22.05.09
Lieber Volker Beck, ...
Brief eines Lesers an den Bundestagsabgeordneten von Bündnis 90 / Die Grünen
(MEDRUM) Im heutigen Artikel "Volker Beck: 'Akademie für Psychotherapie und Seelsorge bietet Schwulen- und Lesbenfeinden ein Forum' " hat MEDRUM über das Grußwort von Volker Beck an die Gegner des Kongresses "Psychotherapie und Seelsorge" berichtet. Dazu erhielt MEDRUM eine Zuschrift, in der ein Leser seine persönlichen Erfahrungen in der Welt evangelikaler Christen auf indirektem Wege in Form eines Offenen Briefes an Volker Beck vermitteln will.
Der Brief des Lesers wird im Wortlaut hier abgedruckt:
"Lieber Volker Beck,
ich weiß nicht, ob Sie diese Zeilen jemals lesen werden. Aber sie sind mir wichtig.
Ich bin sowohl Markus Hoffmann, Dr. Christl Vonholdt, als auch Roland Werner mehrfach persönlich begegnet. Niemals habe ich von ihnen die Begriffe "Umpolung", "Schwulenheilung" oder ähnliches gehört. Niemals habe ich sie abschätzig über Menschen, die ihre Homosexualität ausleben, reden hören. Mit meinen eigenen homosexuellen Empfindungen wußte ich mich auch in meinem christlichen (ja, sogar evangelikalen) Umfeld immer angenommen und wertgeschätzt.
Für unbedachte negative Äußerungen haben sich meine christlichen Freunde entschuldigt, wenn sie mit meiner Geschichte konfrontiert wurden, weil manche erst durch die persönliche Betroffenheit ins Nachdenken kamen. Auch wenn ich meine Homosexualität auslebte, wurde ich von meinem christlichen Umfeld angenommen und wertgeschätzt.
Ich habe Seminarangebote und Beratungsangebote bei Wüstenstrom wahrgenommen und tue es noch. Niemals wurde Druck ausgeübt oder die moralische Keule geschwungen. Im Gegenteil. Ich wurde herausgefordert, mir über meine Motive klarzuwerden. Und ich mußte die - anfangs für mich schmerzliche - Wahrheit erkennen, dass es eben keine Umpolung gibt. Das habe ich nicht von Schwulenverbänden gehört, sondern von Wüstenstrom.
Was ich erlebte und erlebe, ist eine tiefgreifende Veränderung meiner Persönlichkeit, seitdem ich mich mit mir selbst, meiner Geschichte, meinem Leben beschäftige. Und dass ich heute verheiratet und dreifacher Familienvater bin, hätte ich zeitweise nicht zu träumen gewagt.
Ehrlich gesagt, gerade das Kinder zeugen war früher eher Albtraum... :-) Ich gehe meinen Weg. Das habe ich selbst bestimmt. Und ich fordere das Recht ein, meinen Weg zu gehen und zu vertreten. Ich habe noch nie, auch nicht von evangelikalen Christen oder Organisationen oder anderen (denn gerade bei Wüstenstrom erlebe ich Menschen jeglicher konfessioneller Herkunft) Stimmen gehört, die z.B. die Wiedereinführung des § 175 fordern würden oder ähnliche diskriminierende Dinge. Wovor haben Sie also Angst? Macht Ihnen meine bloße Existenz als Mann, der im Umgang mit seiner Homosexualität einen anderen Weg als Sie wählt, Angst? Ich akzeptiere Ihren Lebensweg doch auch. Es muss doch in unserem freien Land möglich sein, dass unterschiedliche Lebensentwürfe nebeneinander bestehen.
Toleranz kommt nicht von lat. "tollere" = aufheben, beseitigen, vernichten - sondern von lat. "tolerare" = aushalten, ertragen. Also bitte ertragen Sie es, dass andere Menschen für ihr eigenes Leben andere Entscheidungen treffen als Sie und andere Wege anbieten. Es tut Ihnen doch niemand weh. Aber mir tun die Falschaussagen und unappetitlichen Vergleiche mit Nazis etc. weh. Ich ertrage (lat. tolerare...) das, denn es geht um mich und ich weiß warum ich mein Leben so lebe, wie ich es tue und will. Ich kann nur nicht verstehen, wie gerade Anhänger einer ehemals verfolgten Minderheit nun selbst so erbarmungslos draufhauen.
