Ein Kommentar von Hans-Joachim Selenz
(MEDRUM) Peine, den 25. Juni 2010 - Christian Wulff fiel - quasi über Nacht - eine neue Rolle zu. Er soll Bundespräsident werden. So wollen es zumindest seine Partei-Freunde in CDU und CSU sowie der Koalitionspartner FDP. Die Personalie wurde akut, als Horst Köhler die Brocken hinwarf. Urplötzlich - Hals über Kopf. Ist Wulff eine gute Wahl? Nach Darstellung einiger Presseorgane ist er angeblich die erklärte Nummer 1. Zumindest für Schwiegermütter. Die wählen indes nicht den Bundespräsidenten.
Ob das Schwiegermüttervotum auch nach Wulffs Scheidung von Erst-Frau Christiane noch gilt, ist zudem durchaus fraglich. Gerade in Fragen von Ehe und Familie haben Schwiegermütter zuweilen eine völlig andere Sicht der Dinge als beispielsweise der flotte CSU-Chef Horst Seehofer.
Was qualifiziert Wulff also über den Schwiegermutter-Faktor hinaus für das Präsidenten-Amt? Welche Ziele hat er? Wie handelt er? Wie ehrlich ist er? Wulff dazu selbst: „Für mich sind Stil und Inhalt der Politik gleichermaßen wichtig. Nicht nur die Inhalte sind wichtig, sondern auch die Form. Da sehe ich einen bedrohlichen Verlust der politischen Kultur. Sie (die Bürger) sehnen sich danach, reinen Wein eingeschenkt zu bekommen. Und sie sehnen sich nach Orientierung, danach, dass Politiker Ihre Entscheidungen gut begründen und sie dann auch durchsetzen.“ Wulff fordert schließlich sogar mehr Ehrlichkeit von den Politikern (WELT-online 12.06.2010).
Im VW-Skandal lässt Wulff diese Orientierung jedoch komplett vermissen. Unmittelbar nachdem er das Protokoll der Vernehmung von Skoda-Vorstand Schuster gelesen hatte, bezeichnete er die Top-Etage von VW öffentlich als Misthaufen. Der umtriebige Dr. Schuster hatte das zwar ein wenig dezenter formuliert, aber Wulffs Interpretation ist nach Lektüre des LKA-Protokolls durchaus nachvollziehbar. Der MP forderte, auszumisten „indem man den Mittellandkanal von oben in das Verwaltungsgebäude einleitet.“ Wulffs Vorbild Herkules hatte eine vergleichbare Reinigungsaktion in den Ställen das Augias in ähnlicher Weise realisiert. Nach seiner Rede vor der IHK versiegte der Heldenmut des MP indes schnell. Was besänftigte Wulffs heiligen Zorn? Waren es die dramatisch steigenden Parteispenden von Porsche - inzwischen VW-Hauptaktionär? Allein Wulffs CDU erhielt im Jahr 2003 30.000 Euro. In 2004 stieg die Spenden-Flut bereits auf 78.500 Euro. Das Jahr 2005 spülte schließlich 265.000 Euro in die CDU-Kasse. In diesem Jahr startete Porsche den Angriff auf VW - und der Misthaufen blieb nahezu unberührt.
Die noch unter Kontrolle des Landes Niedersachsen befindliche Salzgitter AG sponsert die Parteipostille der CDU sogar direkt. Servil und unmittelbar. Im „Magazin für Niedersachsen“ bezahlte die Salzgitter AG jüngst zwei komplette Seiten unter dem durchaus zweideutigen Reklame-Slogan: „Was auch immer Sie vorhaben“. Das Land ist mit 26,48 Prozent mit Abstand größter Aktionär des Stahlkonzerns. Im Aufsichtsrat sitzt der Chef der Staatskanzlei, Dr. Hagebölling. Sein Chef, Landesvater Wulff, steht für diese überaus kreative Parteienfinanzierung.
