22.04.21
Die Weichen sind gestellt: Laschet gegen Baerbock
Blitzabsturz der Union um 7 Prozentpunkte und Höhenflug der Grünen bei Forsaumfrage
von Kurt J. Heinz
(MEDRUM) Er gratulierte Annalena Baerbock zur Spitzenkandidatur und versprach ihr einen fairen, frischen, und vielleicht auch manchmal fröhlichen Wahlkampf. So äußerte sich Armin Laschet kurz nach der Bekanntgabe der Kanzlerkandidatur von Baerbock am Montagnachmittag, noch bevor der CDU-Parteivorstand am Montagabend zum zweiten Mal über die Kanzlerkandidatur beraten hatte und in der Union eine Entscheidung gefällt war. Doch ein Tag später war mit dem Rückzug von Markus Söder klar, dass nicht er, sondern Armin Laschet gegen Annalena Baerbock um das Kanzleramt kämpfen wird. Damit sind die personellen Weichen für die politische Auseinandersetzung in den nächsten Monaten gestellt.
Laschet zu Söder: 39 zu 9 für Laschet bei 6 Enthaltungen
Mit einer Zustimmung von 39 Vorstandsmitgliedern bei 9 Gegenstimmen und 6 Enthaltungen endete in der Nacht vom Montag auf Dienstag die zweite, mehrstündige Sitzung des Bundesvorstandes der CDU Deutschlands zur Frage, mit welchem Kanzlerkandidaten die CDU und CSU bei der Bundestagswahl im September dieses Jahres antreten sollen. Am Dienstagmittag erklärte dann Markus Söder mit den Worten "Die Würfel sind gefallen" seine Bereitschaft, Armin Laschet den Vortritt zu lassen. Damit war die zuvor über mehr als eine Woche schlingernde Debatte um die Auswahl des Kanzlerkandidaten in den Reihen der beiden Unionsparteien beendet. Es bedurfte also keines Machtwortes der Bundeskanzlerin, das Michael Theurer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP, noch wenige Tage zuvor im SPIEGEL eingefordert hatte.
Führungsversagen beim Luxusproblem
Der Ausgang des Rennens und die Perspektiven standen zunächst noch nicht im Zentrum der Kommentare in den Medien. Die Reaktionen wurden mehr vom Verfahren selbst dominiert. Die Journalistin Eva Quadbeck (Redaktionsnetzwerk Deutschland) nannte es in der PHOENIX-Runde Führungsversagen, dass CDU und CSU ohne klare Regeln versuchten, ihren gemeinsamen Kanzlerkandidaten zu finden. Auch Ralph Brinkhaus, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion räumte ein, das als Konsequenz aus der Debatte um die Kanzlerkandidatur CDU und CSU für die Zukunft ein klares Verfahren für diese Entscheidung festlegen müssten. Klar ist also: Es fehlte offenbar beiden Vorsitzenden an der Fähigkeit zu vorausschauendem Denken und Handeln, eine Fähigkeit, über die ein Bundeskanzler unbedingt verfügen muss, wenn er Schaden vom deutschen Volk abwenden will, wozu er kraft Amtes verpflichtet ist, wie die Bundeskanzlerin kürzlich im Gespräch mit Anne Will mit Blick auf die Pandemie verdeutlichte. Was manche Unionsvertreter als Luxusproblem darstellten, war in den Augen zahlreicher Medienvertreter jedoch weniger ein Luxusproblem als eine Machtprobe zwischen Armin Laschet und Markus Söder, bei der beide beschädigt wurden. Das Versagen machte aus dem Kandidatenüberfluss also Kandidatenauswahlverdruss.
