03.03.12
Bundesvorsitzende der CDL, Mechthild Löhr, gegen Organspendendruck
Anspruch auf Überlassung menschlicher Organe - die keine Heilmittel oder Medizinprodukte sind - ist mit Menschenwürde unvereinbar
(MEDRUM) Die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben (CDL), Mechthild Löhr, übt massive Kritik am Gesetzentwurf zur Regelung der sogenannten "Entscheidungslösung" für das Transplantationsgesetz. Sie wendet sich gegen Organspendendruck auf die Bürger und lehnt regelmäßige Zwangsbefragungen mit staatlicher Dokumentation als Eingriff in die Persönlichkeitsrechte ab.
Problematische Übereinkunft einer Allparteienkoalition
Mechthild Löhr kritisiert scharf die Eckpunkte von den Bundestagsfraktionen und dem Bundesministerium für Gesundheit im angekündigten "Gesetzentwurf zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz".
Die Fraktionsvorsitzenden aller im Bundestag vertretenen Parteien haben sich am 1. März 2012 mit Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auf einen Gesetzentwurf zur Regelung der "Entscheidungslösung" im Transplantationsgesetz geeinigt. Demnach soll die bisher geltende "erweiterte Zustimmungslösung" in eine "Entscheidungslösung" umgewandelt werden. Die gesetzlichen und privaten Krankenkassen sollen verpflichtet werden, erstmals schon in diesem Jahr und später alle fünf Jahre ihre Versicherten anzuschreiben und deren Organspendebereitschaft abzufragen. Die Entscheidung soll auf der elektronischen Gesundheitskarte dokumentiert werden.
Mechthild Löhr stellt dazu fest: "Schon seit Jahren werden stereotyp 12.000 vermutlichen Patienten angeführt, die auf ein Spenderorgan warteten. Das neue Gesetz zielt nun darauf, faktisch eine Zwangsbefragung aller Bürger und Bürgerinnen einführen, um die Zahl der Organspender zu erhöhen. Die dazu jetzt angekündigte, höchst problematische und in bedenklich stillem Einvernehmen einer neuen Allparteienkoalition gefundene Übereinkunft ist jedoch aus verschieden Gründen nachdrücklich abzulehnen."
Zweifel an Verfassungskonformität
In einer Pressemeldung stellen die CDL im Einzelnen weiter fest:
- Eine Entscheidung des Einzelnen über eine derart höchstpersönliche Frage darf den Bürgern nicht gesetzlich durch den Staat notorisch aufgenötigt werden. Erst recht nicht ohne eine vorherige seriöse, umfassende und detaillierte Aufklärung über die strittigen ethischen und rechtlichen Probleme des so genannten, zunehmend umstrittenen "Hirntodes". Denn bei einem als "hirntot" bezeichneten Person werden die Organe einem noch lebenden Menschen, der künstlich beatmet wird, nach irreversibel ausgefallener integrativer Funktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms entnommen. Die typischen Merkmale eines Leichnams wie Atemstillstand, Leichenstarre oder Totenflecken liegen bei einem "hirntoten" Organspender gerade nicht vor. Vielmehr ist der juristisch dann für tot Erklärte im biologischen und phänomenologischen Sinne durchaus noch am Leben. Dies erklärt u.a. sicher auch die deutlich bestehenden Vorbehalte potentieller Spender, die nun durch regelmäßige Zwangsbefragung ausgehebelt werden sollen.
- Die vorgesehene regelmäßige Abfrage durch die Krankenkassen und die kontinuierliche Dokumentation der Antworten in der elektronischen Gesundheitskarte, die einen Online-Zugriff der Kassen voraussetzt, bedrängt und bevormundet sämtliche Bürger und Bürgerinnen in unzumutbarer und unverhältnismäßiger Weise. Sie werden durch den Staat, der dies an Dienstleister delegiert, individuell und regelmäßig zu einer für sie höchstpersönlichen, privaten Entscheidung auf Leben und Tod genötigt. Dies geschieht im Interesse weniger und in einer Intensität, die im Einzelfall, z. B. bei depressiven und kranken Menschen, zudem durch die Art und Weise gefährlich und unverantwortlich sein kann.
