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Offener Brief von Pfarrerin Astrid Eichler

4. November 2013

Offener Brief von Pfarrerin Astrid Eichler

an die Mitglieder der Kirchenleitung
der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz (EKBO)

Funktioniert die EKBO wirklich wie das DDR-System?

Sehr geehrte Damen und Herren in der Kirchenleitung,

das hätte ich nicht für möglich gehalten, aber es ist offensichtlich wirklich so. Zu sehr ähneln sich die
Erfahrungen, die ich und viele andere in der DDR machten, mit dem, was ich in den vergangenen
zwei Jahren in meiner Landeskirche erlebt habe.

Immer noch hatte ich die Hoffnung, dass Gespräch möglich wird. Jetzt bleibt nur diese Möglichkeit
der Kommunikation.

„Ich mache mir Sorgen um unsere Kirche“. Dieser Satz wurde mir zum Verhängnis. „Sie sagen, wir
sind blöd“ wurde mir von einer Oberkonsistorialrätin entgegen geschleudert. Solches hatte ich bis zu
diesem Moment nicht gedacht.

„Ich mache mir Sorgen um die DDR“ – das war einer der Sätze, durch den man zum Staatsfeind
werden konnte. Denn die Sorge um die DDR oblag einzig den Genossen. Kann es wirklich sein, dass es
mir nicht erlaubt ist, mir Sorgen um meine Kirche zu machen? Ich mache mir große Sorgen, fast zwei
Jahre nach diesem Gespräch noch viel mehr.

Im Februar 2012 erhielt ich einen Brief aus dem Konsistorium, in dem mir mitgeteilt wurde: „... es
besteht zwischen den hauptamtlichen und beauftragten Seelsorgern und Ihnen …eine ….
grundlegende theologische Differenz...“

Die Rückfrage bei meinen ehemaligen Kollegen, worin diese Differenz bestehe und wie wir damit
umgehen könnten, blieb ohne Antwort.

Noch dachte ich, in einer pluralistischen Kirche könnten theologische Differenzen im Gespräch
bewegt werden und hätten auch verschiedene theologische Überzeugungen Platz.
Die Bitte um ein Gespräch, die ich dann an die Absenderin des Briefes richtete, wurde abgelehnt.
Leider scheiterte auch ein Versuch, mit dem Bischof darüber zu sprechen. Mehrmals und an
verschiedenen Stellen signalisierte ich, dass ich dringend darauf warte, dass jemand mit mir über
diese „tiefgreifende theologische Differenz“ spricht.

Sollte es wirklich so sein, dass alles, was in unserer Kirche geschieht „auf der Linie der EKBO“ sein
muss, wie ich es auch in einem Gespräch im Konsistorium bei anderem Anlass hörte?
Eine „Linie der EKBO“ – und wer davon abweicht, wird ausgegrenzt, zum Feindbild gemacht und kann
ja „die Entlassung beantragen“.

Als ich diese Formulierung in einem Brief aus dem Konsistorium las, wurde mir kalt, wusste ich doch,
dass so etwas auch in der Behörde der DDR gesagt wurde: „Sie können die Entlassung aus der
Staatsbürgerschaft der DDR beantragen.“

In meinem momentanen Dienst, zu dem ich freigestellt bin, ohne Bezüge (also wirklich nicht auf
Kosten der EKBO!), komme ich viel herum. Und wenn das Gespräch auf Landeskirche kommt, weit
über die EKBO hinaus, macht sich eine hoffnungslose Stimmung breit: „Es hat keinen Zweck… Die
sitzen alles aus... Ich warte auch schon seit Jahren auf ein Gespräch… Da bewegt sich nichts.“ Da gibt
es sogar Hausverbote und da ist die Rede von einem „Index“ auf dem bestimmte Personen stehen.
Erinnerungen an den Sommer 1989 in der DDR. Da hatte ich es auch gesagt: „Es hat keinen
Zweck…Da bewegt sich nichts. Da können wir nichts machen.“
Wirklich nicht?

Ich kann und ich will es noch nicht glauben, dass wirklich nichts geht, dass unsere und andere
Landeskirchen Systeme sind, die wie die DDR funktionieren, dass Menschen, die anders denken als es
der „Linie“ entspricht, keinen Platz haben, ausgegrenzt werden und dann ihre Entlassung beantragen
können.

Ich habe das inzwischen getan. Aber ich will nicht lautlos verschwinden, weil es der einfachere Weg
wäre.

