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Margot Käßmann: 9. November sollte nationaler Feiertag werden.


08.11.09

Margot Käßmann: 9. November sollte nationaler Feiertag werden.

(MEDRUM) Der 9. November ist ein geschichtsträchtiges Datum. Die Ratsvorsitzende der EKD hat deshalb jetzt vorgeschlagen, diesen Tag zu einem nationalen Feiertag zu machen.

In einer Erklärung zum 20. Jahrestag des Mauerfalls meinte die Ratsvorsitzende der EKD, der 9. November verbinde Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte. Käßmann wörtlich: "Der 9. November sollte zentraler Feiertag sein, weil er die Höhen und die Tiefen unserer Geschichte verbindet, weil er Mahnung und Ermutigung zugleich ist."

Die vollständige Erklärung -> Margot Käßmann zum 20. Jahrestag des Mauerfalls

Historische Ereignisse am 9. November:

  • 1918: Ausrufung der »Deutschen Republik« durch Philipp Scheidemann auf dem Balkon des Berliner Reichstages
  • 1923: Scheitern des Putschversuchs von Adolf Hitler mit dem Marsch zur Feldherrenhalle in München
  • 1938: Reichspogromnacht mit Zerstörung von Synagogen durch die Nationalsozialisten
  • 1989: Fall der Mauer durch friedlichen Massenprotest der Bürger der DDR zum demokratischen Aufbruch für Europa

Die Idee, den 9. November zu einem Feier- und Gedenktag zu machen, wurde bereits im letzten Jahr von der Initiative Segen für Deutschland ins Leben gerufen. Eine Petition an den Deutschen Bundestag wurde zunächst mit der Antwort bedacht, Feiertage seien Ländersache. Die Initiative wandte sich auch in einem Brief an den damaligen Ratsvorsitzenden der EKD, Landesbischof Huber (-> Offener Brief).

Leserbriefe

Mit der Anregung "Der 9. November sollte zentraler Feiertag sein, weil er die Höhen und die Tiefen unserer Geschichte verbindet, weil er Mahnung und Ermutigung zugleich ist." spricht mir Margot Käßmann aus tiefster Seele. Auch 19 Jahre nach dem ersten Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 kann ich so recht mit diesem Datum nichts verbinden. Es hat seine Berechtigung in der Geschichte Deutschland, setzt für mich aber mehr einen Schlussstrich unter das Kapitel DDR. Dagegen stellt der 9. November 1989 für mich einen fulminanten Höhepunkt dessen dar, was Menschen zunächst in Polen, der CSSR und Ungarn und schließlich in der DDR bewirken konnten, und das allein mit ihrem Mut, ihrer Entschlossenheit und ihrem Willen zum Frieden. So empfinde ich diesen Tag auch als symbolischen Gedenktag für ein friedliches Europa, in dem Grenzen verschwinden und Gemeinsamkeiten meinen persönlichen Horizont erweitert haben. Ich habe Ostern 1988 im Rahmen einer Schulfahrt Warschau, Minsk, Smolensk, Moskau, Novgorod und Leningrad besuchen können und habe als Westtourist erfahren, wie beängstigend die Grenzkontrollen an der innerdeutschen Grenze waren. Im Herbst 1988 bin ich ebenfalls mit der Schule nach Berlin gefahren, habe die Mauer gesehen, den Saal der Tränen am Grenzübergang Friedrichstraße passiert und bin an den gespenstisch leeren U-Bahnhöfen wie "Unter den Linden" vorbei gefahren. Zu dieser Zeit konnte ich mir nicht vorstellen, was ein Jahr später wie Wunder erscheint. Seit dem hatte ich Gelegenheit, nach Polen, Litauen und in die Tschechische Republik zu reisen. In Potsdam, Wismar, Rostock, Leipzig, Dresden, das Gartenreich von Wörlitz und natürlich "Ost"Berlin habe ich wundervolle Tage und Wochen verbracht. All das ist erst mit dem 9. November 1989 möglich geworden. Eine wirklich europäische Dimension, der da am 9. November 2009 in vielen Teilen Europas und der Welt gedacht wurde. Dabei darf der 9. November 1938 als Reichspogromnacht nicht vergessen werden. In allen Ländern Ost-Europas bin ich auf Gedenkstätten für die Opfer des Nazi-Terrors gestoßen. Doch nie bin ich als Enkel aus dem Tätervolk angegriffen worden, überall fühlte ich mich willkommen geheißen. So ist der 9. November für mich gleichsam ein Tag des Gedenkens an die Grausamkeiten des Dritten Reichs und ein Tag der Versöhnung und des Aufeinanderzugehens. Als letztes steht der 9. November 1918 mit der zweifachen Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht für mich am Beginn einer demokratischen Republik in Deutschland, die in ihrer zweifachen Ausrufung fast prophetisch auch die Zeit der Zweiteilung Deutschlands vorweg nimmt. Der 9. November ist und bleibt für mich der Schicksalstag der Deutschen. Mit seinen so unterschiedlichen Ereignissen im Verlauf des 20ten Jahrhunderts symbolisiert er für mich wie kein anderer Tag die Höhen und Tiefen, die Stärken und Abgründe unseres Landes mit all seinen Brüchen. Ein solcher zentraler Gedenktag steht Deutschland mit seiner Geschichte gut zu Gesicht, wenn er in der Freude über den Fall der Mauer die Verantwortung für die Shoa und die Erinnerung an die ersten Versuche einer Demokratie in Deutschland miteinbezieht.