- Des weiteren wird durch die Regelmäßigkeit und die Dokumentation auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt und damit eine schwere und nicht hinnehmbare Einschränkung des vom Grundgesetz geschützten Persönlichkeitsrechts der Bürgerinnen und Bürger versucht. Wenn die Krankenkassen alle Versicherten, das heißt auch akut Schwerkranke, chronisch Kranke, suizidal Gefährdete oder Behinderte, anschreiben und ihre Organspendebereitschaft erfragen, so stellt dieses Vorhaben einen die Menschenwürde verletzenden Eingriff in die psychische Integrität der Person dar. Ein solches Recht hat der Staat nicht.
- Die verharmlosend "Entscheidungslösung" genannte Erfassung aller Bürgerentscheidungen zur Organspende respektiert keinesfalls Freiwilligkeit, vielmehr übt der Staat moralischen Druck auf die Bürger durch deren regelmäßig wiederholte Befragung aus, was von diesen natürlich als nötigend empfunden werden wird.
- Wenn die Politik ihrerseits die Organspendebereitschaft erhöhen will, stehen ihr viele andere "Werbe- und Marketinginstrumente" wie bei anderen staatlichen "Aufklärungskampagnen" zur Verfügung.
- Eine bundesweite und alle Bürger umfassende regelmäßige staatliche Dokumentation des diesbezüglichen "letzten Willens" aber bringt eine nicht nur ethisch, sondern auch datenschutzrechtlich nicht hinnehmbare Form der Vergesellschaftung und Verstaatlichung der individuellen Organspendebereitschaft mit sich.
- Es muss auch deutlich aus ethischer Perspektive vor einer Blickverengung gewarnt werden: Menschliche Organe sind keine Heilmittel oder Medizinprodukte im üblichen Sinn, die industriell organisiert, bestellt, geliefert und nach den Regeln von Angebot und Nachfrage in den Warenverkehr gebracht werden können. Einen rechtlichen oder auch nur einen moralischen Anspruch auf die Überlassung von fremden Organen, die konstitutiver Teil einer anderen Person sind oder waren, kann es um der Würde des Menschen willen, die auch die Würde des Organspenders und unser aller Würde mit umfasst, nicht geben. Insofern müssen sich Politik, Medizin und Gesellschaft bei allem Fortschrittsoptimismus auf diesem Feld auch künftig in eine gewisse Selbstbegrenzung ihrer Wünsche fügen.
- Sollte das Gesetz in der jetzt sich andeutenden Weise Realität werden, kündigen wir an, dass wir die Verfassungskonformität dieses Gesetzes wie auch die Zulässigkeit dieser Datenvorratsspeicherung auf jeden Fall gerichtlich prüfen lassen."
Die Christdemokraten für das Leben (CDL) sind eine selbständige Initiative in der CDU/CSU mit 5.000 Mitgliedern, darunter zahlreiche Bundestags-, Landtags- und Europaabgeordnete sowie Kommunalpolitiker.
Leserbriefe
"Überlassungsdruck"
Endlich mal eine weitblickende Politikerin. Genauso kommt es, der moralisierende Druck, seine Organe zu überlassen ("Überlassungsdruck" schlage ich hiermit als Parole vor!) wird von einer stillschweigenden Allparteienlandschaft sowie All-Lobby aufgebaut, verwaltet und je länger desto mehr eingefordert... Sehr weitblickend, denn so bekommt das Unwort vom "sozialverträglichen Frühableben" noch einmal eine "organische" Bedeutung.
Gut thematisiert
Endlich mal jemand der das Thema wirklich gut in der Öffentlichkeit thematisiert. Danke
Endloses Bewusstsein
In seinem sehr interessanten Buch "Endloses Bewusstsein" beschreibt der Arzt und Kardiologe Pim van Lommel, von ihm untersuchte und analysierte Fälle, in denen "Hirntote", "klinisch Tote" u.ä. nach einer erfolgreichen Reanimation davon berichteten, dass sie auch als "Hirntote" völlig bewusstseinsklar waren und genau wussten, was in der Zeit ihrer "Bewusstlosigkeit" mit ihnen geschah. Eine Patientin konnte so die Diskussion über "ihre" eventuelle Organspende miterleben, die von ihrem Ehemann glücklicherweise abgelehnt wurde. Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Paradigma wird Gehirn mit Bewusstsein = Persönlichkeit, gleichgesetzt. Daher die Erfindung des Begriffes "Hirntot". Wie es aussieht existiert das Bewusstsein unabhänging vom Gehirn, dessen sich das Bewusstsein lediglich bedient. Auch in Sachen Organspende muss deshalb gelten, dass das menschliche Leben nicht verfügbar ist.
