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Bischof July gegen christlichen Fundamentalismus


26.07.11

Bischof July gegen christlichen Fundamentalismus

(MEDRUM) Anlässlich der Gewalttaten in Norwegen hat sich der evangelische Landesbischof July gegen christlichen Fundamentalismus ausgesprochen.

Frank Otfried July, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Württemberg, hat sich in einem Interview mit der Schwäbischen Post vom 24. Juli 2011 von christlichem Fundamentalismus distanziert. Er glaube schon, daß die Kirchen gegen christlichen Fundamentalismus vorgehen müssten, meinte Bischof July zum Terrorakt in Norwegen, bei dem am 22. July 2011 nach korrigierten Angaben der Polizei mindestens 76 Menschen von einem 32-jährigen islamfeindlich gesinnten Gewalttäter ermordet wurden. Der Täter gibt vor, die Politik des multikulturellen Zusammenlebens in Europa mit gewaltsamen Anschlägen bekämpfen zu wollen.

Es schmerze ihn, wenn sich ein solcher Täter mit dem Wort "christlich" in Verbindung bringe, aber dies zeige, daß der Glaube immer reflektiert und zeitbezogen sein müsse. Glaube dürfe sich nicht einmauern und kein falsches Bibelverständnis haben. Bei dem norwegischen Täter müsse aber erst abgewartet werden, was wirklich dahinter stecke und ob das Etikett stimme. July stellte zugleich klar, daß er den württembergischen Pietismus nicht als Fundamentalismus bezeichnet. Diese Bezeichnung treffe vor allem auf manche Gruppierungen in den USA zu.

"Die Kirche muss Wert darauf legen, dass es nicht sein kann, im Namen Jesu andere Menschen zu verurteilen, rassistisch zu werden oder überhaupt Menschen zu verachten", so July.  Die christliche Kirche müsse deutlich sagen, wie ethische Ausrichtungen in der Gesellschaft zu gewichten seien, ihre Position dürfe aber nicht als gedankliches Material für Feindlichkeit mißbraucht und der Geist des Respektes und der Toleranz dürften nicht zerstört werden. Dies gelte für alle Gruppierungen der Gesellschaft, meinte July weiter, der es als eine seiner wichtigen Aufgaben ansieht, dafür  zu sorgen, daß Menschen mit unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen in guter Nachbarschaft leben.

Das Interview mit Bischof July in der Schwäbischen Post: Der Geist des Respektes und der Toleranz

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Leserbriefe

Es wäre Sache des Herrn Landesbischofs gewesen, keine theoretischen Betrachtungen über den "christlichen Fundamentalismus anzustellen, gegen den man vorgehen muss", womit er indirekt einräumt, dass es in der Christenheit einen "bekämpfenswerten und bedrohlichen" Fundalismus gibt, sondern auf das Energischste dagegen zu protestieren, dass im Zusammenhang mit dem Attentat in Norwegen überhaupt ein Begriff wie "christlicher Fundamentalismus" gebraucht wird. Das ist eine Ungeheuerlichkeit, auf die es nicht ausreicht, mit dem üblichen vieldeutig-nichtssagenden Worten zu reagieren. Hier gilt es in aller Deutlichkeit klarzumachen, dass nicht jeder Straftäter, der unter anderem Glied ein Kirche ist und ein verschwommenes Verständnis vom Christentum hat, automatisch ein "christlicher Fundamentalist" ist, und dass sich zudem sektiererische Christen, die ein verbissenes Glaubensverständnis haben und deshalb als "Fundamentalisten" bezeichnet werden, meilenweit von islamistischen Fundamentalisten unterscheiden. Bischof July hat hier neuerlich das schwache Bild bestätigt, das man von unserer Kirche haben muss.

Genauso, wie man islamistischen Fundamentalismus nicht islamisch nennt, darf man christistischen Fundamentalismus nicht christlich oder gar evangelikal nennen. Wenn wir diese Abgrenzung schaffen, gibt es in Deutschland endlich wieder eine Chance auf Gleichberechtigung für Christen.

