02.05.08
Der "Spiegel" zu Christival, Religiosität und Bewegung der Evangelikalen in Deutschland
(MEDRUM) Der Spiegel-Artikel "Aufschwung Jesu" befasst sich in seiner Ausgabe vom 28. April (Ausgabe 18/2008) mit Entwicklungen einer neuen Welle der Religiosität in Deutschland und nimmt Christival als Aufhänger für seine Betrachtungen. Christival und die Auseinandersetzungen um dieses Ereignis rücke das "Phänomen eines Aufschwunges der Evangelikalen in den Blickpunkt".
Religiöse Bewegung und Einflüsse
Von diesem Aufschwung profitierten die großen Amtskirchen kaum, sagt der Autor Peter Wensierski. Ihr "aufgeblähter Apparat mit Konsistorien und Landeskirchenämtern, mit Oberkirchenräten und Generalsuperintendenten" sei "zu schwerfällig, um auf die neue religiöse Welle reagieren zu können". Es sei "jenes unübersichtliche Spektrum evangelikaler Gruppierungen, die in der Evangelischen Allianz vereint seien und von der neuen Sehnsucht nach Sinn profitierten". Genannt werden christliche Freikirchen, religiöse Vereine, freie Gemeinden, charismatische Gruppen, missionarische Zentren, die einen Aufschwung erlebten. Sie seien in ihrem Kirchenverständnis und ihren Formen unkonventioneller, inhaltlich seien sie aber konservativ und streng bibeltreu, pietistisch.
Die "Versammlungshallen der Freikirchler" werden mit amerikanischen Fernsehgottesdiensten verglichen. Manche dieser "Gruppen haben ihre Zentren in den USA, werden von dort aus unterstützt oder sogar gesteuert". Sie hätten Deutschland zum Missionsland erklärt, heißt es weiter. Wensierski nennt als Beispiel Berlins Szene-Bezirk Mitte, in dem sich seit kurzem, im Kino Babylon, regelmäßig bis zu 200 Singles, Alleinerziehende und Eheleute mit Kindern zum Gottesdienst eines freikirchlichen "Berlinprojekts" träfen. Die Organisatoren stünden in Verbindung mit der "Presbyterian Church in America", jener Bekenntniskirche, von der US-Außenministerin Condoleezza Rice sage, ihre wichtigsten Ansichten seien dort geprägt worden.
Die Missionsarbeit werde von einigen Stellen wie ein Feldzug geplant. Längst ginge es nicht mehr nur um das Füllen von Gebetshäusern. Mittlerweile ginge es vor allem auch um politischen Einfluss in Berlin. Wensierski verdeutlicht sein Fazit mit einem Zitat von Werner Baake, dem Geschäftsführer des Christlichen Medienverbundes: "Wenn die Gottesdienst-Besucherzahlen nicht mehr vier-, sondern fünfstellig sind, spätestens dann wird sich nicht nur die religiöse, sondern auch die politische Landschaft in Deutschland verändert haben."
Fundamentalismusvorwürfe und Antiaktionen
Eine Position, aus der Unterstützung für eine solche Auffassung abgeleitet werden kann, hat der kultur- und bildungspolitische Sprecher der Fraktion der Linken der Bremer Bürgerschaft, Jost Beilken, bezogen. Wie idea berichtete warf er Christival „fundamentalistische Tendenzen“ vor. Die Diskussion um Evolution und Schöpfung in den USA zeige, „wie sehr der Fundamentalismus das zivilisatorische Niveau der Aufklärung belasten" könne, so Beilken. In Krisenzeiten könne eine solche Bewegung auch politisch gefährlich werden. Die Entwicklungen in Bremen wertete Beilken als Beleg für einen zunehmenden christlichen Fundamentalismus. Das sei „nicht einfach nur Religionsausübung“. Auch in evangelischen Gemeinden gibt es den Fundamentalismusvorwurf, wie die Haltung des Pastors Klingbeil-Jahr unterstreicht, der Christival keinen Veranstaltungsräume bereitstellen wollte (--> Bericht). Vor Ort äußert sich diese geistige Opposition auch in "Anti-Demonstrationen". So wird im Portal Jesus.de von 500 Demonstranten berichtet, unter denen sich Frauenrechtlerinnen, Homosexuelle, Antifaschisten und angetrunkene Störer befänden, und die sich auf Megafonansage hin in Bewegung setzten. Unter den Transparenten findet sich u.a. auch ein Transparent mit der Aufschrift: „Masturbieren statt Missionieren". So reiht man sich auf plakative und individuelle Weise ein in eine Anti-Christival-Fraktion, die sich zwar aus unterschiedlichen Motiven gefunden hat, die aber ein gemeinsamer Nenner zu vereinen scheint.