Akt der persönlichen Nächstenliebe
mich interessiert bei diesen persönlichen Gegenargumenten jetzt einzig, was wohl z.B. ein Nierenkranker, der seit vielen Jahren jede Woche 3 x für Stunden in die Dialyse muß nach dem Lesen dieses Artikels mit den zusätzlichen 8 Erklärungen empfindet und dann dazu sich äußert. Übrigens, vor einigen Jahren erklärten die deutschen kathol. Bischöfe, daß die Bereitschaft zur Entnahme von lebensrettenden Organe nach seinem Tode, dies der letzte Akt der persönlichen Nächstenliebe über seinen Tod hinaus für das Leben eines langjährig leidenden Mitmenschen sei. Für die Ärzte ist in einer solchen Situation nun mal ein unkomplizierter, möglichst rascher Spielraum entscheidend. Sicher gibt es bereits einige Personen, die schon längst einen Organspendeausweis bei sich tragen - vorsorgend für den Fall, wenn sie eimal tot sind. Aber es ist nun mal eine latente Tatsache, daß es dagegen sicher eine große Zahl von Personen gibt, die es einfach immer wieder vergessen, eine solche, für viele langfristig Leidende die erlösende Chance, ihren Willen einfach endlich schriftlich zu fixieren. Ich verstehe da nicht, mit Blick auf die lange Reihe der wartenden Dauerpatienten und auch dem deutlichen, richtungsweisenden Wort der Bischöfe, was an dem neuen Gesetzentwurf aus dem Bundestag dann letzlich ! so verwerflich sein soll. Wie oben gesagt, was wird ein endlos wartender, wiederholt vertrösteter Dauerpatient zu dem ablehnenden Standpunkt schließlich von sich geben ? Vielleicht wird er Verbitterung vorschlagen -wenn es denn ginge-, daß so ein Ablehner mit ihm ja mal für einíge Zeit mit ihm tauschen solle, ob dieser dazu überhaupt bereit wäre, sich das auch nur mal gedanklich vorzustellen. Wer selbst nicht in einer oft quälenden, langfristigen Krankheitsbefindlichkeit steckt, wie kann der angemessen entscheiden? Haben die Ablehner eigentlich einen noch besseren Vorschlag ?
Akt der Nächstenliebe ?
Die derzeitige Feststellung, der Mensch sei mit der juristisch determinierten Hirntodbetimmung tot, ist wissenschaftlich und medizinisch nicht haltbar. Tatsächlich wird es Medizinern überlassen festzustellen, wann ein Mensch tot ist und dabei sehen sich diese rein utilitaristischen Forderungen ausgesetzt. Tatsache ist, daß bei der "Organspende" in einen sterbenden Organismus eingegriffen wird, der noch vitale Organe hat. Die Organe eines Menschen dessen Organismus zusammengebrochen ist und dies ist der Fall wenn das Herz aufgehört hat zu schlagen sind kaum oder nicht gut brauchbar. Jeder Mensch muss in der Lage sein sein Schicksal anzunehmen und nicht auf Kosten anderer Jahre länger leben zu wollen. Hat ein Staat nicht eine größere Verpflichtung Leben zu bewahren und zu beschützen (z.B. Ungeborene) als ausgesprochen diese "12000" Menschen gegenüber anderen dem Tod geweihter Menschen derartig zu privilegieren, daß mit hochem Kostenaufwand jeder Versicherte wiederholt angefragt wird ob er seine Organe spenden wolle oder nicht. Mit Nächstenliebe hat dies nichts zu tun, sondern hier werden knallharte Interessen der Transplantationsindustrie vertreten.
