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Bundestagskandidatin Döring zeigt (anders als Grüne) Rückgrat in Pädophilie-Debatte


12.08.13

Bundestagskandidatin Döring zeigt (anders als Grüne) Rückgrat in Pädophilie-Debatte

FDP-Politikerin tritt von Bundestagskandidatur zurück - ihren 33 Jahre alten pädophiliefreundlichen Text verurteilt sie heute als "völlig inakzeptel" und "unvorstellbar peinlich"

(MEDRUM) Die Bundestagskandidatin der FDP für den Wahlkreis Wiesbaden, Dagmar Döring, zeigte Rückgrat und zog ihre Kandidatur für die Bundestagswahl 2013 zurück.  Döring distanzierte sich auf bemerkenswert konsequente Weise von einem Text aus dem Jahr 1980, in dem sie als Heranwachsende Forderungen aus der damaligen Pädophilenbewegung unterstützte. Ein großer Fehler, sagt sie heute. Ihr aufsehenerregender Rücktritt setzt Maßstäbe, besonders mit Blick auf die Grünen.

Rücktrittserklärung von Dagmar Döring

Als 19-Jährige hatte Dagmar Döring einen Text verfasst, der 1980 in dem Buch "Pädophilie Heute" veröffentlicht wurde. Ihr damaliger Text wurde jetzt im Rahmen von Recherchen entdeckt, die von der Partei Die Grünen vor einigen Monaten in Auftrag gegeben wurden. Dagmar Döring, die von der FDP in Wiesbaden als Kandidatin für die Bundestagswahl aufgestellt worden war, nahm ihre damalige Haltung jetzt zum Anlass, ihre Kandidatur niederzulegen. Sie erklärte zum Rücktritt von ihrer Kandidatur:

"Hiermit lege ich meine Kandidatur für den Wahlkreis 179 nieder."

Wiesbaden, den 10. August 2013

Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Pädophilievorwürfe gegen die Partei Bündnis 90/Die Grünen durch den Göttinger Prof. Franz Walter ist ein Artikel von mir in einem 1980 erschienenen Buch unter dem Titel "Pädophilie heute" in den Fokus genommen worden, mit dem Prof. Walter mich und die Medien konfrontiert hat. Der zweiseitige Aufsatz ist in Form eines Erfahrungsberichts geschrieben und unterstützt die damalige Forderung einiger Gruppen der sogenannten Pädophiliebewegung nach Legalisierung vermeintlich einvernehmlicher sexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern.

Hierzu stelle ich fest: Meine Sichtweisen und politischen Aktivitäten in entsprechenden Organisationen sind aus heutiger Sicht völlig inakzeptabel und ein großer Fehler gewesen. Ich distanziere mich in aller Deutlichkeit von allen Schriften und politischen Aktionen aus diesem frühen Kapitel meines Lebens und weise darauf hin, dass ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen.

Die damalige Entwicklung, die zu diesen Irrungen und Wirrungen führte, ist mir heute, mehr als 30 Jahre später, gar nicht mehr im Einzelnen nachvollziehbar. Die Ereignisse jener Zeitspanne hatte ich in der Zwischenzeit vollständig verdrängt.

Als verheiratete Frau und Mutter von drei Kindern sind mir meine damaligen unreifen Gedanken heute unvorstellbar peinlich - vor allem vor meiner Familie und vor meinen heutigen Weggefährten.

Parteipolitisch war ich damals nicht aktiv.

Um Schaden von meiner Familie und der FDP abzuwenden, habe ich gestern dem Kreisvorsitzenden der FDP- Wiesbaden, Florian Rentsch, mitgeteilt, dass ich meine Kandidatur für den Wahlkreis 179 zurückziehe.

