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Schäuble wird auch in den nächsten Jahren zusätzliche Schulden machen


22.03.12

Schäuble wird auch in den nächsten Jahren zusätzliche Schulden machen

Hohe Zinslast für steuerzahlende Bürger steigt noch weiter an: jährlich 1350 Euro pro Erwerbstätiger in 2015

(MEDRUM) Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wird die Schuldenlast der steuerzahlenden Bürger nicht verringern, sondern weiter erhöhen. Dies führt in den kommenden Jahren zu noch weiter steigenden Zinslasten. Das  geht aus den am Mittwoch im Bundeskabinett vorgelegten Eckwerten für den Haushaltsentwurf 2013 hervor.

Erhöhung statt Rückführung der Schuldenlast

Laut der Zeitung DIE WELT stellt Finanzminister Schäuble für "2016 Etat ohne Schulden in Aussicht".  "Schäuble arbeitet sich zur schwarzen Null vor", lautet die Überschrift des Weltartikels. Derartige Feststellungen sind eine journalistische Fehlleistung. Denn hier handelt es sich um eine völlig verzerrte Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse. Tatsache ist: Es gibt für die vorhersehbare Zeit keinerlei Aussicht auf einen "Etat ohne Schulden", allenfalls auf einen Etat ohne zusätzliche Schulden. Der Generalanzeiger stellt zwar zutreffend fest, Schäuble profitiere von einer guten Konjunktur und niedrigen Zinsen, die den Schuldendienst deutlich drücken, geht jedoch am Kern der Sache vorbei. Denn Tatsache ist nach gegenwärtiger Finanzplanung: Die Schulden des Bundes werden im Jahr 2016 einen Negativ-Rekordstand erreicht haben. Und wer dieser Tatsache ins Auge blickt, kann auch nicht wie die Saarbrücker Zeitung schreiben, Finanzminister Schäuble habe gut lachen, weil er die Schuldenbremse "tatkräftig ins Werk setzen" könne. Weder der Finanzminister noch die Bürger haben etwas zu lachen, wie eine nüchterne Analyse des Bundeshaushaltes und der Finanzplanung zeigt.

Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2013 sieht keine Rückführung der Schuldenlast vor. Im Gegenteil: Finanzminister Schäuble plant für das kommende Jahr eine Erhöhung der bereits bestehenden Schulden um weitere fast 20 Milliarden Euro, die sogenannte Neuverschuldung (Aufnahme neuer Kredite). Erst im Jahr 2016 sollen (nahezu) keine weiteren Schulden mehr gemacht werden. Die Neuverschuldung soll dann noch 1 Milliarde Euro betragen. Dieser Betrag kommt zu den bist dahin noch weiter wachsenden Schulden noch hinzu. Von einem Etat ohne Schulden zu reden, ist irreführend. Es ist ein Etat mit wachsender Schuldenlast.

Auch im laufenden Jahr ist die Erhöhung der Schuldenlast beträchtlich: Die Neuverschuldung des Bundes beträgt 2012 34,8 Milliarden Euro. Das sind - trotz reichlich sprudelnder Steuereinnahmen - rund 8,7 Milliarden Euro mehr als bislang vorgesehen. Der Grund: Deutschland muss Kapital in den Euro-Rettungsschirm einzahlen. Ausgabenkürzungen, um die unvorhergesehene Erhöhung der Schuldenlast in 2012 zu verringern oder zu kompensieren, sind nicht vorgesehen.