Bergpredigt contra Kulturkampf
Werner Roland, Leiter von Christival, hat bereits vor Christival seine eigene Antwort auf antifundamentalistischen Protest gegeben: "Segnet, die Euch verfluchen, tut wohl denen, die Euch hassen", sagte er, dem Motto der Bergpredigt folgend. Das klingt weder nach fundamentalistischem Kulturkampf noch nach "finsterem Mittelalter". Inquisitorisch und fundamentalistisch erscheinen da schon eher etliche Parolen und Transparente, die man Christival entgegenhält. Wenn die Beobachtung des Spiegels zutrifft, dass sich die Evangelikalen im Aufschwung befinden, dann scheinen Christival und Evangelikale eine Gemeinsamkeit zu haben: Ein Jesu-Aufschwung.
Die Evangelische Allianz, die als ein Zentrum für eine solche Erhebung der Evangelikalen im Aufschwung religiöser Bewegung beschrieben wird, hat selbst unter dem Titel "Evangelikale wollen politische Macht" über den Spiegelartikel berichtet (Info unter EAD). Auch kath.net widmet sich in einem Bericht dem Spiegelartikel. Das christliche Magazin pro stellt seinerseits fest, der Beitrag des Spiegels zeichne mehr eine Drohkulisse denn eine sachliche Darstellung der Wirklichkeit. Mit derlei überzogenem Vokabular ließen sich "die Evangelikalen freilich leicht als reaktionäre Spinner darstellen, die eine Gefahr für Freiheit und Demokratie darstellen", kommentiert pro den Artikel des Spiegel. Andere Stellen, die Christival unterstützen oder nahe stehen, haben den Artikel zum Teil als "Polemik" bezeichnet (z.B. context21).
Der Text des Spiegelartikels ist nachzulesen unter: http://context21.wordpress.com/2008/05/01/polemik-christival/ (Anmerkung: ist zwischenzeitlich dort entfernt worden).
03.05.08
Pastor Christian Nowatzky, der zur Kirche des im Spiegel erwähnten Berlinprojektes gehört, hat in einer Stellungnahme erklärt, er bedaure, dass seine Kirche in Zusammenhang gebracht wurde "mit amerikanischen pro-Bush-Aktivisten, evangelikalen Fundamentalisten und Christen, die angeblich gegen Homosexuelle wettern". Er hat darauf verwiesen, dass sich seine Kirche nicht als "evangelikale" Kirche bezeichnet habe, dass in seiner "Gemeinde - typisch für Mitte - kaum Bush-Verehrer zu finden sein werden, und dass unter seinen Gottesdienstbesuchern in puncto sexuelle Orientierung und Lebensstil unterschiedliche Haltungen vertreten" seien. Unübersehbar sei allerdings "der von Wensierski ausgemachte Trend zu einem neuen 'Interesse an Glauben' ". In seiner Kirche erlebe er ebenso "wie die benachbarte evangelische Gethsemanekirche und katholische Herz-Jesu-Kirche, dass viele Leute den Kern des christlichen Glaubens neu entdecken und erfahren wollen".
(Quelle: http://www.berlinprojekt.com)