PTL

Möglich, dass sich dieser gestörte Massenmörder von Oslo als „christlicher Fundamentalisten“ versteht. Es ist jedoch unverantwortlich, diesen Mann so einzuordnen. Es dürfte inzwischen bekannt sein, dass es sich um einen Freimaurer handelt, der wohl dem Orden der Templer angehört. In einem Land wie Norwegen gehören nun mal vermutlich ca. 98 % einer christlichen Religion an. Deshalb sind es weder Christen noch Fundamentalisten.

Fundamentalismus! Ein inzwischen geläufiger Begriff, der eigentlich durchaus positiv und richtig ist, wird heute durch die Geschehnisse im Nahen Osten oder in Oslo in ein anderes und schreckliches Licht gerückt. Bei Fundamentalismus denkt man unwillkürlich an islamische Fanatiker, an Terror, Bomben und Tote. Das ist ausgesprochen bedauerlich, denn ein Fundamentalist im christlichen Sinne ist ein Mensch, dessen Glaubensgrundlage die Heilige Schrift ist und dort steht:

Lk 10,27: «Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Vermögen und mit deinem ganzen Gemüte, und deinen Nächsten wie dich selbst!»

Ist ein Mensch bereit, seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst, dann versteht es sich von selbst, dass er ihn achtet und schätzt und bereit ist, ihm Gutes zu tun. Ein Christ trachtet niemandem nach Leib und Leben.

Es ist nicht nachvollziehbar, wie es in der heutigen Zeit dazu kommt, islamische Fanatiker und Christen, die an das Fundament der Heiligen Schrift glauben, gleichzusetzen. Das geht inzwischen so weit, dass Christen, die z.B. die Schöpfungslehre der Bibel für Wahrheit halten und die deshalb auch als Kreationisten bezeichnet werden, diffamiert und als Fundamentalisten im negativen Sinn abgestempelt werden.

Niemand darf zu diesem „Zerrbild“ beitragen, weder Journalisten noch Amtsträger der Kirche.

Horst Niehues, Sulz-Sigmarswangen

... Glaube will auch gelebt sein. Und die Kirche muss auch ihrer Verantwortung gegenüber ihren Gläubigen mehr nach kommen und die Ängste und Befüchtungen ernst nehmen können. ...

Ach würden sich Bischöfe wie Herr July doch öfters mal zu Wort melden, wenn es nicht darum geht, sich aus einem Zugzwang herauszumanöverieren. Vielleicht dann einmal, wenn Gottlosigkeit und Unglaube gerade mal wieder ganz normal auf der Tagesordnung in Gesellschaft und Politik stehen. Hier in diesem Fall bestimmt die Welt mit ihren Irrungen und Abwegen, wann und was christliche Vertreter zu sagen haben.

Liegt es nicht gerade an der Unauffälligkeit von Kirche, dass die Menschen nicht zwischen Christen und Gottlosen unterscheiden können? Wer käme auf die Idee, Foodwatch für eine Organisation der Lebensmittelindustrie zu halten? Foodwatch weiss es, seine Botschaft unter die Leute zu bringen. Das christliche Erscheinungsbild in Europa ist anscheinend so konturlos, beliebig, weltzugewandt und gottesfern, dass jeder Satansbraten sich damit schmücken kann.

Dieser Bischof weiß offenbar selbst nicht so genau, was er eigentlich glaubt, bzw. was christlich ist. Die zentrale Botschaft des Christentums ist m.W. die Liebe. Wenn es denn sowas wie "christliche Fundamentalisten" gäbe, dann müßten diese folglich alles und alle wahnsinng liebhaben. Ist das Gegenteil erkennbar, dann käme wohl eher "satanischer" Fundamentalist infrage. Der Vorrat an Nächstenliebe (auch zum Sünder) ist wohl bei diesem Bischof erheblich geringer, als der seines (angeblichen) Lehrers Jesus. Noch'n Stein auf "die Christen"?

Der Mörder in Norwegen ist weder ein Christ noch ein fundamentaler Christ, er ist ein fantischer Nazi, sowie Hitler und seine Mord-Ideen.

Ein eindrückliches Beispiel, wie ein Reporter seinen Interviewgast mit einer impliziten Behauptung manipuliert. Es war nicht Anders Behring Breivig selber, der sich als „christlicher Fundamentalist“ bezeichnet hätte, sondern es waren gewisse Berichterstatter, die ihn auf der Basis der Facebook-Stichworte „christlich“ und „konservativ“ in dieser Schublade unterzubringen versuchten.

