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Im Gespräch bleiben


29.09.13

Im Gespräch bleiben

Zum Ergebnis des Theologischen Symposiums über die "Orientierungshilfe Familie" des Rates der EKD

(MEDRUM) Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, meinte nach dem Theologischen Symposium zur umstrittenen "Orientierungshilfe Familie", das am Samstag in Berlin stattfand, man müsse im Gespräch bleiben. Das geht aus einer Pressemitteilung hervor, die die EKD nach dem Symposium herausgegeben hat.

Präses Schneider: in Fragen der Schriftauslegung und Institutionenethik im Gespräch bleiben

Sonnabend, 28. September 2013, Französische Friedrichstadtkirche zu Berlin: Hier findet das vom Ratsvorsitzenden der EKD zur Orientierungshilfe Familie angekündigte, öffentliche Theologische Symposium statt. Vier Gelehrte der Theologie halten Vorträge:

  • Prof. Dr. Wilfried Härle (Universität Heidelberg)
  • Prof. Dr. Klaus Tanner (Universität Heidelberg)
  • Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Horn (Universität Mainz)
  • Prof. Dr. Christine Gerber (Universität Hamburg)

Knappe vier Stunden dauert das Symposium. Insgesamt etwa 150 Teilnehmer wohnen der Veranstaltung bei. Nach dem Ende der Veranstaltung erklärt der Ratsvorsitzende: Das Symposium habe gezeigt, dass man in "Fragen der Schriftauslegung" wie in "Fragen der Institutionenethik" weiter im Gespräch bleiben müsse.

Prima, könnten die Kritiker des Familienpapiers sagen, das Gespräch soll also nicht abgebrochen, sondern fortgesetzt werden. Ist das nun ein bahnbrechendes, zufriedenstellendes Ergebnis? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Es wird davon abhängen, was konkret mit dem Fortsetzen des Gesprächs gemeint ist oder auch bewirkt werden soll. Soll der Dialog dazu dienen, die Orientierungshilfe zu überarbeiten? Das würde ihre Verfasser und Befürworter wohl kaum zufriedenstellen. Oder ist lediglich daran gedacht, sich über dieses Papier und seine Handhabung weiter auszutauschen? Das könnte die zahreichen Kritiker, die, wie etwa die Initiative "Zehn Fragen an den Rat der EKD", zum Teil eindringlich eine Rücknahme des Familienpapiers gefordert haben, unzufrieden hinterlassen.

Was konkretes Ziel einer Fortsetzung des Gesprächs sein soll, hat der Ratsvorsitzende vorerst offen gelassen. Mit dieser Linie erhält er sich die Möglichkeit, im weiteren Diskussions- und Meinungsbildungsprozess flexibel zu reagieren. Erleichtert wird ihm seine Aufgabe dadurch, dass der Handlungsdruck, der sich aus dem Symposium ergeben hat, nicht gerade als groß eingestuft werden muss. Zwar wird das Papier stellenweise deutlich kritisiert, aber keiner der Vortragenden hat eine Rücknahme des Papiers gefordert. Nicht einmal eine Überarbeitung oder Neufassung wird konkret verlangt. Die noch weitestgehende Forderung kommt von dem Heidelberger Theologen Wilfried Härle, der die Herausgabe einer ergänzenden und klärenden Stellungnahme des Rates der EKD zu seiner Orientierungshilfe empfohlen hat.

Zu den Empfehlungen der Vortragenden

Der Theologe Tanner von der Universität Heidelberg breitet in seinem Vortrag aus, welche Aussagen die Orientierungshilfe macht. Wer sein Manuskript überfliegt, weiß zunächst nicht, worüber er sich überhaupt äußert. Eine erkennbare Gliederung seines Vortrages gibt es nicht. Tanner verrät auch nicht, welche Fragen er sich gestellt hat und welche er beantworten will. Zwar kritisiert er einige Stellen der Orientierungshilfe, eine klare Empfehlung aber, wie damit umgegangen werden sollte, gibt er nicht. Er lässt offen, was der Rat der EKD tun soll. Vielleicht erscheint ihm der theologische Umgang mit Fragen zur Orientierungshilfe letzlich auch nicht von entscheidender Bedeutung. Denn am Ende meint er, unsere Zeit könne ihre historische Reflektiertheit nicht mehr abstreifen, es hänge "schlechterdings alles daran, daß die Existenz christlicher Ehepaare überzeuge."

Gerber geht in ihrem Vortrag gar nicht erst auf Defizite der Orientierungshilfe ein, sondern hält ein Plädoyer für eine "Ethik der Beziehungen", die der Vielfältigkeit menschlichen Lebens gerecht werden müsse. Das habe die Orientierungshilfe getan und sie tue dies zu Recht. Gerber sieht keinen Grund, von der Orientierungshilfe Abstand zu nehmen.

Horn stellt fest, dass die biblischen Bezüge in der Orientierungshilfe "eher marginal" sind. Zugleich hält er fest,  es sei eine fromme Illusion, heute das Leben in vollem Umfang nach den einzelnen Weisungen der Bibel ausrichten zu können. Er macht jedoch deutlich, dass er sich gewünscht hätte, wenn in der Orientierungshilfe "werbend" etwas für die Ehe  gesagt worden wäre. Ob er eine Rücknahme oder Überarbeitung für empfehlenswert hält, lässt er ebenso offen wie Tanner.