Der FDP-Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn und der Wiesbadener FDP-Kreisvorsitzende Florian Rentsch erklärten zu Dörings Rücktritt: „Wir nehmen den Verzicht von Dagmar Döring auf ihre Kandidatur zum Deutschen Bundestag als sehr persönliche Entscheidung mit Respekt zur Kenntnis. Sie übernimmt damit Verantwortung." Jörg-Uwe Hahn weiter dazu: "Solche Sachverhalte zeigen, dass junge Menschen leicht zu manipulieren sind. Deshalb sind Strafgesetze zum Schutz von Kindern und Jugendlichen gegenüber Erwachsenen unverzichtbar". Florian Rentsch forderte zudem: „Wir erwarten auch von anderen, dass sie Verantwortung übernehmen, auch wenn Geschehnisse lange zurück liegen mögen."

Grüne messen ihre Parteigenossen an anderen Maßstäben

Im Gegensatz zu Dagmar Döring gibt es jedoch aus den Reihen der Grünen, insbesondere vom Europapolitiker der Grünen, Daniel Cohn-Bendit, keine vergleichbar reumütigen Konsequenzen. Cohn-Bendit, der in der Vergangenheit über seine erotischen Erlebnisse im Umgang mit Kindern schrieb, ließ sich sogar mit dem Theodor-Heuss-Preis auszeichnen und soll laut Heinrich-Böll-Stiftung dafür gesorgt haben, dass Archivmaterial weggeschlossen wurde (MEDRUM berichtete). Auch Volker Beck, unter dessen Namen in den 1980er Jahren bedenkliche Aussagen über strafrechtliche Aspekte der Pädophilie veröffentlicht wurden, zog bis heute keine persönlichen politischen Konsequenzen. Beck dementierte die damals veröffentlichten Aussagen und stellte vielmehr fest, der unter seinem Namen 1988 herausgegebene Text sei verfälscht und von ihm nicht autorisiert worden. Interessant wäre, von Volker Beck, der 1985 Mitglied der Grünen wurde, zu erfahren, welche Aussagen zur Pädophilie er damals tatsächlich gemacht haben will.

Wie groß der Unterschied zwischen den Maßstäben im Vergleich zwischen FDP und den Grünen ist, geht aus dem Lob hervor, mit dem die Parteivorsitzende Claudia Roth den Theodor-Heuss-Preisträger Cohn-Bendit bedachte. Roth hatte zur Auszeichnung des prominenten Grünenpolitikers auf ihrer Facebook-Seite erklärt: "Herzlichen Glückwunsch Dany Cohn-Bendit zum Theodor Heuss Preis! ... Er war und ist dadurch immer wieder, auch für seine eigene Partei, ein Querdenker und im positiven Sinne unbequem. Dany Cohn-Bendit ist ein würdiger Preisträger. Er hat seit seinen revolutionären Tagen auf den Barrikaden in Paris 1968 bis zum heutigen Tag eines nie aufgegeben: An die Utopie zu glauben und für sie zu streiten." Dafür erntete Roth in Facebook umgehend massive Kritik. Julianne Kremer entgegnete ihr: "Frau Roth: Schämen ist für Sie auch nur ein Fremdwort oder? Wie können Sie diesem Pädophilen nur gratulieren. Sich Profilieren ist eine Sache, aber den Anstand bewahren ist was Anderes. Pfui Teufel dass wir so was noch erleben dürfen.... eine Schande!!!!!!"

Eindeutige Beschlüsse der Grünen auf Landes- und Bundesebene

Klar ist auch, dass sich die Grünen im gleichen Jahr, in dem Dagmar Döring ihren Aufsatz schrieb, in ihrem Grundsatzprogramm 1980  für eine "weitgehende Legalisierung sexueller Beziehungen von Erwachsenen mit Kindern und Schutzbefohlenen ausgesprochen" hatten, wie die FAZ in ihrer Ausgabe vom Montag bestätigte. Mehrere Landesverbände der Grünen hatten sich diese Forderung zu eigen gemacht, schreibt die Zeitung weiter. Im BundImageesprogramm 1980 der Grünen (gültig bis 1993) hieß es zur Forderung, die Paragrafen 174 bis 176 des Strafgesetzbuches zu ändern, unmißverständlich, dass "nur Anwendung oder Androhung von Gewalt oder Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses bei sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen sind" (Bild links, Auszug aus Bundesprogramm, S. 39). 