Auch bezüglich seiner Landesbank, der Nord LB, zeigt Landesvater Wulff Milde. Der Metabox-Skandal harrt weiter seiner Aufklärung. Beim Börsengang der Betrugsfirma beteiligte sich die Nord LB aktiv an den schweren Kursmanipulationen zu Lasten gezielt desinformierter Anleger. Dies wird durch interne Dokumente belegt, die der Staatsanwaltschaft Hannover seit Jahren vorliegen. Unklar ist weiterhin, wer in Niedersachsen an den Kursmanipulationen verdiente.
Bei eigenen Aktivitäten schaut Landesvater Wulff durchaus auf den Euro. Auf einem Flug nach Florida saßen er und seine Familie in der Business-Klasse. Hin und zurück. Bezahlt wurde indes nur Economy. In Florida wohnten die Wulffs in der Villa von Egon „Bubi“ Geerkens. Der liebt goldene Wasserhähne und wurde reich mit Schrott und Edelsteinen. Nachdem der SPIEGEL die Bereicherung im Amt aufgedeckt hatte, regte sich Wulffs Gewissen. Er zahlte 3056 Euro nach. Seine polit-gesteuerten Staatsanwälte fanden diesen offenen Gesetzesbruch völlig in Ordnung.
Bekäme Deutschland mit Wulff mithin einen würde- und charaktervollen Bundespräsidenten? Hören wir, was er selbst dazu verlautbart hat: „Ich (Wulff) sage: Wer einen guten Charakter hat, kann den auch in der Politik behalten; wer vorher keinen hatte, wird ihn in der Politik wohl auch nicht bekommen.“ Warum sollte ausgerechnet Wulff seine eigene Aussage widerlegen?
Copyright Hans Joachim Selenz, 25.06.10
Der Autor dieses Artikels, Prof. Dr. Ing. Hans-Joachim Selenz, ist Wirtschaftsethiker und Mitautor des Buches "Schwarzbuch VW" (erschienen Oktober 2005). Als ehemaliger Spitzenmanager in der Stahlindustrie (ehem. Vorstandsmitglied der Preussag Stahl AG und Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG), der als Vorstandsmitglied der Preussag AG abberufen wurde, weil er sich weigerte, einen unzutreffenden Jahresabschluss zu unterzeichnen, ist Selenz ein engagierter Kämpfer gegen Korruption und Mißstände im Rechtssystem. Sein Anliegen ist es, durch Aufklärung von Mißständen einen Beitrag für einen funktionierenden Rechtsstaat als Grundlage für unsere Demokratie zu leisten. Hans-Joachim Selenz ist 1. Vorsitzender der CLEANSTATE e.V., einer Initiative für Rechtstreue in Politik, Staat und Wirtschaft
Prof. Dr. Selenz im Internet: www.hans-joachim-selenz.de
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Siehe auch Selenz` Kommentar 09. Febrauer 2005: → „Genosse Gabriel" und die Lüge
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Leserbriefe
Christian Wulff for President!! Muss das sein?
Sollte Herr Selenz wirklich diese Überschrift für seinen Kommentar gewählt haben, dann soll er doch in die USA auswandern, dort sprechen und verstehen die Menschen eine solche Sprache: Amerikanisches Englisch! "Denglisch" spricht Herr Selenz anscheinend auch - doch für eine Person mit dem akademischen Titel "Prof. Dr." ist diese Sprache beschämend. Herr Selenz und die Leser seines Kommentares sollten dies einfach mal zur Kenntnis nehmen! Meine Empfehlung für "Denglísch-Liebhaber": www.deutsche-sprachwelt.de "Bush for President" oder "Obama for President" hat rein inhaltlich eine völlige andere Bedeutung allein schon wegen des politischen Amtes. Der Präsident der USA hat bei Leibe keine "Marionettenfigur" wie bei uns in Deutschland. Er übt das politisch höchste Amt der USA aus. Dass sich Herr Köhler von einigen Bundestagabgeordneten nicht verhöhnen lassen wollte, ist ihm deshalb hoch anzurechnen.