16.05.09
Marburger Gespräche
Die Sorge eines Kirchenrates um die Zukunft von Kindern und Enkeln
(MEDRUM) Sich still zurückzuziehen oder die offene Auseinandersetzung zu suchen? So lautet die Frage, die sich ein Beobachter der Kontroverse um den Marburger Kongreß stellt. Hans Lachenmann gab MEDRUM eine interessante Antwort darauf. Ganz unabhängig von diesem Kongreß plädiert er für eine öffentliche Debatte, die dem ideologischen Totalitarismus der Lesben- und Schwulenverbände entgegentritt.
Von Dietrich Bonhoeffer stammt der Satz: "Tatenloses Abwarten und stumpfes Zuschauen sind keine christlichen Haltungen." Das meint auch Hans Lachenmann, ehemals Kirchenrat der EKD. Die Auseinandersetzung suchen, empfiehlt er, und zwar in Gestalt eines "Marburger Gesprächs" - in der Nachfolge des Marburger Religionsgesprächs 1529 (vor 480 Jahren), damals auf dem Schloss in Gegenwart des Landgrafen Philipp von Hessen. Luther und Zwingli trugen bei diesem Gespräch ihre unterschiedlichen Abendmahlsdeutungen aus.
Lachenmann: "Es war ein hochpolitisches Gespräch, denn es ging um die Frage einer Koalition der beiden Flügel der Reformation (Wittenberg und Zürich), um dem politisch-militärischen Druck Kaiser Karls V. begegnen zu können. Es ging inhaltlich vor allem um die Frage der Gegenwart Christi im Sakrament des Altars, über der die Koalition dann auch geplatzt ist, festgehalten im 14. der 14 Marburger Artikel." Faktisch kamen die beiden Kontrahenten zu keiner Einigung.
Heute ginge es um eine andere, aber nicht minder politische Frage. Wenn die heutige Kontroverse mit den Lesben-und Schwulenverbänden in einer öffentlichen und offenen Auseinandersetzung ausgetragen werden würde, dann sei wohl ebenfalls keine Einigung zu erwarten, meint Lachenmann. Ob sich der LSVD darauf einlassen würde, erscheint ihm zweifelhaft. "Jedoch ein strikte Verweigerung der Gegenseite, sich darauf überhaupt einzulassen, würde in der Öffentlichkeit sichtbar machen, dass es ihnen nicht um die Wahrheit geht, sondern um die Macht, nicht um den Menschen, sondern um egoistische Sonderinteressen einer Gruppe. Und das müsste auch die Parteien und die politisch Verantwortlichen vor die Frage stellen, ob sie sich weiter von der Lobby der Schwulen-und Lesbenverbände instrumentalisieren lassen oder dem - und damit auch dem sich deutlich abzeichnenden ideologischen Totalitarismus - widerstehen" so der Kirchenrat.
Lachenmann könnte sich als Veranstalter die Marburger Universität vorstellen. Die Marburger Universität wäre ein interessante Stätte für ein solches Gespräch. Immerhin erinnert der dort heute hängende Holzschnitt an das historische Vorbild für ein solches Gespräch. Da das Thema auch internationale Bedeutung hat, hält Lachenmann es für denkbar, dass auch internationale Fachleute, beispielsweise ein Vertreter der Narth (National Association for Research and Therapy of Homosexuality) und auch Dr. Robert L. Spitzer teilnehmen könnte ( Spitzer und seine Studienergebnisse gaben den Anstoß dafür, dass Homosexualität 1973 aus dem Katalog psychischer Störungen herausgenommen wurde). Er ist sich klar darüber, dass das alle unendlich viel Mühe kosten würde, die er aber für lohnenswert hält. Eines gibt es für Lachenmann nicht: Nachgeben und den Rückzug antreten. Dafür geht es um zu viel, meint er und erklärt: "Es geht um sehr, sehr viel, vor allem die Zukunft unseres Landes, unserer Kinder und Enkel."
Dass es bei Fragen der Sexualität um ein wichtiges Thema schlechthin geht, hat auch die Sendung im ZDF "Generation Porno" vom 13.04.09 über die Sexualisierung 13- und 14-jähriger Mädchen und Jungen gezeit. Wer den Fernsehbeitrag gesehen hat, kann den Kirchenrat verstehen, wenn er sich Sorgen um Kinder und Enkel macht. Diese Sendung hinterließ bei noch nicht abgestumpften Gemütern einige Schockwellen. Marburger Gespräche dürfte nicht auf Fragen der Homosexualität begrenzt bleiben, sondern müssten das sexuelle Denken in der Gesellschaft ganz grundsätzlich zum Thema machen. Die Revolution der so genannten sexuellen Befreiung, von vielen Feministinnen und den 68ern gefeiert, hat eine triebgesteuerte Generation produziert, die ihrerseits schon ein Folgechaos bei einem großen Teil der jetzt heranwachsenden jungen Generation erzeugt hat: hirnlos, gefühllos, trostlos, hoffnungslos, wie die Sendung zeigte. Die Antwort einer 15-jährigen, die schon nicht mehr genau zu wissen schien, mit vielen Partnern sie schon Geschlechtsverkehr hatte, auf die Frage, wie sie denn darüber dächte, zeigte paradoxer Weise die erschreckende Fragwürdigkeit des Geschehens auf: "Wenn ich das alles noch mal zurückspulen könnte, würde ich es anders machen", meinte die 15-Jährige kritisch.
Weil es um die Zukunft unseres Landes geht, wie Kirchenrat Lachenmann besorgt sagte, darf es keine Tabus bei der Veränderung sexueller Lebensweisen geben, weder bei der Homosexualität noch bei der Heterosexuallität. Der Umgang mit der Sexualität als Ganzes müsste vielmehr zum Thema gemacht werden, wenn das Desaster diagnostiziert und therapiert werden soll. Bernd Siggelkow und Wolfgang Büscher haben mit ihrem Buch "Deutschlands sexuelle Tragödie: Wenn Kinder nicht mehr lernen, was Liebe ist" bereits ein alarmierendes Signal gesetzt, das nicht überhört werden darf. Die Sexualität trifft die menschliche Identitätsentwicklung in ihrem Innersten und die Gesellschaft in ihren Grundfesten. Auch dies ist ein Grund, weshalb Christl Vonholdt und Markus Hoffman auf dem Marburger Kongreß der Psychotherapeuten und Seelsorger ihre Vorträge halten müssen, ob es dem LSVD, den Grünen und dem Marburger Aktionsbündnis nun passt oder nicht.
Das verlangt mehr als tatenloses Abwarten und stumpfes Zuschauen. Nachgeben und den Rückzug antreten, wäre jedenfalls weder eine christliche noch eine verantwortungsbewußte bürgerliche Antwort, so Hans Lachenmann.