18.04.11
Pfarrerinnen und Pfarrer vom Recht auf homosexuelles Zusammenleben weit entfernt
Landessynode der Evang. Kirche in Baden: Über Bibelverständnis kann es keine Mehrheitsabstimmung geben
(MEDRUM) Bei ihrer Frühjahrstagung in Bad Herrenalb in der vergangenen Woche konnte sich die Landessynode der Evangelischen Kirche in Baden nicht für eine neue kirchenrechtliche Regelung entscheiden, die für das Zusammenleben von Pfarrerinnen und Pfarrern in homosexuellen Partnerschaften anzuwenden wäre. Es fehlte am notwendigen Konsens. Einen Rechtsanspruch für Pfarrerinnen und Pfarrer, bei ihrem Pfarrdienst in einer homosexuellen Partnerschaft leben zu können, wird es vorerst nicht geben.
Der Synode waren 38 Eingaben zugegangen, die sich gegen eine kirchenrechtliche Zulassung homosexueller Partnerschaften im Pfarrdienst aussprachen, während sich 13 Eingaben für eine Liberalisierung einsetzten. Die Synodalpräsidentin Margit Fleckenstein wies bereits im Vorfeld der Tagung auf die Flut von Eingaben hin. Die Mehrzahl der Eingaben sehen in einer Liberalisierung das Bekenntnis zur Bibel als Wort Gottes berührt. Innerhalb der Synodalen lagen die Mehrheitsverhältnisse umgekehrt. 12 Mitglieder der Landessynode machten deutliche Bedenken gegen eine Liberalisierung geltend, während die überwiegende Mehrheit der Synodalen offenbar kein Problem gehabt hätte, die Verhältnisse in der Kirche an die gesellschaftliche Entwicklung anzupassen.
Auch Landesbischof Fischer hatte seinen Äußerungen zufolge kein Problem mit einer Anpassung an die gesellschaftlichen Verhältnisse. Bei seinem Bericht vor der Landessynode wies er darauf hin, daß bei der ethischen Beurteilung ebenso die Entwicklung der Einstellung in der Gesellschaft bedacht werden müsste wie Aussagen in der Bibel. Wie MEDRUM berichtete, sieht Fischer die Bekenntnisgrundlagen durch unterschiedliche Einschätzungen sexueller Praktiken nicht berührt. Er sah sich bei seinem Bericht vor der Synode in seiner Auffassung anscheinend auch in Übereinstimmung mit dem Gnadauer Gemeinschaftsverband. Der Landesbischof hatte die Gegner einer Liberalisierung kritisiert: "Seit mehr als 20 Jahren besteht Einvernehmen darüber, dass die sexuelle Orientierung einer Person bei der Übernahme in den Pfarrdienst kein Einstellungskriterium sein darf. Es bedrückt mich, dass von diesem Konsens nun abgerückt und zugleich suggeriert wird, dass durch das Pfarrdienstgesetz neue, nämlich liberalere gesetzliche Regelungen für den Zugang zum Pfarrdienst geschaffen werden sollten." Praktizierte Homosexualität sei für ihn keine Sünde, wenn sie "verantwortlich, verlässlich und verbindlich" gelebt werde.
Trotz der liberalen Haltung des Landesbischofs wird sich an den kirchenrechtlichen Verhältnissen vorerst nichts ändern. Für eine Übernahme der Regelung, wie sie von der Synode der EKD einstimmig vorgeschlagen worden war, fehlt in der badischen Landeskirche ein "magnus consensus". Deshalb wurde auf eine kirchenrechtliche Regelung verzichtet. Stattdessen soll künftig der Evangelische Oberkirchenrat im Konsens mit den Gemeinden und den betreffenden Personen entscheiden, ob ein homosexuelles Zusammenleben von Pfarrerinnen oder Pfarrern im Pfarramt im Einzelfall ermöglicht werden soll.
Pfarrer Theo Breisacher, Vorsitzender des Hauptausschusses der Landessynode, berichtete: "Zur strittigen Frage des Zusammenlebens gleichgeschlechtlicher Lebenspartner im Pfarrhaus wurde keine gesetzliche Regelung getroffen. Wir sind von einem Konsens der Beurteilung von gelebter Homosexualität in unserer Landeskirche weit entfernt." Man müsse es aushalten, dass jeder in seiner Entscheidung seiner Verantwortung vor Gott und seinem persönlichen Gewissen verpflichtet sei, sagte Breisacher. Er ist der Auffassung, daß eine "untergesetzliche Regelung" die sinnvollste Entscheidung gewesen ist. Dadurch würden individuelle Lösungen ermöglicht, so Breisacher, der hofft, daß dies auch zur Befriedung innerhalb der Landeskirche beitragen wird.
Auch Landesbischof Ulrich Fischer äußerte sich zufrieden mit dem Ergebnis. „Die Entscheidung hilft uns, in sorgsamer Wahrnehmung der jeweiligen Situation von Gemeinden und der betroffenen Pfarrerschaft zu handeln", sagte der Bischof. Präsidentin Margit Fleckenstein bedankte sich bei den Synodalen für die sachliche Diskussion: „Wir können nicht nach Mehrheiten über die Interpretation der Bibel abstimmen." Der Umgang der Synode mit der Thematik und dem Dissens sei beispielhaft für ein gutes und respektvolles Miteinander in der gesamten Landeskirche, meinte Fleckenstein.
Eine theologische Erörterung der Grundfrage, ob homosexuelles Zusammenleben mit dem biblischen Bekenntnis vereinbar oder unvereinbar ist, und eine Diskussion über die Frage, ob das Verständnis von Ehe und Familie neu definiert werden soll, wie dies vom Rat der EKD der Synode bei ihrer Tagung in Hannover im November 2010 mit einem weit gefassten Begriff vom "familiärem Zusammenleben" vorgeschlagen wurde, fand zwar im Hauptausschuß, aber nicht in der Beratung des Plenums der badischen Landessynode statt. Der auf der Ebene der EKD-Synode eingeführte Begriff "familiäres Zusammenleben", unter dem jedes rechtlich geregelte Zusammenleben von mindestens zwei Personen verstanden werden soll, also insbesondere auch das Zusammenleben in homosexuellen Partnerschaften, ist nicht Bestandteil des in Baden geltenden Kirchenrechtes geworden. Vor einem solchen Schritt hatten insbesondere die acht evangelischen Altbischöfe in ihrem Offenen Brief an die Synodalen vom Januar 2011 mit ihrem Hinweis auf eine Abkehr vom Bekenntnis zur Bibel auch gewarnt.