statistisch unerheblich ist. Von der Leyen beeilte sich, diese Momentaufnahme zu erhaschen und öffentlichkeitswirksam als Verdienst ihrer Familienpolitik zu vermarkten.
Wie die Lage wirklich ist, zeigt indes ein Blick auf den gesicherten Verlauf der Geburtenzahlen der letzten 10 Jahre. Eine statistische Auswertung nach der Methode der linearen Regression erlaubt eine fundierte Aussage über den Trend der tatsächlichen Entwicklung. Die dabei zu Tage tretende Erkenntnis zeigt in erschreckendem Maße abwärts (siehe Graphik). Und in diesen Trend sind auch die Jahre 2005 bis 2008 als Jahre der Familienpolitik einer Ursula von der Leyen einbezogen. So kann zumindest als vorläufige Bilanz festgehalten werden: Trotz aller Bemühungen hat sich die Familienpolitik von Ursula von der Leyen bisher nicht in der Stärkung der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft niedergeschlagen. Der langjährige Abwärtstrend hat sich nicht umgekehrt. Ursula von der Leyen hat den Glauben an ein Wunder verbreitet, das nicht existiert. Suggestion kann auch hier keine Wirklichkeit ersetzen.
Familie ist dort, wo Kinder sind, sagte einst Gerhard Schröder etwas flapsig als Antwort auf die Frage, was er unter Familie verstehe. Nach dieser Definition nimmt die Familie und ihr Stellenwert also beständig ab wie die Zahl der neugeborenen Kinder abnimmt. Wer kann da glauben, dass in den vergangenen Jahren erfolgreiche Familienpolitik betrieben wurde? Weder für die Zeit der rot-grünen Koalition noch für die Ära einer Ursula von der Leyen kann das Prädikat "wertvoll" vergeben werden. Beide Regierungsepochen tragen ein gemeinsames Kennzeichen: Der Trend fallender Geburtenzahlen hält an. Doch das Eingeständnis dieser verhängnisvollen Entwicklung fehlt allenthalben.
Auf der politischen Tagesordnung stehen unverändert andere Themen, so wie jetzt beim Katholischen Deutschen Frauenbund zu sehen ist, der anläßlich des Internationalen Frauentages verkündet hat, die Entgeltgleichheit sei ein zentrales gesellschaftspolitisches Thema. Sicher soll unwidersprochen bleiben, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sein müssen und Benachteiligungen entschieden entgegengetreten werden muß. Wer aber diese Frage gleich zum zentralen gesellschaftspolitischen Thema erklärt, muß sich auch die Frage gefallen lassen, was denn überhaupt die zentralen gesellschaftspolitischen Themen sind und welche Prioritäten ihnen zugemessen werden.
Die Themenliste politischer Ambitionen ist groß. Für Brigitte Zypries und Volker Beck ist die völlige Gleichstellung homosexueller Partner mit der Ehe ein zentrales Thema, für andere sind die Gleichstellung der Frau und das Konzept des Gender Mainstreaming, Frauenerwerbsquoten und der Anteil von Frauen an C-3- und C-4-Professuren bei Medizinerinnen zentrale Themen. Zahl und Art der Ingredienzien in den politischen Experimentierküchen sind ebenso beachtlich wie die Zahl der Köche und ihre spezifischen Rezepturen. Doch was dabei herauskommt ist jämmerlich. Ungelernte Köche bereiten mit falschen Zutaten und schlechten Rezepturen Gerichte zu, die dieser Gesellschaft schlecht bekommen.
Die Zukunft dieser Gesellschaft ist zu kostbar, als dass sie weiter ein Experimentierfeld bleiben darf, auf dem ihre Nachkommenschaft leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird. Die Entwicklung der Geburtenzahl ist nichts anderes als ein Mahnmal gegen die Vertreibung der Kinder aus dieser Gesellschaft, die seit Jahrzehnten betrieben wird. Auch wer vorgibt, Kinder durch außerfamiliäre Betreuung fördern zu wollen, tut nichts anderes. Er vertreibt Kinder aus angestammten Familien hinein in eine Anonymität, in der kaum ein Wunsch nach mehr Kindern entstehen und die Armut an Kindern beseitigt werden kann. Doch wer erklärt die Armut dieser Gesellschaft an Kindern zu einem zentralen gesellschaftspolitischen Thema? Kinder sind bekanntlich die Zukunft. Und Politiker machen sich diese Zukunft verständlicher Weise stets gerne plakativ zu eigen. Wer aber diese Versprechung wirklich glaubhaft einlösen will, muß ein Thema ganz oben auf die Tagesordnung setzen und mit dem Experimentieren endlich Schluß machen : Diese Gesellschaft braucht mehr Kinder! Das muß das gesellschaftspolitische Thema Nummer eins sein. Wer damit ernst macht, macht ernst mit dem Versprechen, sich um die Zukunft kümmern zu wollen.
Auf der Homepage der Bundesfamilienministerin müsste dann
"Kinder-Mainstreaming" statt "Gender Mainstreaming"
stehen, und es müsste dort dann zu lesen sein: Kinder Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Kindern und Familien von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen, da es keine kinder- und familienlose Zukunft einer Gesellschaft gibt (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend; gender-mainstreaming).
Eine Bundeskanzlerin mit Weitsicht sollte dieses Thema zur Chefsache erklären.
Entgeltgleichheit zentrales gesellschafts- und frauenpolitisches Thema
Bundesfrauengleichstellungsministerin sieht an der Zukunft vorbei
Geburtenrückgang steuert tiefsten Stand der Nachkriegszeit an
PR-Strategie für das Absurditätenkabinett