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Jugendschutz mit Rechten Homosexueller unvereinbar?


18.09.09

Jugendschutz mit Rechten Homosexueller unvereinbar?

Europaparlamentarier verurteilen Jugendschutzmaßnahmen des Parlamentes von Litauen als homophob

(MEDRUM) Das Europaparlament hat am gestrigen Donnerstag eine Resolution verabschiedet, in der die gesetzgeberischen Maßnahmen des litauischen Parlamentes zur Verbesserung des Jugendschutzes verurteilt werden. Sie seien nicht mit Grundrechten und den Rechten der Homosexuellen vereinbar.

Im Juli hatte das Parlament von Litauen beschlossen, die Jugend besser vor Brutalisierung und sexueller Verwahrlosung zu schützen.  Die neuen Regelungen zum Jugendschutz sollen es künftig in dem baltischen Staat untersagen, Bilder von Geschlechtsverkehr, Tod und schweren Verletzungen öffentlich darzustellen. Untersagt werden soll ebenso, für gleichgeschlechtliche Beziehungen zu werben und öffentlich zu "homosexuellen, bisexuellen und polygamen Beziehungen" aufzurufen.

Gleichgeschlechtliche Sexualität ist öffentlich zu fördern

Diesen Beschluß des litauischen Parlamentes haben die Europaabgeordneten in ihrer Resolution mehrheitlich verurteilt. Der litauische Parlamentsbeschluß diskriminiere Homosexuelle. Die Europaabgeordnete der Grünen, Ulrike Lunacek, wertete die Resolution des Europäischen Parlamentes gegen Litauen als eine Verteidigung von Grundrechten. Das Verbot der Werbung für gleichgeschlechtliche Sexualität verurteilte sie als Gesetzgebung, die Homo- und Bisexuelle diskriminiere. Auf Anfrage der Grünen sprachen sich sowohl Ratspräsidentin Cecilia Malmström, die schwedische Europaministerin, als auch Vizekommissionspräsident Jacques Barrot gegen die geplanten Maßnahmen zu Verbesserung des Jugendschutzgesetzes in Litauen aus: Sie seien ein Verstoß gegen europäische Werte, unter anderem gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Zum Kernpunkt ihres Einspruchs gegen das litauische Verbot öffentlicher sexueller Werbung stellten die Europaparlamentarier fest, die sexuelle Orientierung sei ein Recht, das durch internationale, europäische und nationale Menschenrechtsgesetze garantiert sei. Ihre Gleichheit und die Nichtdiskriminierung müsse durch die öffentlichen Instanzen gefördert werden. Ihre öffentliche Bekundung durch die Medien, durch Nichtregierungsorganisationen und durch Individuen müsse garantiert werden.

Litauens Gesetz ist zu ändern

In ihrer Resolution bekräftigten die Parlamentarier die Bedeutung für die Europäische Union, besonders die Diskriminierung sexueller Orientierungen zu bekämpfen, und stellten fest, der Gesetzesbeschluß des litauischen Parlamentes gegen die Gefährdung der Jugend müsse geändert werden. Die EU-Parlamentarier beziehen sich dabei auf die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes, auf Artikel 6 und Artikel 13 des EU-Vertrages sowie auf die Charter der EU über Grundrechte. Zugleich beauftragten die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes die „Agentur für Grundrechte", zum Gesetz des litauischen Parlamentes und gesetzlichen Änderungen im Licht der EU-Verträge und des EU-Rechtes Stellung zu nehmen.

Die Resolution zur Verurteilung des Litauischen Gesetzes wurde mit 349 JA-Stimmen aus den Fraktionen der Sozialisten, Kommunisten, Grünen und Liberalen gegen 218 Stimmen aus den Fraktionen der Christdemokraten und Konservativen angenommen.

Der CSU-Europaabgeordnete Bernd Posselt hat die Liberale Fraktion im Europäischen Parlament als "ideologische Steigbügelhalter der Linken" kritisiert. Posselt betonte im Straßburger Plenum, daß er ein begeisterter Europäer und Vorkämpfer für die Menschenrechte sei. Diese Entschließung schade aber Europa, weil sie sich unangemessen in die litauische Innenpolitik einmische. Sie mißbrauche das Thema Menschenrechte: "Wenn das litauische Gesetz überhaupt etwas mit Menschenrechten zu tun hat, so deshalb, weil es die Menschenrechte litauischer Kinder schützt."

