03.12.09
Wovon könnten die Schweizer genug haben?
Diskussion über Islamisierung und Werte der westlichen Zivilgesellschaft statt Tabuisierung
(MEDRUM) Der türkische Ministerpräsident hat das Referendum gegen den weiteren Bau von Minaretten in der Schweiz als "rassistisch und faschistisch" bezeichnet. Die UNO-Hochkommissarin für Menschrechte, Navi Pillay, hat die Schweizer Bürger als Menschenrechtsverletzer verurteilt. Ein Verbot, Minarette zu bauen, sei diskriminierend, so Pillay. Auch die westlichen Medien haben überwiegend kritisch über das Minarett-Votum berichtet und dementsprechend kommentiert. Dass die Schweizer Bürger sich nicht rassistisch, faschistisch und diskriminierend verhalten haben, versucht Thomas M. Eppinger in seinem Kommentar "Fanal für die Zivilgesellschaft" in der Freien Welt (02.12.09) darzustellen.
Eppinger stellt die Frage, was hinter dem Votum des Schweizer Alpenvolkes stehen könnte. Wovon könnten die Schweizer genug haben, um sich mit deutlicher Mehrheit gegen den Bau weiterer Minarette auszusprechen. Sind die Schweizer tatsächlich intolerant und fremdenfeindlich? Sind sie gegen das Menschenrecht auf Religionsfreiheit? Oder sind die Schweizer ganz einfach nur kleinkariert? Eppinger gibt eine andere Antwort. Er zeigt auf, dass es nicht um ein kleinkariertes Denken über das Bauwerk Minarett oder um eine menschenfeindliche Haltung, sondern um essentielle Werte und Menschenrechte geht, die hinter der Abstimmung der Schweizer stehen. Nach seiner Auffassung brachten die Schweizer jetzt ihren Protest gegen langjährige Entwicklungen zum Ausdruck, deren sie überdrüssig geworden sind. Eppinger zählt auf, wovon nicht nur die Schweizer genug haben könnten:
"Wir haben genug
Vor allem haben wir genug davon, dass man uns ständig einredet, das alles wäre auch noch eine Bereicherung."
Es geht also nicht um die Ablehnung einiger Minarette, folgert Eppinger aus solchem Überdruß: "Die älteste Demokratie Europas hat NEIN zur Islamisierung gesagt, nicht nur zu ein paar Minaretten. Wir sollten das respektieren und zum Anlass für einen Dialog mit dem (und eine Diskussion über den) Islam nehmen, der auch jene Aspekte einschließt, die derzeit verschämt ausgeklammert werden. Dabei geht es nicht um theologische Fragen sondern um die islamische Realität."
Hinter dieser Realität stehen Wertekonflikte und die Frage, wieviel Spannung aus sich widerstreitenden Werten eine Gesellschaft aushalten kann,, und ebenso die Frage, was getan werden kann, um Konflikte zu lösen und Spannungen abzubauen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Wie damit umgegangen werden soll, wird jedoch recht unterschiedlich beantwortet. Die UNO-Hochkommisarin Pillay stellte in Frage, dass es dem Volk überlassen werden könne, über solche Rechte selbst zu entscheiden. Der türkische Ministerpräsident Edogan forderte, die Minarett-Entscheidung müsse korrigiert werden. Der CDU-Politiker Bosbach hingegen erklärte, das Ergebnis der Volksabstimmung sei Ausdruck einer auch in Deutschland weit verbreiteten Angst vor der Islamisierung der Gesellschaft. Diese Sorge müsse man ernst nehmen. Eine Tabuisierung würde den Zulauf für diese Kräfte nur verstärken."
Einerlei, welcher Antwort man auch zuneigt, scheint die Entwicklung, die sich im Schweizer Votum und in den unterschiedlichen Reaktionen widerspiegelt, doch darauf hinzudeuten, dass es auf vielen Ebenen politische Versäumnisse gibt. Ein Volk kann auf die Dauer nicht gegen seinen Willen regiert werden, vor allem dann nicht, wenn ihm Konflikte zugemutet werden, mit denen es nicht dauerhaft leben kann, ohne sich in seinen grundlegenden Bedürfnissen nach Freiheit und Sicherheit existentiell bedroht zu fühlen. Das ist der Stoff, der Konflikte anheizt und ausbrechen lässt. Das Schweizer Votum könnte als heilsames Warnsignal verstanden werden.
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