HTML clipboard
Selenz` Kommentar 09. Februar 2005
„Genosse Gabriel“ und die Lüge
Der Begriff „Genosse“ stammt aus der Jägersprache. Dazu lesen wir im BLV Jagdbuch Der Jagdgebrauchshund“: „Ich mache alle meine Hunde nach den Aufbrechen (des Wildes) genossen, indem sie von meiner Hand ein Stück Milz oder etwas geronnenen Schweiß (Blut) erhalten“. Der Hund lernt so „sehr oft schon am ersten Stück“, wie lohnend es ist, Beute zu machen. Der Begriff „Genosse“ als Anrede unter SPD-Mitgliedern ist also durchaus zweideutig. Doch muss man - gerechterweise - differenzieren. Es gibt zwar Genossen in der SPD, die nur der Beute wegen in der Partei sind. Andererseits jedoch - und weit überwiegend - Sozialdemokraten mit Visionen, ehrlichen Überzeugungen und Moral. An der Spitze der Partei in Niedersachsen gibt „Genosse Gabriel“ den Ton an. Aus der Diskussion um Nebeneinkünfte der Abgeordneten stammt von ihm der folgende Satz: „Wer die ganze Wahrheit kennt, aber nur die halbe Wahrheit nennt, ist dennoch ein ganzer Lügner.“ Das hört es sich toll an. Und reimt sich sogar in Teilen.
Danach kam freilich nur noch Ungereimtes zu Tage. „Genosse Gabriel“ hatte klammheimlich Beute gemacht. Hinter dem Rücken der Partei hatte er sich seinen Ausstieg aus der Politik finan-zieren lassen. Aus der Konzernkasse der Volkswagen AG. Sozusagen als zweiten Vermögens-Bildungsweg für Parteigenossen. VW wird vom Land Niedersachsen beherrscht. Einige Monate zuvor saß er noch im Aufsichtsrat der Landesfirma. Da brachte er Freundin Ines bei VW unter. Natürlich beim Parteigenossen Peter Hartz in der VW-Personalabteilung. Dass Gabriel dreist und nassforsch ist, war bekannt. Die Begründung für diese „Eselei“ ist allerdings die vorläufige Krönung: „Sie ist nicht eingestellt worden weil, sondern obwohl ich dem Aufsichtsrat angehört habe.“ Im selben Atemzug versteigt er sich zu den Begriffen „Sauerei“ und „Sippenhaft“ für journalistische Fragen zu diesem Genossen-Begünstigungs-Skandal. Ganz nebenbei stellt sich dann auch noch folgendes heraus: Seine Beteiligung an der Tarnfirma CoNeS betrug nicht 25 sondern 75 %. Er war also Hauptgesellschafter! Dreister kann man das Abgeordnetengesetz nicht unterlaufen. Ein klarer Fall für den Staatsanwalt. Und zwar sowohl aus Sicht der VW AG, des Landes Niedersachsen und des Ex-VW-Aufsichtsrates Gabriel (s. u. a. §117 AktG). Außerdem war er an einer Firma seines Freundes Strunz beteiligt. Die trägt den Namen „Strunz & Friends Marketing GbR“. Dass er während seines „Ausstiegs aus der Politik“ bei CoNeS mitgearbeitet hat, gab er auch erst später zu. Als Fraktionsvorsitzender der SPD kassierte er demnach doppelte Abgeordneten-Diäten für halbe Arbeit. VW-Netzwerker „Genosse Gabriel“ in seinem Element. Freund Strunz ist übrigens mittlerweile Manager des VW-Clubs VfL Wolfsburg.
Genossen haben sich den Weltkonzern VW zur Beute gemacht. Dr. Peter Hartz, Mitglied des Vorstandes der Volkswagen AG, tourt als Kanzlerberater durch die Medien und stellt die Freundin des Partei-Genossen und VW-Aufsichtsrates Gabriel ein. Die Rechnungen bezahlen die Mitarbeiter des Konzerns und die Aktionäre der VW AG. Die 100 000 Euro Ausstiegsprämie für den „Genossen Gabriel“ spendiert der Volkswagen-Vorstand obendrein. Gabriels Rückfall in die Politik wird eskortiert von anderen Volks-Wagen-Parlamentariern der SPD. Ihre Haltung ist geprägt von schamlosem Privat-Kapitalismus. Genossen-Vermögens-Bildung á la Gabriel und VW hätte man von einem hochrangigen Mitglied der SPD und von einem Weltkonzern nie erwartet. Einem echten Sozialdemokraten bricht spätestens hier der kalte Schweiß aus. Doch was macht seine Partei? Sie stellt sich demonstrativ hinter den gestrauchelten Genossen. Der Bürger registriert antrainierte Reflexreaktionen. Einstudiert in Rhetorik-Seminaren für den Genossennach-wuchs. Dort lernt man, dass Angriff die beste Verteidigung ist. Die Partei erlebte in ihrer mehr als 100-jährigen Geschichte Zeiten schlimmster Verfolgung. Daraus erwuchs eine Wagenburgmentalität. Der Feind steht immer draußen. In den eigenen Reihen ist er als „Genosse“ getarnt. An seinen eigenen Aussagen gemessen ist „Genosse Gabriel“ ein ganzer Lügner.
Wie weit geht nun die Solidarität der Sozialdemokraten mit dem „Lügner Gabriel“? Wie weit kann sich seine Partei von den eigenen Idealen entfernen, ohne sie zu verraten und ihre Identität zu verlieren?
Peine, den 9. Februar 2005 gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz
www.hans-joachim-selenz.de