Sie gut-heißen, das Gute sehen.
Ein Anstoß von Christoph Kohl
„Das war aber nichts!" „Da hast Du Mist gebaut!" „Schau mal, wie der aussieht!?" Viele Menschen sehen vor allem das Negative. Positives kommt ihnen nicht in den Blick. Und es fällt vielen leichter, über andere schlecht zu reden. Es scheint anstrengend zu sein, jemanden loben, seine guten Seiten zu sehen. Die gibt es zwar, aber sie sind nicht so im Blick und sie kommen selten ins Wort.
Die Mitmenschen und die Welt werden nur einseitig wahrgenommen - wie durch eine Brille, die das Positive zum Teil wegfiltert und alles Negative vergrößert. Schade, denn dann wird alles verzerrt. Wer keinen Blick hat für das Gute und Positive bei den Mitmenschen, der macht sich das Leben unnötig schwer.
Deshalb möchte ich Sie einladen, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Mit den Augen Gottes.
Der erste Schöpfungsbericht der Bibel erzählt die Erschaffung der Welt im Schema von sechs Tagen. Jeden Tag erschafft Gott einen Teil der Welt, und an jedem Abend gipfelt die Erzählung in dem Satz: „Gott sah, dass es gut war." Und am Ende, nach der Erschaffung des Menschen, heißt es: „Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut." (Gen 1, 31) Natürlich war Gott schon klar, dass die Menschen auch böse sein können - das hat sich ja bald gezeigt. Aber das ändert aber nichts an seiner Grundeinstellung: „Gott sah, dass es gut war." Er steht auch dann zu den Menschen, als sie sich von ihm und von dem Guten abwandten.
Und deshalb schenkt er ihnen immer wieder neu seinen Segen. Das lateinische Wort für „segnen" heißt „benedicere", wörtlich übersetzt: „gut-heißen", als gut benennen, „loben". Gott heißt die Menschen gut, er sagt ein bedingungsloses „Ja" zu ihnen, er nimmt sie so an, wie sie sind. Und er sagt ihnen seinen Schutz zu, damit sie im Guten wachsen können.
Ich lade Sie ein, die Menschen so zu sehen, wie Gott sie sieht. Das bedeutet, sie gutzuheißen, sie anzunehmen. Dieser Blick macht scharfsichtig für das Gute in den Menschen und in ihrem Leben. Wer seine Mitmenschen mit dieser Einstellung anschaut und von ihnen redet, der ist für sie eine Wohltat, ja ein Segen.
Dr. Christoph Kohl ist Domkapitular im Dom zu Speyer imf Leiter der Hauptabteilung "Schulen, Hochschulen und Bildung" im Bischöflichen Ordinariat Speyer. Der hier präsentierte Text wurde in der Sendung Anstöße im SWR vorgetragen.
Ein anderer Anstoß von Christoph Kohl -> Auf die Grundhaltung kommt es an