07.05.09
"Deshalb werden wir den Kongress verhindern!"
Marburger Aktionsbündnis schreitet zur Tat und ruft mit Flyer zur Demonstration am 21. Mai 2009 auf
(MEDRUM) Das Ende März 2009 gegründete Marburger Aktionsbündnis hat den Evangelikalen den Kampf angesagt. Es geht "nicht nur gegen ein, zwei oder drei Workshops oder Referentinnen auf dem Kongress, sondern vielmehr gegen die homophobe und religiös-fundamentalistische Ausrichtung der evangelikalen Bewegung. Deshalb werden wir den Kongress verhindern!", kündigt das Aktionsbündnis in einem Flyer für den Aufruf zur Demonstration an.
Bereits vor einigen Wochen forderte das Marburger Aktionsbündnis "Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus" den Oberbürgermeister der Stadt Marburg und den Präsidenten der Universität auf, dem Kongreß "Psychotherapie und Seelsorge" keine Räume zur Verfügung zu stellen.
Jetzt ruft das Bündnis mit einem Flyer (siehe Grafikausschnitt links) zur Demonstration auf und erläutert seine Beweggründe, weshalb es den Kongreß verhindern will. "Reaktionäre evangelikale Kräfte" wollten unter dem "Deckmantel der Wissenschaftsfreiheit" einen Kongress veranstalten, gegen den sich breiter Widerstand formiert habe, so die Einleitung im Flyer. Unter der Überschrift "Evangelikale" werden zwei Vertreter als Beispiele und Vortragende des Kongresses namentlich genannt: der Leiter des Christus-Treffs in Marburg, Roland Werner, und die Professorin für Philosophie, Hanna-Barbara Falkovitz, als Vertreterin der Offensive Junger Christen (OJC).
Das Aktionsbündnis wirft dem Veranstalter des Kongresses vor, dass die Auswahl der Referenten ein "erzkonservatives und zutiefst reaktionäres Weltbild" offenbare. Einzelne Referenten würden das konservative Bild von der heterosexuellen Ehe als einziges Lebensmodell verbreiten. Als Beleg dafür werden die Äußerungen von Christl Ruth Vonholdt, Leiterin des Deutschen Institutes für Jugend und Gesellschaft in einem Interview mit der Oberhessischen Presse angeführt. Vonholdt hatte sich darin vor allem für die Rechte des Kindes und gegen eine Umdeutung von Ehe und Familie ausgesprochen, Vonholdt wörtlich: "Wie keine andere Gemeinschaft überbrückt die Ehe den Graben zwischen den Geschlechtern und verbindet durch die zugehörige Familie die Generationen miteinander. Dadurch trägt sie in einzigartiger Weise zur Kohärenz, zum Zusammenhalt, zum Frieden und zur kulturellen Entwicklung einer Gesellschaft hei. Der Staat muss deshalb ein Interesse haben, der Ehe zwischen Mann und Frau eine rechtliche und öffentliche Vorrangstellung vor allen anderen privaten Lebensformen zu gehen. Die Umdeutung von Ehe und Familie ist kulturzerstörend."
In einem solchen Weltbild sieht das Bündnis ein Problem für Homosexuelle, weil ein "heterosexistisches" Umfeld ein "freies Ausleben homosexueller Neigungen stark erschwere", so die Aktion, die damit die Zielsetzung rechtfertigt, den Kongreß zu verhindern. Das Bündnis dazu: "Wir wollen den Kongress in seiner Gesamtheit verhindern und ihn als Symbol einer rechtskonservativen Meinungsmache bekämpfen." Am Ende des Aufrufes bekräftigt das Aktionsbündnis seine Forderung, den gesamten Kongreß abzusagen.
Weiterer MEDRUM-Artikel -> Akademie für "Psychotherapie und Seelsorge" geht auf LSVD zu
Copyright www.medrum.de
Bleiben Sie mit unserem Newsletter auf dem Laufenden!
Leserbriefe
Marburger Aktionsbündnis
Hallo,
ich frage mich, ob die ganze Angelegenheit, nicht unter das Anti-Diskriminierungsgesetz fällt, denn hier wird meines Erachtens den Heterosexuellen ihre Meinung und Berufsausübung untersagt.
Mfg
Bernd Grimm
Unheimlicher Aufruhr
Der Protest gegen den Kongress für Psychotherapie und Seelsorge seitens des "Marburger Aktionsbündnisses" erweckt den Eindruck, dass hier der Protest gegen eine gefährliche zeitgeistige Strömung erwacht. Die Stimmung schmeckt nach Panik und Wut, es herrscht polarisierende Polemik vor, es wird von "struktureller Gewalt" gesprochen. Diese Reaktion muss den unbedarften Zuschauer erstaunen. Es ist eigentlich offensichtlich und schwer zu übersehen, dass die Protestierenden ja den Zeitgeist repräsentieren und nicht etwa ihn bekämpfen, was die Vehemenz des Protestes schon in ein anderes Licht taucht. Man muss kein Hellseher sein um zu erahnen, dass die diskriminierte Minderheit innerhalb der nächsten Jahrzehnte nicht die Homosexuellen sein werden, sondern die, die glauben, dass Gott der Schöpfer der Welt und der Geschlechtlichkeit ist und sich dabei sehr viel gedacht hat. Bei aller "Fortschrittlichkeit" hat der Protest aber auch aus "weltlicher" Sicht etwas Rückwärtsgerichtetes, da er auch auf der schon etwas angestaubten Gitarre der Gleichmacherei eine Resonanz erzeugt und die wieder neu erkannte Bedeutung der Geschlechtlichkeit z.T. verleugnet - ein kurioser Nebeneffekt.