Artikel ...Gegen Organspendendruck
mich interessiert bei diesen persönlichen Gegenargumenten jetzt einzig, was wohl z.B. ein Nierenkranker, der seit vielen Jahren jede Woche 3 x für Stunden in die Dialyse muß nach dem Lesen dieses Artikels mit den zusätzlichen 8 Erklärungen empfindet und dann dazu sich äußert. Übrigens, vor einigen Jahren erklärten die deutschen kathol. Bischöfe, daß die Bereitschaft zur Entnahme von lebensrettenden Organe nach seinem Tode, dies der letzte Akte der persönlichen Nächstenliebe über seinen Tod hinaus für das Leben eines langjährig leidenden Mitmenschen sei. Für die Ärtze ist in einer solchen Situation nun mal ein unkomplizierter, möglichst rascher Spielraum entscheidend. Sicher gibt es bereits einige Personen, die schon längst einen Organspendeausweis bei sich tragen - vorsorgend für den Fall, wenn sie eimal tot sind. Aber es ist nun mal eine latente Tatsache, daß es dagegen sicher eine große Zahl von Personen gibt, die es einfach immer wieder vergessen, eine solche, für viele langfristig Leidende die erlösende Chance, ihren Willen einfach endlich schriftlich zu fixieren. Ich verstehe da nicht, mit Blick auf die lange Reihe der wartenden Dauerpatienten und auch dem deutlichen, richtungsweisenden Wort der Bischöfe, was an dem neuen Gesetzentwurf aus dem Bundestag dann letzlich ! so verwerflich sein soll. Wie oben gesagt, was wird ein endlos wartender, wiederholt vertrösteter Dauerpatient zu dem ablehnenden Stand- punkt schließlich von sich geben ? Vielleicht wird er Verbitterung vorschlagen -wenn es denn ginge-, daß so ein Ablehner mit ihm ja mal für einíge Zeit mit ihm tauschen solle, ob dieser dazu überhaupt bereit wäre, sich das auch nur mal gedanklich vorzustellen. Wer selbst nicht in einer oft quälenden, lang-fristigen Krankheitsbefindlichkeit steckt, wie kann der angemessen entscheiden. Haben die Ablehner eigentlich einen noch besseren Vorschlag ?
Von der Würde des Menschen
Wofür wünschen Sie einen besseren Vorschlag? Eine Alternative für die Endlichkeit des Lebens? Es ist dem Menschen gesetzt einmal zu sterben - dem einen früher, dem anderen später. Wer kommt auf den absurden Gedanken, dass der zutiefst individuelle Körper eines Menschen, als Warenlager für einen andern dienen könnte. Was berechtigt diese groteske Forderung? Leid? Mitleid? Not? Hier kann doch allein eine überaus persönliche Entscheidung im Einzelfall unter Einbeziehung aller Faktoren in Betracht kommen und kein Entscheidungsdruck seitens des Staates aufgedrängt werden. Welchem Mißbrauch öffnet das Tür und Tor. Warum hat sich der einzelne Mensch zu rechtfertigen, wenn er sich dieser Nötigung entzieht, was sein gutes Recht ist, da es einzig und allein um das persönlichste, intimste Recht - in Würde zu sterben?
Zwischen Nächstenliebe und Kannibalismus
Der Lehrsatz von Liebi Schleiermacher: "Humanismus ohne Divinität führt zur Bestialität" wird einmal mehr bestätigt. Eine Gesellschaft ohne Gott läuft zwangsläufig in die Irre. Es ist gar nicht mal so sehr der mögliche Missbrauch der Organspende durch Erpressung, Betrug oder einfach Geschäftemacherei, die den Eindruck eines monströsen Staates aufkommen lassen. Auch ist es nicht der Eindruck, dass der Mensch einmal mehr als Ware, als Ersatzteillager gesehen werden soll. Wenn jemand aus einer persönlichen Beziehung zu einem nahestehenden Menschen seinen Körper zur Rettung zur Verfügung stellt, mag das mit christlicher Liebe einher gehen. Wenn aber Körperteile wahllos, so zu sagen industriell vermarktet werden, dann kann man hier wohl von Hurerei sprechen. Die Einzigartigkeit und Kostbarkeit des eigenen Körpers, von dem es ja heißt, er ist der Tempel des Heiligen Geistes, scheint jenen fremd und unbedeutend, die davon ausgehen, selbst eher von Affen abzustammen, als vom Schöpfer des Universums.