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Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939-1945

08.04.08


Buchpräsentation "Zwangsarbeit und katholische Kirche 1939-1945" - Kardinal Lehmann: Die Versöhnungsarbeit geht weiter

Heute
wurde in Mainz die Gesamtdokumentation "Zwangsarbeit und katholische
Kirche 1939-1945" über Geschichte und Erinnerung, Entschädigung und
Versöhnung mit Karl Kardinal Lehmann präsentiert. Die Präsentation fand
zusammen mit den Herausgebern des wissenschaftlichen Werkes und dem Vertreter der Bundeskonferenz
kirchlicher Archive statt. Sie wurde durch ein reges Echo zahlreicher
Medienvertreter begleitet.

Bild unten: Kardinal Lehmann mit Professor Hummel im Gespräch

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Keine Inflation von Schuldbekenntnissen - wichtig sind Wiedergutmachung und Versöhnungsarbeit

Zwischen 1939 und 1945 arbeiteten insgesamt fast 6000 Zwangsarbeiter, 4829 Zivilarbeiter und 1075 Kriegsgefangene, u.a. in Krankenhäusern, Heimen, auf Klosterhöfen und Pfarrökonomien, wie in der wissenschaftlichen Dokumentation nachgewiesen wurde, die in den letzten 7 Jahren erarbeitet wurde. Nicht nur das ca. 700 Seiten umfassende Werk der Herausgeber Karl-Joseph Hummel und Christoph Kösters, sondern auch zahlreiche Fragen und Antworten zur Thematik zeigten, wie weitgesteckt und vielschichtig das sensible Thema betrachtet wird.

 

In seinem einleitenden Statement erwähnte Kardinal Lehmann, dass von der katholischen Kirche 587 Fremdarbeiter, die im Rahmen aktiver Suche identifiziert werden konnten, nach den Berichten der Diözesen bis Ende 2004 aus dem Versöhnungsfonds der Katholischen Kirche entschädigt worden seien. Sie seien hauptsächlich in der Land- und Hauswirtschaft beschäftigt gewesen und erhielten jeweils 2556 Euro. In der Entschädigung sei aber keine selbstentlastende Zufriedenheit zu sehen.

Auf die Frage nach Schuldbekenntnissen entgegnete Lehman, der Wille zur Wiedergutmachung sei eine der Konsequenzen, die einem Schuldbekenntnis folgen müssen. Deshalb sei Bekenntnis von Schuld ein ernsthafter und gewichtiger Schritt. Man müsse mit Schuldbekenntnissen auch behutsam umgehen, um nicht in die Gefahr einer Inflation von Schuldbekenntnissen zu geraten, die dann nur noch den Charakter von Lippenbekenntnissen bekämen. Die katholische Kirche und ihre Vertreter haben sich mit einer großen Kraftanstrengung um Erforschung, Aufklärung, Bekenntnis und auch Wiedergutmachung von Unrecht bemüht, so Kardinal Lehmann. Man sei sich darüber klar, dass eine Wiedergutmachung letztlich nur in Form einer mehr symbolischen Wiedergutmachung für geschehenes Unrecht geleistet werden könne. Die Anstrengungen zur Versöhnung müssten weitergehen.

Kardinal Lehmann kam in seinen Antworten auch auf die menschlichen, persönlichen und pragmatischen Dimensionen zu sprechen, die bei der Beschäftigung von Fremd- oder Zwangsarbeitern gegeben waren. Er erlebte dies selbst am Beispiel seiner eigenen Familie, in der die drei Brüder der Mütter die Arbeit in der Familie nicht mehr leisten konnten, weil Sie zum Dienst eingezogen wurden. Ein französischer Fremdarbeiter leistete stattdessen Arbeit in der Familie. Ohne solche Hilfe hätte man zum Beispiel nicht gewusst, wie man das Vieh hätte versorgen können. Man hatte ein gutes menschliches Verhältnis untereinander, das auch noch Jahre nach Kriegsende fortbestand, berichtete er.

Ein Baustein für die Versöhnungsarbeit der Katholischen Kirche

Kardinal Lehmann sieht in der geschichtlichen Aufarbeitung des Themas und Präsentation des Buches keinen Abschluss der Auseinandersetzung mit der historischen Verantwortung. Historische Erinnerung ist für ihn vielmehr eine Voraussetzung, aus der die Einsicht und Kraft für eine versöhnende Zukunft erwächst. Das Buch habe zu neuen Einsichten verholfen. Dass viele Einsichten erst spät gekommen seien, lag auch daran, dass die Dinge ja nicht offen lagen und das Wissen erst erarbeitet werden musste, stellte er weiter fest und räumte ein, dass sicherlich auch Scham bei den Beteiligten ein Grund war, weshalb vieles erst nach langer Zeit mit aufwändiger Recherche zusammengetragen werden musste. Nachdem auch die katholische Kirche allzu lange blind gewesen sei für das Schicksal und die Leiden der zur Zwangsarbeit verschleppten Menschen, sei die vorgelegte Buchdokumentation ein wichtiger Baustein für die Versöhnungsarbeit der katholischen Kirche.

Einen
wichtigen Schritt für die künftige Arbeit sieht Kardinal Lehmann in der
Initiative der Maximilian-Kolbe-Stiftung, die das Versöhnungsanliegen aufgreift
und die Aussöhnung zwischen polnischem und deutschem Volk europaweit
weiterführt. Dieser Stiftungsinitiative haben die polnische und deutsche
Bischofskonferenz ausdrücklich zugestimmt. Aus den zuletzt verbliebenen Mitteln
im Entschädigungsfonds sind 1,1 Mio Euro als Grundstock in das
Stiftungsvermögen eingeflossen und helfen, die Arbeit fortzuführen. Die
Verdienste der Stiftung erfahren am 17. April eine besondere Würdigung in der
Verleihung des Eugen-Kogon-Preises. Kardinal Lehmann wurde eingeladen, die
Laudatio zu halten.


Leserbriefe

Ja, die Schuldbekenntnisse und auch die so genannte Wiedergutmachung ... -
Wenn die Katholische Kirche nicht ENDLICH bei den frühesten Versäumnissen beginnt, wird nie etwas daraus werden! Das "Schuldbekenntnis" von Papst Johannes Paul II, dass "einige Kinder der Kirche ... früher mal Unrecht getan haben..." (Zitat nur aus der Erinnerung) konnte niemanden zufrieden stellen, besonders die nicht, die persönlich unter dem Unrechtssystem der Kath. Kirche nicht nur Hab und Gut, sondern vielfach das Leben verloren haben.
So geht es nicht! JESUS hat es anders gesagt, und letztlich leidet auch ER darunter.
Neu beginnen, aber nicht mit dem Muff unter den Talaren der Priester- und Papstmenschen!
Gast