Härle stellt zunächst fest, von Personen, die für die Orientierungshilfe verantwortlich seien, sei den Kritikern vorgehalten worden, dass sie drei Irrtümern unterliegen:

  1. "Es ist ein Irrtum, diese OH als eine Denkschrift der EKD zu lesen, vielmehr handelt es sich um einen Anstoß zu einer öffentlichen Diskussion in Kirche und Gesellschaft mit noch offenem Ausgang.
  2. Es ist ein Irrtum zu meinen, die EKD gebe mit dieser OH das Leitbild von Ehe und Familie preis; dieses Leitbild soll vielmehr (auch) unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen zur Geltung gebracht werden.
  3. Es ist ein Irrtum, zu meinen, die EKD gebe mit dieser OH das reformatorische Schriftprinzip preis; vielmehr soll am „sola scriptura“ trotz der Vielstimmigkeit der biblischen Texte ausdrücklich festgehalten werden."

Für Härle spiegeln sich in den beiden zuletzt so genannten Irrtümern (lfd Nr. 2 und 3) Defizite der Orientierungshilfe wider. Die evangelische Kirche dürfe weder das reformatorische Schriftprinzip preisgeben noch auf die besondere Stellung der Ehe verzichten. Dennoch fordert auch Härle am Ende seines Vortrages keine Rücknahme oder grundlegende Überarbeitung der Orientierungshilfe, sondern empfiehlt lediglich, dass der Rat eine Stellungnahme herausgeben sollte, um Missverständnisse auszuräumen. Dies würde die Orientierungshilfe, die ja keine Denkschrift sei, selbst unverändert lassen, ihr aber, so Härle, einen Interpretationsrahmen geben.

Ob mit dem Vorschlag von Härle, die einzige klare Empfehlung, die aus dem Kreis der kritisch vortragenden Theologen gegeben wurde, vom Ratsvorsitzenden positiv aufgegriffen wird, geht aus der Pressemitteilung, die Präses Schneider nach dem Symposium hat herausgeben lassen, nicht hervor. Ebenso wenig hat er sich dazu geäußert, ob er dafür plädiert, die Orientierungshilfe unverändert  stehen zu lassen. Der Frankfurter Rundschau zufolge werde das Familienpapier "gewiss nicht einkassiert".

Zum jetzigen Zeitpunkt kann also lediglich festgehalten werden, dass der Ratsvorsitzende eine Fortsetzung des Gesprächs für sinnvoll hält. Dazu biete sich zum Beispiel das Forum der Herbstsynode der EKD an, so Schneider. Dafür werde die EKD einen Reader einrichten. Wer also von diesem Symposium eindeutige und richtungsweisende Impulse für den weiteren Umgang mit der Orientierungshilfe erwartet hat, dürfte vom Ergebnis eher enttäuscht sein. Schwergewichtige Gründe für die Kritiker, allzu große Hoffnungen darauf zu setzen, dass der Rat der EKD bei seiner nächsten Sitzung im Oktober eine Rücknahme und Überarbeitung des Papiers beschließen könnte, haben die theologischen Experten mit ihren Empfehlungen jedenfalls kaum geliefert.

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Die Vorträge des Symposiums wurden von der EKD dokumentiert (Teil des Readers) und können auf der Internetseite der EKD heruntergeladen werden: → Orientierungshilfe Familie / Symposium


16.09.13 Synode der EKD soll über »Orientierungshilfe: Familie« beschließen MEDRUM
29.09.13 Streit um Familienpapier Frankfurter Rundschau

Leserbriefe

Auf idea.de wurde in einem Artikel hingewiesen, was der Ratsvorsitzende als Defizite der "Orientierungshilfe", die tatsächlich eine Desorientierungshilfe ist, ansieht:

  1. Wir haben Defizite in der Kommunikation, d.h. wir haben die Inhalte der Orientierungshilfe nicht gut genug kommuniziert.
  2. Wir haben unsere Position nicht gut genug formuliert und müssen das deshalb besser tun.

Beides lässt erkennen, dass eine Umkehr im Sinne eines neuen Hörens auf Gottes Wort, die Heilige Schrift und unsern HERRN Jesus Christus hier gar nicht zu erwarten ist.

Die Analyse oben hat darüber hinaus einige der tatsächlichen Defizite der Referate bei dem Symposion in Berlin herausgearbeitet. Mir ist deshalb nicht klar, welches Ziel der Ratsvorsitzende mit seinem Wunsch verfolgt, "weiter im Gespräch zu bleiben", wenn nicht jenes, die mit der "Orientierungshilfe" intendierten gottlosen und unchristlichen Auffassungen in der evangelischen Kirche noch stärker durchzusetzen als es heute schon in etlichen Landeskirchen und der EKD ohnehin schon der Fall ist. Dem muss im Namen unsres HERRN Jesus Christus widerstanden werden. Alles andere wäre lieblos.

Die OH spiegelt Realität in der evagelischen Kirche wieder. Eine Rückname würde vermutlich weitreichende Konsequenzen haben. Nur, dazu braucht die EKD Erneuerung, Erweckung, Umkehr und vor allem die Besinnung auf Gottes Wort: Mt 5,37 Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.