Erpressung oder Macht - Laschet laut ZDF: "Mit Söder verliert die Union die Wahl"
Im ZDF-heute-journal vom 20.04.2021 meinte Claus Kleber am Dienstagabend, es sei vollbracht, aber prachtvoll sei es nicht gelaufen. Der Sprecher des Beitrags dazu: "Vor zehn Tagen liefert Markus Söder seine größte Fehleinschätzung." Erinnert wird dann an die Äußerung von Söder zu Beginn des zehntägigen Wettstreits, der sagte: "Wir beide schätzen und durchschauen uns. Ich glaub', so kann man es auch sagen." Daran knüpft der Sprecher an und stellt fest: "Doch Armin Laschet ist nicht der nette Onkel, den man einfach ausrechnen kann." Das sei etwas, was Söder bitter habe lernen müssen. Dann folgt die Feststellung: "Als am vergangenen Sonntag sich die Spitze der Union im Reichstag zur finalen Verhandlung trifft, sagt Armin Laschet zu Söder, dass man mit ihm, dem Bayer [sic], die Wahl verlieren werde. Die CDU sei nicht bereit, ihn zu unterstützen, egal was etwa die Fraktion denke oder tue. So erzählen es Insider. Bleibt nur der Rückzug." Laschet hat offenbar massiven Druck entfaltet, den Mitwerber dabei nicht geschont und letztlich seinen Kopf gegen nicht unerhebliche Widerstände durchgesetzt. Was im normalen Leben Erpressung sei, in der Politik sei es einfach Macht, so das heute-journal.
Blitzabsturz der Union - Baerbock im Höhenflug
Die Kandidatenkür bei den Grünen und der Union hat offenbar einen nachhaltigen Eindruck auf die Wählerschaft gemacht. In einer Trendumfrage des Meinungsforschungsinstitutes Forsa im Auftrag des Privatsenders RTL/ntv kommt die Union lediglich noch auf 21 Prozent Zustimmung, während die Grünen auf 28 Prozent empor geschnellt sind. RTL überschreibt dieses Resultat mit den Worten: "Nach Laschet-Entscheidung: Höhenflug für Baerbock - die Union stürzt ab".
Bis zum Wahltag werden noch fünf Monate vergehen. Es dürfte jedem aufmerksamen Beobachter klar sein, dass eine solche Momentaufnahme bis zum Wahltag längst überholt und vielleicht sogar ins Gegenteil verkehrt sein kann. Andrerseits macht das Befragungsergebnis deutlich, dass die Startbedingungen für Baerbock deutlich günstiger sind als für Laschet. Denn die politische Stimmung hat sich innerhalb einer Woche stark zu Gunsten der Grünen gedreht.
Vorteil Baerbock!
Was Rückenwind für die Kandidatin der Grünen bedeutet und beflügeln kann, ist Gegenwind für den Kandidaten der Union, der erst einmal überwunden werden muss. Der dafür einzusetzende Kraftaufwand addiert sich zu dem Aufwand, den die Kontrahenten brauchen, um die eigene Basis zu mobilisieren. Auch auf diesem Gebiet kommt auf Baerbock - unterstützt von Robert Habeck - die einfachere Aufgabe zu. Während bei den Grünen alles dafür spricht, dass die Basis einhellig hinter der Kandidatenentscheidung steht, wurde bei der CDU überdeutlich, dass große Teile der Basis nicht hinter dem Votum des Vorstandes stehen. So hatten sich, wie der SWR berichtete, in Rheinland-Pfalz die Teilnehmer einer Landesvorstandssitzung mit den Kreisvorsitzenden nahezu einhellig für Söder ausgesprochen und damit ihre Landesvorsitzende Julia Klöckner, die sich für Laschet ausgesprochen hatte, in Bedrängnis gebracht. Kennzeichnend ist, was BILD heute schreibt: "durch die CDU donnert ein Wut- und Frust-Orkan!" Für Laschet und Söder dürfte es also schwieriger sein, die Basis in der Union zu motivieren und mobilisieren, denn dort gibt es nicht wenig Enttäuschte.
Hinzu kommt, dass beide Parteivorsitzende als Ministerpräsidenten Tag für Tag noch einige Zeit durch die Bekämpfung der Pandemie gefordert sind und sie schließlich auch noch die Aufgabe schultern müssen, ein gemeinsames Wahlprogramm auf die Beine zu stellen, was die Grünen bereits hinter sich haben. Alles in allem scheint daher der Schluß durchaus zulässig, dass es für Armin Laschet schwer werden dürfte, die Stellung der Union als stärkste politische Kraft im Bund zu verteidigen. Er muss nicht nur große Teile der eigenen Basis hinter sich scharen, sondern muss auch noch einen großen Teil der Bürger davon überzeugen, dass er der beste Kanzlerkandidat ist. Bei dieser Fragestellung liegt er mit 15 Prozent Zustimmung gleichauf mit Olaf Scholz von der SPD, wird aber um Längen von Annalena Baerbock geschlagen. Wenn die Deutschen den Kanzler direkt wählen könnten, würden sich nach der aktuellen Forsa-Umfrage jedenfalls mit 32 Prozent weitaus mehr Bürger für Baerbock entscheiden. Daher spricht RTL zu Recht von einem Höhenflug von Baerbock.
