31.03.20
Geht es auch ohne den Sonntagsgottesdienst?
Was ist davon zu halten, wenn gesagt würde, es ginge auch ohne
Eine Reflexion von Hans-Gerd Krabbe
(MEDRUM) Bereits vor dem Ausbruch der Corona-Krise wurde an der Spitze der EKD die Frage aufgeworfen, ob es denn sein müsse, dass jeden Sonntag ein Gottesdienst in den Gemeinden angeboten werde.
Angesichts dessen, dass nur drei bis vier Prozent aller evangelischen Kirchenglieder regelmäßig den Sonntagsgottesdienst aufsuchen — hatte der Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes Thies Gundlach (Hannover) erklärt:
»Der Sonntagsgottesdienst ist eine zentrale Veranstaltung, aber nicht die einzige. Das soll man in großer evangelischer Freiheit vor Ort reflektieren. Wir sollten den Kollegen nicht aufs Auge drücken, dass sie unbedingt jeden Sonntag einen Gottesdienst anbieten müssen, egal ob jemand kommt. Das ist eine Ideologie, die ich nicht teilen kann« (in: ›Zeitzeichen‹ 12/2019, 46-48: »Geht es auch ohne?«).
Das darf doch wohl nicht wahr sein! Will sich die evangelische Kirche in Deutschland ihres Kerninhalts berauben, sich mehr und mehr von den sonntäglichen Gottesdiensten verabschieden, mit der Begründung, dass viel zu wenig Gottesdienstteilnehmer registriert werden? Dass sich der ganze Aufwand mit Personal- und Gebäude-, Betriebs- wie Unterhaltungskosten nicht lohnt? Wirtschaftlich also alles andere denn rentabel erscheint?
Dagegen sprechen gravierende Gründe:
- Zum Ersten: Es mag Gottesdienstorte geben, wo die Zahl der Gottesdienstteilnehmer zu wünschen übrig lässt — Gott sei’s geklagt. Doch stimmt die weit verbreitete und stets neu zitierte ›Mär‹, wonach die Sonntagsgottesdienste generell und zwar überall in Stadt und Land denkbar schlecht besucht seien? So dass der ›kw-Vermerk‹ angebracht sei, heißt: ›kann wegfallen‹?
Nein: Es dürfte genügend überzeugende Gegenbeispiele geben, werden doch die meisten Gottesdienste stärker besucht, als ihr Ruf vermitteln will.
- Zum Zweiten: Ist Kirche Jesu Christi abhängig von Quantität, also von (statistisch erhobenen) Zahlen (die man vorweisen kann) oder nicht vielmehr von Qualität, heißt: von Gottes Heiligem Geist?
Einmal unabhängig von konkreten Zahlen, es geht doch darum, dass sich Christen sammeln zu Wort, Gebet, Sakrament, Gotteslob, Segen — und seien es gemäß Matth. 18,20 auch nur zwei oder drei, die sich in Jesu Christi Namen zusammenfinden. Sie stehen unter der besonderen Verheißung der Gegenwart und der Wirksamkeit Gottes in Jesus Christus. Und diese großartige Verheißung sollte niemand gering achten (wollen).
Sollte die evangelische Kirche in Deutschland die sonntäglichen Gottesdienste an jedem Ort (sukzessive) aufgeben und stattdessen auf Zentralgottesdienste in Mittelpunktkirchen einer Region konzentrieren wollen, so wäre sie bereits dabei, sich selbst aufzugeben. Denn wozu bräuchte es dann schließlich noch Kirchen (es sei denn als Museen), theologische Fakultäten, Landeskirchen, Oberkirchenräte, Kirchenführer? Kirche Jesu Christi könnte sich wie in Urzeiten in Form von Hauskirchen sammeln — wird das gewollt und angestrebt?
Über den Autor
Dr. Hans-Gerd Krabbe ist im Ruhestand lebender evangelischer Pfarrer aus der badischen Landeskirche. Er engagiert sich u.a. als Gründungsmitglied im Bekenntniskreis Baden und ehemals in einer Initiative zum EKD-Familienpapier (MEDRUM berichtete).