Gerne würde ich mich mit Ihnen persönlich unterhalten und Ihnen von meinem Leben erzählen. Aber ich möchte mich nicht instrumentalisieren oder in der Presse zerfetzen lassen. Und ja, in der Erklärung kann man manches auch anders sehen. Ich bin auch nicht über jedes Wort glücklich. Trotzdem stehe ich dahinter und habe unterzeichnet, weil es um die Freiheit der Meinung geht, um die Freiheit der Wissenschaft und um meine persönliche Freiheit.
Mit freundlichen Grüßen,
S.T."
Name und Anschrift des Absenders sind der Redaktion bekannt, werden jedoch mit Rücksicht auf die Intimsphäre der Person nicht veröffentlicht.
MEDRUM-Artikel -> Volker Beck: "Akademie für Psychotherapie und Seelsorge bietet Schwulen- und Lesbenfeinden ein Forum"
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Leserbriefe
Danke
Vielen Dank an S.T. für den Leserbrief, dem ich mich als persönlich Betroffene mit meiner Erfahrung anschliessen kann. Ich ehre und wertschätze auch die mutige Entscheidung des Forums, den Referenten nicht abzusagen.
http://www.ashira-shalom.ch
Freie Meinungsäußerung
Ich finde es gut, solche Zeugnisse zu hören. Aber wie schwer das ist, zeigt, dass der Beitrag nur anonym ist. Ich kann das sehr gut verstehen. Wer aus persönlichen Gründen oder aus seiner Glaubenssituation heraus erkannt hat, dass er so nicht mehr leben will, sucht sich da Hilfe, wo er sie zu bekommen glaubt. Leider ist es aber so, dass diejenigen, die ein Stück diesen Weg gegangen sind und zurückgehen, diejenigen sind, die ihren Geschwistern, die durchgehen, am meisten in den Rücken fallen. Beck stand sicher auch mal an einer solchen Wegmarke.
S.T.
Lieber S.T. vielen, vielen Dank für Ihre Offenheit. Ich kann nur hoffen, daß Volker Beck diesen Brief liest. Ob er aber wirklich willig ist, sich auf eine andere Meinung, ein anderes Lebenskonzept einzulassen - ich muß es bezweifeln. Wieso denkt denn ein Politiker, daß sich Veranstalter zack nach ihm richten müssen. Es war ein Fehler, beim Christival solchen Kadavergehorsam zu leisten. Und ich hoffe, daß die Veranstalter dieses Kongresses nicht ihre Knie vor Herrn Beck beugen, sondern vor Jesus Christus und darum dann aufrecht stehen können. Hat Herr Beck z.B. den Bericht über die Demo in Idea gelesen und stimmt mit all den schrecklichen Aussagen überein, z.B. "Wir sind hier, um eure religiösen Gefühle zu verletzen." Andere schreckliche Gotteslästerungen möchte ich nicht widerholen. Es ging doch bei dieser Demo nur teilweise um Homosexualität, im Gegensatz zu dem Kongress - da ging es um etwas ganz anderes. Es ging den Demonstranten doch eher darum, gegen christliche Werte allgemein vorzugehen. Darüber sollten Politiker aller Richtungen und vor allem Wähler genau nachdenken. Für Herrn Beck kann man nur beten, daß Gott ihm doch eine klare Sicht gibt und wirkliche Toleranz. Man muß übrigens nicht mit jedem Wort dieses Kongresses einverstanden sein. Aber hier wird in Vielfalt eben Redefreiheit und Freiheit der Wissenschaft demonstriert. Oder wie nennen wir einen Kongress, bei dem alle die gleiche Meinung haben (die natürlich Herrn Beck genehm ist)? Ich kann nur sagen: wir wollen keine Diktatur, egal von welcher Seite. Noch einmal, lieber S.T., vielen Dank und vor allem Gottes reichen Segen. ER setze Sie zu einer Ermutigung für viele Menschen.