Supranationale Entscheidung über Jugendschutz und Kultur einer Nation

An diesem Streitfall wird der Kompetenzkonflikt zwischen EU-Parlament und nationalen Parlamenten deutlich, auf den das Bundesverfassungsgericht in seiner Stellungnahme vom 30.06.09 zum Lissabonner Vertrag einging. Es hatte eine weitgehende Abgabe von Kompetenzen als nicht verfassungskonform erklärt und deshalb die Stärkung der Mitsprache des Bundestags in den Begleitgesetzen gefordert. Sofern in besonders demokratiebedeutsamen Sachbereichen eine Übertragung von Hoheitsrechten überhaupt erlaubt ist, hielt das Bundesverfassungsgericht eine enge Auslegung des Vertrages für geboten. Zu diesen Sachbereichen zählte es - neben anderen - insbesondere kulturell bedeutsame Entscheidungen wie Erziehung und Bildung oder auch den Umgang mit Religionsgemeinschaften. Das Verfassungsgericht hatte mit seinem Urteil der Abgabe von Souveränitätsrechten enge Grenzen gesetzt und erklärt, ein Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu einem Bundesstaat EU sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Verfassungsidentität und die Grundordnung der Deutschen müsse erhalten bleiben.

Aus diesen Erwägungen heraus hatte das Bundesverfassungsgericht die Ratifizierung  des Lissabonner Vertrages nur dann für verfassungsgemäß erklärt, wenn die notwendigen Beteiligungsrechte der deutschen Parlamente vorher im Begleitgesetz ausgestaltet werden. Der Staatsrechtler Murswiek hatte zudem gefordert, die deutsche Ratifizierung des Lissabonner Vertrags mit einer Vorbehaltserklärung zu versehen. Er hielt dies für notwendig, um vorausschauend einen Konflikt zu vermeiden, der sich zwischen völkerrechtlicher Auslegung des Lissabonner Vertrages durch den Europäischen Gerichtshof und der verfassungsrechtlichen Bindung deutscher Verfassungsorgane an das Grundgesetz ergeben könnte. In Konfliktfällen könnten Deutschland sonst eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof und hohe Strafen durch die EU-Instanzen drohen. In der Sachverständigenanhörung des Bundestages bildete sich hierzu jedoch keine einheitliche Meinung heraus. Nach der Verabschiedung der überarbeiteten Begleitgesetze im Bundestag vom 8. September ist damit zu rechnen, dass heute auch der Bundesrat seine Zustimmung erteilt und damit der Lissabonner Vertrag noch im September durch Deutschland ratifiziert wird.

Im Fall Litauens zeigt sich, dass die EU-Parlamentarier in die souveräne Entscheidung des Baltischen Staates auf dem Gebiet des Jugendschutzes und der Erziehung und Bildung der Jugend eingreifen wollen. Die Parlamentarier der EU nehmen für sich das Recht in Anspruch Litauen vorzuschreiben, welche Maßnahmen das litauische Parlament zum Jugendschutz treffen darf und welche zu unterbleiben haben. Dadurch würden die Rechte Litauens in einer kulturell und gesellschaftspolitisch bedeutsamen Frage beschränkt werden. Denn nicht das litauische, sondern das Europäische Parlament entscheidet damit, welche sexuellen Darstellungen und Werbungen in der litauischen Öffentlichkeit erlaubt oder verboten sind. Das Parlament Litauens wird damit zu einem Organ, das nicht berechtigt ist, über die Erziehung und Bildung seiner Jugend in eigener Verantwortung selbst zu bestimmen. Das Recht einer Nation auf eigene kulturelle Vorstellungen fällt so einer europäischen Gleichschaltung politischer Anschauungen und supranationalen Integration zum Opfer.


http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=MOTION&reference=P7-R...


Leserbriefe

Wesensnotwendiger Bestandteil ist die Gewalt, Gesetze zu verabschieden. Voraussetzung in den Prozessen der EU ist aber, dass man dafür nicht vom Volk demokratisch gewählt wurde.

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