Vier Wochen nach dem Antrag auf Entlassung erhielt ich ein förmliches Schreiben und die
Entlassungsurkunde. Es wird mir mitgeteilt: „Nach der Entlassung besteht kein Anspruch auf
Besoldung, Versorgung und sonstige Leistungen… Mit der Entlassung aus dem Dienst verlieren Sie
gemäß § 100 i.V.m. § 5 Abs.1 Nr.6 PfDG.EKD Auftrag und Recht zur öffentlichen Wortverkündigung
und Sakramentsverwaltung… Die Ordinationsurkunde ist zurückzugeben…“.

So soll ich mich auch nicht mehr ehrenamtlich als Ordinierte engagieren.
Als solcher wurde mir seinerzeit das ehrenamtliche Engagement im Gefängnis untersagt.
Das ist ein anderes Thema – gehört aber hinein in den kommunikationsfreien Raum, als den ich
meine Landeskirche erlebe.

Allerdings, den Auftrag und das Recht, das Wort Gottes öffentlich zu verkündigen und die
Sakramente zu verwalten – dieser Auftrag steht nicht in der Macht meiner Landeskirche und diesen
Auftrag werde ich auch weiterhin ausführen.

Ich mache mir Sorgen um unsere Kirche!

Es gibt so viele unbesetzte Stellen. Es fehlt an Geld, an Mitarbeitenden und an Menschen, die sich mit
Überzeugung engagieren.

Es werden Überzeugungen absolut gesetzt und Kommunikation verweigert. Es werden ideologische
Ziele verkündet und nachträglich theologische Begründungen dafür gesucht.

Daran ist die DDR zugrunde gegangen, dass sie nur auf ihre Linie bedacht war und anderen keinen
Platz gab, dass sie da, wo anders gedacht und gesprochen wurde, sofort Feinde sah. Sie hat sich
selbst nie hinterfragt.

Können sich die Landeskirchen das wirklich leisten, engagierte Gemeindeglieder, Ehrenamtliche und
Hauptamtliche zu verdrängen und auszugrenzen?

Wie ernst ist das Bekenntnis zum Pluralismus in unserer Kirche wirklich? Offensichtlich ist das ein
sehr begrenzter, theoretischer Pluralismus. Ich und viele andere erleben eine Engführung, die Sorge
macht.

Ich bin ab 1. Jan. 2014 nicht mehr Pfarrerin der EKBO. Ich werde weiterhin im Dienst des Reiches
Gottes stehen. Ich habe nicht vor, meine Landeskirche zu verlassen. Denn auch in der DDR gab es
Dissidenten, die das Angebot der Entlassung aus der Staatsbürgerschaft nicht angenommen haben.
Und irgendwann gibt es genug Dissidenten, die das Volk erreichen und das Volk steht auf.
Irgendwann wird es den Ruf in unseren Landeskirchen geben: „Wir sind das Volk.“ Und das Volk
Gottes ist bunter und vielfältiger, kreativer und lebendiger, stärker und vollmächtiger als das „System
Kirche“, wie es sich momentan vielfach darstellt.

So grüße ich Sie in froher Erwartung dessen, was unser GOTT tun wird – in Seiner Kirche.

Leserbriefe

Liebe Astrid, ich bin tief bewegt von Deinem "Offenen Brief". Auch ich habe aktuell eine traumatisches Erlebnis zu verarbeiten, über das ich mich mit Dir sehr gerne austauschen würde. Es hat mit einer benachbarten Thematik zu tun. Hättest Du Zeit für mich?

Liebe Grüße von Thomas

Sehr geehrte Frau Eichler,

durch einen Link auf "pro" über Glaubenskurse und einem Kommentar dazu bin ich auf ihre Seite gestoßen. Auch ich habe ungute Erfahrungen mit einer EKD-Kirchengemeinde gemacht, allerding in einer schleswig-holsteinischen Kreisstadt.

Ein beliebter und guter Pastor verließ meine damalige Gemeinde, er leitete auch einen kleinen Gospelchor, die Leitung wurde zunächst von einer der Sängerinnen übernommen. In der Vakanzzeit war der Chor weiter aktiv, "rettete" auch den einen oder anderen Gottesdienst, in denen es keine Predigt mangels Pastor gab, diese Gottesdienste wurden dann aus der Kraft der Gemeinde heraus gemacht. Das war es, was der Pastor zuvor aus dieser Gemeinde gemacht hat, eine aktive Gemeinde, die so eben in der Lage war, das geistliche Leben über die Vakanzzeit zu bringen.