Mutig und klar
Lieber S.T., besser, ohne Bitterkeit, freundlich, aber klar und deutlich hätte man es nicht sagen können. Glückwunsch zu diesem offenen Brief, der manchem hitzigen Beitrag von beiden Seiten weise Worte und eine nüchterne Sicht der Dinge entgegensetzt. Das hier jemand authentisch aus seiner eigenen Erfahrung so berichten kann, ist ein echter Segen für alle. Hartmut
Lieber S. T.
Haben Sie ganz herzlichen Dank für Ihr Schreiben an Volker Beck. Meine Tochter ist einen ähnlichen Weg gegangen, 10 Jahre als "Kampflesbe" hat sie mit Gottes- und Menschenhilfe überstanden. Von Umpolung keine Spur, lediglich der Wille nach einer anderen Lebensausrichtung war da, und dieser Wille wurde von ihr dann auch in die Tat umgesetzt. Wir als Eltern haben unser Kind niemals unter Druck gesetzt, die Tür zum Elternhaus stand und steht immer offen. Soweit dazu.
Ich denke auch mal, dass Herr Beck sich ziemlich weit aus dem Fenster lehnt und darauf achten muss, nicht hinaus zu stürzen... Er ist nach meiner Auffassung nicht in der Lage, die Rechte, die er für sich fordert, auch anderen Menschen zuzugestehen. Als Politiker ist er für mich daher ein sehr schlechtes Beispiel. Andersdenkende Menschen, Christen vornehmlich, in die braune Ecke zu stellen, ist in der Tat mehr als unappetitlich. Aber auch ein Volker Beck kann und darf sich ändern. Ich gönne und wünsche es ihm von ganzem Herzen. Auch Ihnen, lieber S. T. wünsche ich, dass Sie unbeirrt Ihren Weg weitergehen und Sie noch viel Freude in Ihrer Beziehung zu Ihrer Frau erleben werden ;-) ... Liebe Grüße
Danke!
Ich danke Gott für dieses Zeugnis!
Es war zu ahnen, dass dieser Kongress und die beteiligten Organisationen redliche und gebildete Menschen sind; tolerant genug, niemanden zu verurteilen, wohl aber zu beurteilen, was dem Menschen wohl tut und was ggf. neu auszubalancieren ist. Ich bin nicht persönlich betroffen; habe aber das Problem Homosexualität wegen lesbisch lebender Schwester zu gewältigen. Und es ist ein riesiges Problem.
Ich bin sehr dankbar um das wirklich liebevolle Zeugnis eines Menschen, der offenbar einen neuen Weg ins Leben gehen konnte. Ich habe die Hoffnung, dass sich mehr Dialoge ergeben, die dann die Lage in der Zukunft hoffentlich weiter entzerren. Ich bin erstaut und sehr dankbar über das Maß an Ruhe und Frieden in der gesamten Debatte von Seiten derer, die angegriffen worden sind. Da müssen einige sehr gebetet haben um auch einem so ruhevolles Herz sprechen zu können. Das beruhigt sehr!
Noch ein Wort zur Motivation der Kongressgegner: Ja, ich meine auch, der Widerstand war zuerst eine echte Provokation gegen den christlichen Glauben. Wir müssen uns darauf vorbereiten, in Zukunft schneller und noch tiefer zu demaskieren, um was es den Gegnern wirklich geht. Warum? Weil ich sicher bin, dass das nur der Anfang von offenen Portesten gegen Christen gewesen ist. Diese Menschen kennen sich jetzt besser, bildet Kuschelecken in der Gesellschaft und sie kommen sich dabei ganz besonders revolutionär vor... Zumindest das werden sie weitermachen wollen und dabei noch glauben wollen, sie seien Martyrer für eine gerechtere Welt. Ich denke, dieser Kongress war der Auftakt zum Formieren derer, die die Kirchen offen angreifen wollen. Irgendwann mußte diese Zeit anbrechen und sie scheint jetzt da zu sein. Also bleiben wir vorbereitet und weiter kompetent. Wir sollten alle lernen, besser und gelassener unsere Liebe zu Jesus und seine Liebe zu uns zu verkünden!
Ich fühle mich ..durch das lesen der mails zum Kongress... therapeutisch reich beschenkt. Ich bin zu tiefem DANK verpflichtet! Gottes Segen! S. Ackermann