Grundsätzlich wäre eine sachgerechte Einordnung ja hilfreich, aber einen rechtsradikalen Massenmörder in eine Schublade zu pressen, in die man vorher undifferenziert alle die Christen eingeordnet hat, die der modernen Bibelkritik kritisch gegenüber stehen, gibt nun wirklich ein unrühmliches Anschauungsbeispiel für das, was unter dem Wort „Diskriminierung“ zu verstehen ist. Der schlichte russlanddeutsche Biblizist, die amerikanischen Evangelikalen, die noch an einen Schöpfer glaubenden Kreationisten, ja auch die evangelisierenden und missionierenden Pietisten sie alle wurden und werden doch gerne von den Medien und auch von einigen Kirchenvertretern als „christliche Fundamentalisten“ etikettiert. Und nun ordnet man noch einen Psychopathen in diese Schublade, damit drängt sich für den unbedarften Medienkonsumenten der Rückschluss auf, wie gefährlich alles, was in der Schublade „christlicher Fundamentalismus“ steckt, ist.

Schade, dass Herr July die Chance verpasst hat, dieses unfaire Spiel zu beenden. Indem er lediglich die württembergischen Pietisten aus der gefährlichen Schublade auszusortieren versucht, lässt er das Spiel selber unkritisiert.

Da stimme ich Ihnen vollkommen zu. Wäre es nicht die Aufgabe eines Bischofs, sich zuerst einmal genau zu erkundigen und nicht irgendwelchen Medien nachzuplappern. Ich bin darüber erschrocken. Fast nirgends steht, dass dieser Mörder ein Freimaurer war. Dort wurde er jetzt ausgeschlossen. Aber niemand kommt doch auf die Idee, jetzt vor den Freimaurern zu warnen (habe mit ihnen nun gar nichts am Hut). In welcher Gruppierung war denn dieser Mann zu Hause? Davon weiß niemand etwas. Es wäre m.E. die Pflicht eines Bischofs gewesen, es sofort abzulehnen, irgendwelche Christen da hineinzuziehen. Wenn Muslime ein Attentat begehen, da tönt es von kirchlicher Seite, dass das auf gar keinen Fall mit dem Islam zu tun hat. Manchmal frage ich mich, was eigentlich ein Bischof glaubt. Wenn dieser Mann ein Einzeltäter ist, dann ist er allein für seine schreckliche Tat verantwortlich. Man kann es noch nicht einmal einfach auf irgendwelche "Rechte" schieben, obwohl mir diese Leute auch unheimlich sind. Mir ist es auch unheimlich, dass  Medien geradezu auf eine Meldung fliegen, dass irgend ein Täter ein fundamentalistischer Christ sei. Und unsere Kirche springt auch noch auf. Toll! Wer ist denn eigentlich in den Augen von Herrn July ein solcher Christ? Sollte er klar sagen, damit man sich danach richten kann.

Es ist schade, dass der Bischof einfach den selbstgewählten Begriff eines Größenwahnsinnigen übernimmt und unreflektiert auf andere Menschen und Gruppen überträgt. Eine kurze Suche in dem Dokument, dass der Attentäter vor seiner Mordtat verschickte, beinhaltet seine Definition von "Christ sein". Wenn man diese liest merkt man, dass damit gerade nicht fromme/evangelikale/gläubige Christen gemeint sind. Es ist eine rein kulturelle Definition, die - wollte man so unsachlich sein und sie auf andere übertragen - sicher nicht auf die evangelikale Strömung in den Kirchen anzuwenden ist: Der Täter schreibt in seinem Manifest auf Seite 1307:

"3.139 Distinguishing between cultural Christendom and religious Christendom – reforming our suicidal Church: A majority of so called agnostics and atheists in Europe are cultural conservative Christians without even knowing it. So what is the difference between cultural Christians and religious Christians? If you have a personal relationship with Jesus Christ and God then you are a religious Christian. Myself and many more like me do not necessarily have a personal relationship with Jesus Christ and God. We do however believe in Christianity as a cultural, social, identity and moral platform. This makes us Christian."