Weder Sparwille noch strikte Ausgabeneinschränkung

Dass die Bereitschaft zur strikten Einschränkung von Ausgaben gering ist, spiegelt sich beispielsweise in der Tatsache wider, dass das Bundeskabinett 2011 trotz beängstigender Schuldenentwicklung auf Initiative von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) beschloss, mit einem Betrag von 10 Mio. Euro eine Stiftung einzurichten, die die Anerkennung homosexueller Lebensweisen fördern sowie an das sexualwissenschaftliche Werk des Berliner Arztes und Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld (1868-1935) erinnern und es pflegen soll (MEDRUM berichtete) - wie wenn aus einem vollen Fass geschöpft werden könnte. Ein anderes Beispiel ist die finanzielle Förderung der Aktivitäten der GATC Biotech AG zur Entwicklung eines pränatalen Bluttests, der die Selektion "schlechten" Erbgutes und Abtreibung von Kindern ermöglichen soll, bei denen ein Verdacht auf potentielle Erkrankungen festgestellt werden kann (MEDRUM berichtete). Diese Ausgaben sind nicht nur ethisch umstritten, sondern dürften selbst aus Sicht des Unternehmens, das beim kommerziellen Einsatz eines solchen Tests vermutlich kräftig verdienen wird, verzichtbar sein. In einer Zeit mit bedrohlicher Schuldenentwicklung müsste stattdessen auf alle Ausgaben verzichtet werden, die nicht zwingend erforderlich und unabwendbar sind. Das trifft weder auf die finanzielle Förderung des Staates der Erinnerung an den Sexualwissenschaftler Hirschfeld noch auf die Entwicklung eines pränatalen Bluttests der Biotech AG zu, erst recht nicht, wenn gleichzeitig die Förderung regenerativer Energien gekürzt werden soll, wo doch Massnahmen zur Umsetzung der Energiewende von höchster Priorität sein müssten.

Zinszahlungen steigen in beängstigendem Ausmaß an

Durch die ständige Neuverschuldung sind die Schulden des Bundes von etwa 250 Milliarden Euro im Jahr 1989 auf mittlerweile mehr als 1 Billion Euro im Jahr 2012 gestiegen. Eine unausweichliche Folge der steigenden Schulden ist der weitere, starke Anstieg der Zinslasten, die von den steuerzahlenden Bürgern zu tragen sind. 2011 betrug die Zinslast ca. 35 Milliarden Euro, ein Betrag, der bereits mehr als 11 Prozent aller Ausgaben des Bundes ausmacht. Die Zinslast steigt im Jahr 2012 auf fast 40 Milliarden Euro und wird in den Folgejahren sogar auf etwa 50 Milliarden Euro bis 2015 ansteigen (mehr als 15 Prozent der Ausgaben). Das entspricht einer jährlichen Zinslast pro Kopf der Bevölkerung von 625 Euro oder von durchschnittlich 1350 Euro für jeden Erwerbstätigen (monatlich gerechnet also mehr als 110 Euro für die Zinszahlungen des Bundes pro Erwerbstätiger). Es ist also auch vor allem ein Etat mit wachsender Zinslast.

Diese Lasten könnten nur verringert werden, wenn keine neuen Schulden gemacht werden würden und bestehende Schulden schrittweise getilgt werden würden. Derzeit gibt es jedoch keine Anhaltspunkte für eine solche Umkehr in der Finanzpolitik des Bundes. Sie beschränkt sich stattdessen auf das Versprechen, die Aufnahme neuer Schulden in den kommenden Jahren soweit zurückzuführen, dass die Ausgaben durch Steuereinnahmen gedeckt werden können und keine zusätzlichen Kredite zur Finanzierung des Bundeshaushalts aufgenommen werden müssen. Ein solches Versprechen ist bereits in der Vergangenheit gemacht, dann aber nicht eingelöst worden.


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Leserbriefe

Es ist bedauerlich zu sehen, wie wenig bekannt ist, dass das bestehende Geldsystem gar nicht funktionieren kann, bzw . es funktioniert nur mit immer neuen Schulden. Der (wie konnte es anders sein?) inzwischen suspendierte Prof. Dr. Franz Hörmann erklärt und kritisiert das z. B. in seinem Buch, auf seiner Internetseite und in etlichen YouTube Beiträgen sehr einleuchtend.