Diese Forderung des Grundsatzprogramms der Grünen geht weit über das hinaus, was Claudia Roth gegenüber der Bild am Sonntag vor einigen Monaten einräumte. Roth hatte dazu gesagt, in den Anfangszeiten der Grünen habe es "Personen und Gruppen gegeben, die versucht haben, die Grünen als Plattform für inakzeptable Positionen zu nutzen". Sie kündigte an, die damit zusammenhängenden Fragen extern untersuchen zu lassen und sich für Fehler der Vergangenheit entschuldigen zu wollen. Roth muss allerdings entgegengehalten werden, dass ihr das damalige Bundesprogramm der Grünen bekannt gewesen sein musste. Immerhin übernahm sie 1985 die Position als Pressesprecherin der Grünen. Auch die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Katja Dörner, und der Grünenpolitiker Beck bekannten sich nicht zur pädophiliefreundlichen Vergangenheit ihrer Partei. Wie die FAZ im Mai berichtete, vertraten beide die nachweislich falsche Behauptung: "Beschlüsse hat es nie gegeben." Schließlich sollte auch der heutige Spitzenkandidat der Grünen, Jürgen Trittin, eindeutig Stellung beziehen, denn er trat bereits 1980 bei den Grünen ein.

Aufklärung und Verantwortung statt Beschwichtigung und Verleugnung

Es kann nicht verwundern, dass der Eindruck enstanden ist, dass die Grünen - statt politische Verantwortung zu übernehmen und in den eigenen Reihen einzufordern - es vorgezogen haben, ihre pädophil beeinflusste Vergangenheit erst einmal wissenschaftlich erforschen zu lassen und sich für Fehler der Vergangenheit (lediglich) zu entschuldigen. So kann bis zum heutigen Zeitpunkt festgehalten werden: Nicht der Rücktritt von Grünen, sondern der Rücktritt der FDP-Politikerin Dagmar Döring ist paradoxerweise die erste, politisch bedeutsame Konsequenz, für Fehler der Vergangenheit auch heute einzustehen. Bei den Grünen mangelt es offenbar an dieser Bereitschaft. Zu dieser Erkenntnis kam auch Alexander Kissler in einem Artikel im CICERO. Niemand habe sich bislang eindeutig zu den Untaten der Vergangenheit bekannt, weder Volker Beck noch Daniel Cohn-Bendit oder Antije Vollmer. Beschwichtigung und Verleugnung gehören zu den Methoden, die die heutige Praxis dominieren, schrieb der Kulturjournalist Kissler. Kissler wies in seinem Artikel besonders auf das Buch "Die missbrauchte Republik - Aufklärung über die Aufklärer", das in MEDRUM vorgestellt und wiederholt empfohlen wurde, als Informationsquelle hin. Bekannt sei dies "beileibe nicht erst seit Mai 2013". Kissler weiter dazu: "Es gab entsprechende zeitgenössische Presseberichte, und es gibt seit 2010 den bei einem Kleinverlag erschienenen Sammelband „Die missbrauchte Republik“. Ein eigenes Kapitel ist den „grünen Vorstellungen zum Sex mit Kindern“ gewidmet."


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Leserbriefe

Hut ab vor Frau Döring. Solche Charkater sind in allen Parteien schwer zu finden. Die Affäre zeigt, wie wichtig der Fokus immer wieder auf unveränderliche Werte gerichtet werden muss, um nicht auf Abwege zu geraten und später vor sich selbst zu erschrecken. Fortschritt, sagte Luther, bedeutet immer wieder von vorne zu beginnen.

An Dagmar Döring sollten sich die Grünen ein Beispiel nehmen. Da sie es jedoch ablehnen, die Konsequenzen zu ziehen, ist zu vermuten, daß es mit ihrer Aufarbeitung nicht weit her ist, sondern es sich lediglich um Augenwischerei handelt.