Da es auch im Kirchenvorstand eine Vakanz neben der des Pastor gab, fragt mich der KV-Vorsitzende, ob ich das Amt übernehmen wolle, was ich gern tat. Dann gab die Interimschorleiterin die Tätigkeit aufgrund familiärer Verpflichtungen auf und auf Drängen des Chores übernahm ich auch dieses Amt. Ich war gerade er seit 1,5 Jahren dabei, sang aber noch in einem weiteren Gospelchor mit einem überragenden Chorleiter, von dem ich mir einiges abgeschaut hatte. So sang dieser kleine Chor dann unter meiner Ägide das erste Mal vierstimmig und wir bereiteten einen Gospelgottesdienst zum Sonntag "Kantate" vor.

Zwischenzeitlich war eine neue Pastorin gekommen, die einen absoluten Pfadfindertick - anders kann man es nicht nennen - mitbrachte. Dieses sollte nun alle Ressourcen der Gemeinde auffressen. Es gab eine Spielstunde samt Förderverein, die wurde aufgelöst, das Geld wurde für die Jugendarbeit, also hier die Pfadfinderei eingekreist. Da wurden noch einmal Zehntausende für die Ausrüstung ausgeben. Unser Wunsch nach einer professionellen Chorleitung, die vielleicht 250-300€ im Monat gekostet hätte (wir hatten sogar jemanden, gefunden, die Interesse hatte) war da ein Affront. Eine Organistin, die auf eigene Kosten einen "C-Schein" gemacht hatte, in der Hoffnung dann von der freiberuflichen Tätigkeit endlich in eine halbe Stelle zu kommen, wurden ebenso zerstört. Dann kam der Gospelgottesdienst, statt der üblichen 20-25 Gottesdienstbesucher in der kleinen Kirche, meist war es die "Rollatorfraktion", ein paar Mitglieder des Kirchenvorstandes und die Pflichtkonfirmanden kamen über 80 Besucher, teilweise von weiter her angereist, es war bunt, viele Familien mit Kindern, jung und auch die Stammbesucher waren begeistert über so viel Leben. Es wurde mitgesungen, aufgestanden, geklatscht.

Dann besaß ich auch noch die "Dreistigkeit" einen positiven Pressebericht zu verfassen, ohne dazu das Votum des Kirchenvorstandes einzuholen. Da begann ein regelrechtes Mobbing, Geheimtreffen von Mitgliedern, welche die Pastorin auf Linie gebracht hat, irgendwann gab es einen Kirchenvorstandbeschluß gegen meine Stimme, den Chor aufzulösen. Der Termin war so blöd angesetzt, daß außer der "Hausmacht" der Pastorin gar nicht alle Mitglieder teilnehmen konnten. Dann habe ich den Chor als freien Chor weitergeführt, die Proben bei mir zuhause veranstaltet, um auch den Termin für den "Gospelday" zu halten, wofür wir uns angemeldet hatten. Die Gegner gaben keine Ruhe, wollten mir sogar verbieten, den von mir selbst erdachten Namen des Chores aufzugeben. Zuvor war der Chor namenlos, fimierte nur ein halbes Jahr unter dem neuen Namen. Dem habe ich mich erfolgreich widersetzt.

Dann wurde uns angeboten, in einer kleinen Dorfgemeinde unsere Arbeit fortzuführen, es folgten vollmundige Versprechungen, eine Chorleitung zu bezahlen, dazu ein Piano und mir Klavierstunden in der Musikschule. Das Piano kam, der Rest nicht. Der Chor hatte, als ich ihn übernahm, 12 Mitglieder, mitten in der Krise blieben 7 Aufrechte, die dann binnen zwei Monaten aber wieder zur alten Zahl kamen. In der kleinen Gemeinde waren es dann 23, bis ich die Chorleitung dort in andere Hände - nicht ganz freiwillig abgab. Denn eine der Chordamen war im KV ihrer Gemeinde für die Jugendarbeit zuständig, auf Kreisebene war die neue Pastorin dafür zuständig. So hatte sie über das Geld doch wieder Einfluß. Der Chor wurde dann ein paar Monate später vollständig liquidiert.

Mittlerweile bin ich in eine Freikirche eingetreten, hier darf ich lebendig meinen Glauben leben, ich singe noch mit Freude in dem Chor mit dem tollen Chorleiter, werde aber sicher auch selbst mal wieder aktiv werden. Die Spielstube und der Chor waren nicht die einzigen Opfer dieser Pastorin. Ein älterer Herr führe seit vielen Jahren ehrenamtlich eine tolle Sozialberatung im Pastorat durch, aufgrund seiner eigenen Gehbehinderung tat er dies im Erdgeschoß. Er half vielen Menschen bei Probleme mit Behörden, war selbst jahrelang in der Verwaltung tätig. Auch er wurde vor die Tür gesetzt. Mittlerweile finden in der Kirche nicht einmal mehr Sonntagsgottesdienste statt.