02.11.12
Lutherpreis für Punkband Pussy Riot?
Internationale Konferenz Bekennender Gemeinschaften kritisiert Preisvorschlag: Bei aller Differenzierung dürfe Gotteslästerung und Demütigung russisch-orthodoxer Christen nicht geehrt werden
(MEDRUM) Soll die Punkband Pussy Riot mit dem Lutherpreis der Stadt Wittenberg ausgezeichnet werden? Der Preisvorschlag ist umstritten.
Die Punkband Pussy Riot protestierte gegen das Putin-Regime und wählte dafür einen spektakulären Ort aus: eine russisch-orthodoxe Kirche in Moskau. Es kam zum Eklat. Zwei Mitglieder der Gruppe wurden wegen ihres Protestes zu zwei Jahren Straflager verurteilt. Den Protest der Gruppe finden die Einen preiswürdig, die Anderen lehnen eine Auszeichnung ab. Die Lutherstadt Wittenberg hat entschieden, den Protest mit dem Lutherpreis «Das unerschrockene Wort» auszuzeichnen. Andere, beispielsweise der evangelische Theologe Schorlemmer, haben sich gegen eine Auszeichnung ausgesprochen, weil damit Gotteslästerung geehrt werden würde. Dies sei ein verheerendes Zeichen.
Auch die Internationale Konferenz Bekennender Gemeinschaften (IKBG) hat die Entscheidung der Stadt Wittenberg kritisiert. In einer Erklärung teilt die IKBG mit: "Als die Punkband „Pussy Riot“ im Altarraum der „Christ-Erlöser-Kathedrale“ vor der Ikonenwand mit blasphemischen Texten für ihre politischen Ziele demonstrierte, hat sie die Verletzung und Demütigung russischer Christen bewusst ins Kalkül gezogen. Sie versprach sich von dieser Provokation mehr Aufmerksamkeit. Dabei hat auch für den engagierten Verfechter von Menschenrechten zu gelten, dass Blasphemie und Herabwürdigung von Gläubigen kein Mittel des Protestes sein kann. Ein solcher Protest macht sich anfechtbar und unglaubwürdig."
Zuvor hatte sich auch Margot Käßmann im Uni-Talk bei SWR geäußert (29.10.12). Käßmann meinte, sie wolle sich nicht in eine Wittenberger Auseinandersetzung einmischen. Sie habe aber Verständnis für den Preisvorschlag. Die jungen Frauen hätten Mut bewiesen und auf Fehlentwicklungen in Russland aufmerksam gemacht, insbesondere, dass sich die russisch-orthodoxe Kirche so stark mit dem Staat verbandelt habe, ohne die Freiheitsrechte zu sehen - und dann eine so drakonsiche Bestrafung. Allerdings hätte ihre Protestaktion nicht unbedingt in einer Kirche stattfinden müssen, so Käßmann weiter. Sie könne auch die anderen verstehen, die ihre religiösen Gefühle verletzt sehen und dagegen sind, dass dies in einer Kirche stattfand, das könne sie auch aus eigenem Erleben heraus nachvollziehen. Sie habe auf jeden Fall aber eine große Sympathie mit den jungen Frauen, deren Mut sie bewundere. Letzlich gehe es darum, eine angemessene Entscheidung zu finden. Die Diskussion darüber finde sie im Lutherschen Sinne.
Die IKBG kritisierte die Haltung von Margot Käßmann. Es sei unverständlich, dass die Botschafterin für das Reformationsjubiläum, Margot Käßmann, diese Nominierung begrüßt, den Mut von Pussy Riot würdigt und ihnen Sympathie bekundet. Die vermeintlich enge Verbindung der russisch-orthodoxen Kirche mit der gegenwärtigen Regierung sei für Käßmann ebenso diskussionswürdig wie der sakrale Ort des Protestes der Punkgruppe. Die IKBG hierzu: "Bei aller Differenzierung muss gelten: Keine Auszeichnung und Ehrung für Gotteslästerung und bewusste Demütigung russisch-orthodoxer Christen in Verbindung mit politischem Protest."
Auch aus dem Blickwinkel der Ökumene lehnt die IKBG eine Auszeichnung der Punkband ab und erklärte: "Christen aller Konfessionen sollten, unabhängig politischer Positionierung, bei Gotteslästerung und Demütigung von Christen, die Glaubensgefühle verletzen, in ökumenischem Geist zusammenstehen. Diese Solidarität darf die russisch-orthodoxe Kirche von den anderen Konfessionen erwarten. Ökumene hat hier den Ort der Bewährung, will man nicht bei Sonntagsreden verharren. Mit Luthers unerschrockenem Wort, seinem ernsten Eintreten für die Heiligkeit Gottes und sein Wort, mit der Freiheit in Bindung an Christus hat „Pussy Riot“ nichts zu tun." Margot Käßmann habe als Botschafterin für das Reformationsjubiläum dem Anliegen Luthers und der Reformation nicht entsprochen und der Ökumene einen Bärendienst erwiesen, so die IKBG weiter.