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Guttenberg: gravierende Fehler gemacht, Überblick verloren und Kodex nicht erfüllt


22.02.11

Guttenberg: gravierende Fehler gemacht, Überblick verloren und Kodex nicht erfüllt

Verteidigungsminister macht Kehrtwende in seiner Haltung und bittet Universität, den Doktortitel abzuerkennen

(MEDRUM) Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bestätigte am Montagabend bei einer Wahlkampfveranstaltung, daß die Kritik an seiner Doktorarbeit zu Recht besteht. Seine Arbeit erfülle nicht die Forderungen an eine Dissertationsschrift, sie sei ein Plagiat, hatten Kritiker zuvor festgestellt. Zu Guttenberg, der die Kritik zuerst als "abstrus" bezeichnete, räumte nun ein, er habe gravierende Fehler gemacht, seine Arbeit erfülle nicht den wissenschaftlichen Kodex. Er versprach, seinen Doktortitel nicht mehr zu führen.

Vor den Teilnehmern einer Wahlkampfveranstaltung im hessischen Kelkheim erklärte Freiherr zu Guttenberg am Montagabend, er habe sich seine Arbeit am vergangenen Wochenende noch einmal angesehen und dabei erkannt, daß er den Überblick bei seiner Doktorarbeit verloren und gravierende Fehler gemacht hatte, die den "wissenschaftlichen" Kodex nicht erfüllten. Wörtlich sagte er:

"Und nach dieser Beschäftigung, meine Damen und Herren, habe ich auch festgestellt wie richtig es war, daß ich am Freitag gesagt habe, daß ich den Doktor-Titel nicht führen werde. Ich sage das ganz bewußt, weil ich am Wochenende, auch nachdem ich mir intensiv diese Arbeit noch einmal angesehen habe, feststellen mußte, daß ich gravierende Fehler gemacht habe, gravierende Fehler, die den wissenschaftlichen Kodex, den man so ansetzt, nicht erfüllen. Ich habe diese Fehler nicht bewußt gemacht. Ich habe auch nicht bewußt oder absichtlich in irgendeiner Form getäuscht und mußte mich natürlich auch selbst fragen, meine Damen und Herren: Wie konnte das geschehen, wie konnte das passieren? So ist es, daß man nach - einen Blick dann zurückwirft und feststellt, man hat sechs, sieben Jahre an einer solchen Arbeit geschrieben und hat in diesen sechs, sieben Jahren möglicherweise an der einen oder anderen Stelle, an der einen oder anderen Stelle auch zuviel, auch den Überblick über die Quellen verloren."

Minister zu Guttenberg hat damit bei seiner Haltung eine völlige Kehrtwende gemacht. Als der Vorwurf, seine Arbeit sei ein Plagiat, zum ersten Mal auftauchte, bezeichnete er die Einwände gegen seine Doktorarbeit als "abstrus". Er hatte erklärt, er sehe einer Prüfung gelassen entgegen. Danach verdichtete sich die Kritik. Es wurden ständig neue Passagen in seiner Arbeit entdeckt, die nahezu wortgleich aus der Feder fremder Autoren stammten und von ihm als Teil seiner Arbeit übernommen wurden, darunter eine etwa 10-seitige Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, jedoch nicht als Text fremder Autoren gekennzeichnet waren. Damit verstieß zu Guttenberg gegen die sogenannte ehrenwörtliche Erklärung, die er bei der Vorlage seiner Doktorarbeit gegenüber der Universität gemäß Promotionsordnung abgegeben hatte.

ImageNoch am Freitag hatte zu Guttenberg vor ausgewählten Pressevertretern in Berlin erklärt, er weise den Vorwurf, seine Arbeit sei ein Plagiat, mit "allem Nachdruck" von sich. Seine Dissertation werde von der Universität Bayreuth geprüft und er werde über dieses Thema ausschließlich mit der Universität Bayreuth kommunizieren. Bis dahin würde er auf die Führung seines Titels verzichten. Danach würde er seinen Titel wieder führen.