Vorteil Laschet?
Nicht vorteilhaft für Baerbock und vor allem für das Land ist es, dass die Grünenpolitikerin noch nie irgendein staatliches Amt in der Exekutive wahrgenommen hat. Sie repräsentiert eine große Gruppe von Politikerinnen und Politikern, die vom Studentenleben über den Parteieintritt und einen Parteiaufstieg in Parteifunktionen dann über Parteilisten auf einem Abgeordnetenmandat gelandet sind. Für das höchste Regierungsamt eines so bedeutenden Landes wie Deutschland in der Mitte Europas ist dies ganz sicher nicht vorteilhaft, in einem Krisenfall vielleicht sogar gefährlich. Wenn Baerbock Bundeskanzlerin werden würde, wäre das beinahe etwa so, wie wenn eine 16-jährige bei einem Autorennen an den Start gehen wollte, die zuvor noch nie in einem Auto gesessen, geschweige denn eine Fahrschule besucht hätte.
Doch die fehlende Erfahrung und so wichtige, aber ebenso fehlende Bewährung im Amt scheint weder die Kandidatin noch die Befragten bei ihrem Votum für Baerbock bekümmert zu haben. Im Gegensatz dazu hat Laschet etliche Jahre Erfahrung in Staatsämtern in NRW sowohl als Minister in der Regierung unter Rüttgers wie als Ministerpräsident aufzuweisen. Ihm dürfte es eigentlich nicht an Demut vor dem Amt als Bundeskanzler fehlen. Es wird spannend sein zu beobachten, ob Laschet diesen Vorteil in die Waagschale werfen, beim Rennen um die Kanzlerschaft aufholen und am Ende als Erster durch die Ziellinie gehen kann. Das Bemühen um Fairness, Frische und rheinische Fröhlichkeit wird für diesen Kraftakt klarer Weise nicht ausreichen. Jetzt muss Laschet auch liefern, sonst ist die Union geliefert - hoffentlich nicht auch dieses Land.
https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/heute-journal-vom-21-04-202...
Copyright www.medrum.de
Bleiben Sie mit unserem Newsletter auf dem Laufenden!
Leserbriefe
Laschet gegen Baerbock
Laschet oder Söder, das nimmt sich nicht viel. Laschet wird in den Umfragewerten steigen auf Söder-Niveau. Wer mir viel mehr zu denken gibt, ist die Kanzlerkandidatin Baerbock für die Grünen. Der Treppenwitz des Jahres. Man stelle sich einmal eine Kanzlerin Baerbock in harten Verhandlungen mit Putin vor, oder dem Chinesen, oder Biden, oder Erdogan. Man wird sie gar nicht ernst nehmen, sagen: Da kommt der deutsche Kindergarten. Würde es wirklich so weit kommen, sage ich: Deutsche Politik, Du warst einmal...
Die Wahl der Unwählbaren
Deutschland wird die Wahl zwischen einem rot/grünen Sozialismus und einer braun/schwarzen Hegemonie haben. Zumindest scheint die Gefahr einer Fortsetzung der "großen Koalition", gleich einem politischen Tiefschlaf, nicht mehr gegeben zu sein.
Optionen bei der Wahl
Also eine braun/schwarze Option für nach der Wahl sehe ich nun überhaupt nicht. Mit der AfD will doch niemand. Frage: War die große Koalition so schlecht? Das sehe ich nun wirklich nicht. Aber nach jetzigem Stand würde es ja dazu gar nicht reichen. Was evtl. reichen würde, wäre "die Deutschlandflagge", also Schwarz-Rot-Gold (gelb). Union, SPD und FDP. Das wäre um Welten besser als ein Linksbündnis oder Schwarz-Grün. Seien wir ehrlich: Union und Grüne passen doch gar nicht zusammen, rein inhaltlich ein "No go". Man sollte, um einer Selbstverleugnung nicht zu erliegen, generell nicht alles möglich machen, was rechnerisch möglich ist. Das ist übrigens auch der Punkt, warum viele gar nicht mehr wählen gehen. Weil man in diesen Zeiten überhaupt vor der Wahl nicht mehr weiß, wer evtl. mit wem und warum koaliert. Mir ist das nicht egal, absolut nicht. Ich möchte da von Anfang an Klarheit haben.