08.09.13
Schneider: Theologische Bestimmung der Ehe leistet EKD-Familienpapier nicht
Neue Töne: Ratsvorsitzender Schneider stellt nach Sitzung des Rates der EKD sozialpolitischen Charakter der "Orientierungshilfe Familie" heraus und kündigt an, theologische Grundsatzfragen zu überdenken
(MEDRUM) In sozialpolitischer Hinsicht sei das EKD-Familienpapier ein wichtiger Text; darin sei sich der Rat einig, wurde in einer Pressemitteilung nach der Sitzung des Rates der EKD am Samstag verlautbart. Theologische Grundsatzfragen sollen nach einem Symposium erörtert werden.
Theologische Grundsatzfragen bedürfen der Erörterung
Ausführlich habe der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in seiner Sitzung am 6./7. September die Reaktionen auf die Veröffentlichung der Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ in den Blick genommen. Wie MEDRUM berichtete ( → Badische Initiative verstärkt bundesweiten Protest gegen EKD-Familienpapier), hatte sich zuvor bundesweit Protest gegen die vom Rat der EKD im Juni 2013 als Orientierungshilfe herausgegebene Broschüre zum Thema Familie erhoben, darunter auch eine Inititiative, die in der badischen Landeskirche ergriffen wurde und bundesweite Unterstützung fand.
Der Vorsitzende des Rates der EKD, Nikolaus Schneider, merkte zur Bedeutung des Familienpapiers an: "Der Text hat ausgehend von der Ehe als gute Gabe Gottes neue gesellschaftliche Realitäten von Familie in den Blick genommen. Eine theologische Bestimmung der Ehe im Lichte dieses Wandels leistet die Orientierungshilfe nicht. Daher bedürfen die im Zuge der Veröffentlichung aufgeworfenen theologischen Grundsatzfragen, insbesondere zum Bibel- und evangelischen Eheverständnis einer weiteren Diskussion und Erörterung."
Schneider gestand, dass die theologischen Aspekte überdacht werden müssen. Er fand dafür die Formulierung: „Die in der Diskussion aufgeworfenen theologischen Kernfragen bedürfen immer wieder der Schärfung und Vermittlung." Der Rat der EKD nehme die Diskussion um die Orientierungshilfe auf und führe sie weiter, so Schneider.
Schneider relativiert: Sozialpolitisch bedeutsamer Text
Die Erklärung Schneiders lässt die Deutung zu, dass die Verantwortlichen mittlerweile eingesehen haben, dass die theologischen Schwächen des Papiers nicht mehr zu bestreiten sind. Unterstrichen wird dies durch die Feststellung: „Der Rat ist sich einig, dass die Orientierungshilfe in sozialpolitischer Hinsicht ein für die evangelische Kirche wichtiger Text ist."
Mit einer Quasi-Herabstufung zum "sozialpolitisch" bedeutsamen Papier, das von einer Ad-hoc-Kommission erarbeitet wurde, könnten etliche Kritiker wohl eher leben als mit einer Orientierungshilfe, die einen generellen, also auch theologisch begründeten normativen Anspruch erheben will. Einem solchen Anspruch, so sind sich nicht wenige Kritiker einig, wird das Papier des Rates nicht gerecht. Das hat auch der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Baden, Ulrich Fischer, erkannt. Er räumte Schwächen ein und erklärte laut FOCUS in einem Brief an badische Pfarrer, die Schrift beanspruche keine „normative Geltung". Damit steht Fischer allerdings im Widerspruch zu den Aussagen des Papiers, das die Forderung aufstellt, die Anerkennung der Vielfalt privater Lebensformen sei "nicht lediglich als Anpassung an neue Familienwirklichkeiten zu verstehen, sondern als eine normative Orientierung." Genau in diesem Punkt manifestiert sich der Kern der Kontroverse. Gilt noch das Leitbild von Ehe und Familie, wie es bisher verstanden wurde, oder wird die Vielfalt von Lebensformen, in die künftig auch polyamore Beziehungen einbezogen werden müssten, zum neuen Leitbild erhoben?
Theologisches Symposium am 28. September
Die theologische Diskussion über das umstrittene Papier soll noch Ende September beginnen. Der Ratsvorsitzenbde Schneider kündigte an, der Rat der EKD werde am 28. September 2013 in Berlin ein theologisches Symposium zur Orientierungshilfe zum Thema Familie veranstalten. Unter den Referenten sollen die beiden Sozialethiker Wilfried Härle und Klaus Tanner (beide Heidelberg) sowie die Neutestamentlerin Christine Gerber (Hamburg) sein. Der Kirchenhistoriker Christoph Markschies (Berlin), Vorsitzender der Kammer für Theologie der EKDModerator des Symposiums soll die Moderatorenrolle übernehmen. Danach will der Rat in seiner Sitzung am 11./12. Oktober über die weitere theologische Bearbeitung des Themenfeldes beraten.