Wie die Universität Bayreuth mitteilte, hat zu Guttenberg die Universität unterdessen in einem Brief gebeten, die Verleihung des Doktortitels an ihn abzuerkennen. Mit seiner Kehrtwende zeigt zu Guttenberg, daß auch die vorherigen Erklärungen von Parteifreunden wie der des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein, nicht haltbar waren. Beckstein hatte gegenüber der Nachrichtenagentur idea erklärt, die Doktorarbeit zu Guttenbergs sei keinesfalls ein Plagiat. Nun muß sich auch die Universität Bayreuth fragen lassen, wie es geschehen konnte, daß eine Arbeit mit "summa cum laude" bewertet wurde, bei der zu Guttenberg gravierende Fehler gemacht hat.

Es ist nicht die erste Kehrtwende von Minister zu Guttenberg. Auch in der sogenannten Kundus-Affäre hatte er seine Haltung innerhalb kurzer Zeit geändert. Nachdem er den Luftangriff auf zwei Tanklaster in der Nähe von Kundus in seiner ersten Stellungnahme als militärisch angemessen bezeichnet hatte, erklärte er kurze Zeit später, nachdem sich abzeichnete, daß auch zivile Opfer zu beklagen waren, der Angriff sei militärisch nicht angemessen gewesen. Für seine damalige Kehrtwende machte zu Guttenberg Staatssekretär Wichert und Generalinspekteur Schneiderhan verantwortlich. Er behauptete, sie hätten ihm Dokumente vorenthalten und entschied, die beiden Mitarbeiter sofort aus dem Dienst zu entlassen. Die entlassenen Mitarbeiter verwahrten sich gegen Darstellungen, von denen im SPIEGEL berichtet wurde, sie hätten dem Minister Information vorenthalten oder gar unterschlagen und wiesen derartige Vorwürfe als Angriff auf ihre Ehrenhaftigkeit zurück.

Nach einer Online-Umfrage in BILD nimmt eine Mehrheit der Teilnehmer eine ablehnende oder skeptische Haltung zu einem Verbleib von Freiherr zu Guttenberg im Amt des Verteidigungsminister ein. Von fast 400.000 Teilnehmern sind 47 % der Auffassung, zu Guttenberg sollte zurücktreten. 6 % meinen, der Erfolg sei ihm offenbar zu Kopf gestiegen und 5 % attestieren ihm, er mache eine unglückliche Figur. Nur 42 % meinen, er mache seinen Job gut.


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Leserbriefe

Bei aller Sympathie für den Herrn zu Guttenberg: Der Eindruck dass seine Doktorarbeit eine einzige Trickserei ist, verfestigt sich immer mehr, und wenn sich das am Ende bestätigen sollte, ist das etwas, was man unter gar keinen Umständen durchgehen lassen kann. Ich finde es nicht gut, wenn man verharmlosend von "vergessenen Fußnoten" spricht. Das ist so als wenn man bei einem Diebstahl sagen würde "er hat sich versehentlich fremdes Eigentum angeeignet". Gerecht wäre, wenn man ihn mit eben diesem Maß messen würde, das er auch anderen gegenüber anzulegen beliebt. In Sachen Wichert und Schneiderhan hieß es auch nicht "man kann ja mal etwas übersehen" oder sich nicht "vollständig informiert haben". Gnade ist in Sachen des Herrn zu Guttenberg nur angebracht, wenn er aus dieser Sache lernt und bei Fehlern die andere machen, künftig menschlicher und nachsichtiger reagiert und sich vor seine Leute stellt. Er also geläutert aus der Sache hervorgeht. Im Übrigen gilt: Hochmut kommt vor dem Fall. Als er sich des Kapitäns der Gorch Fock so schnell entledigt hatte, dachte ich bei mir: Es wird nicht lange dauern und er läuft auch irgendwie auf.