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Mißbrauchsfälle weiter in der Diskussion


11.03.10

Mißbrauchsfälle weiter in der Diskussion

Europapolitiker der Grünen, Daniel Cohn-Bendit, räumt Fehler der 68er im "Überschwang" ein

(MEDRUM) Der FOCUS berichtet über neu bekanntgewordene Hinweise auf Fälle von Mißbrauch und Mißhandlungen an Schulen und Heimeinrichtungen in vergangenen Jahrzehnten. Zu den Ereignissen der damaligen Zeit haben auch der 68er Daniel Cohn-Bendit und der Sexualaufklärer Oswald Kolle Stellung genommen. Für die Bundesfamilienministerin Schröder sind die Vorfälle Grund, einen Aktionsplan in das Bundeskabinett einzubringen, mit dem der Schutz vor sexuellem Mißbrauch künftig verbessert werden soll.

Im Zuge der deutschlandweiten Berichterstattung über Fälle von sexuellem Mißbrauch gibt es beständig neue Hinweise auf Mißbrauchsvorfälle an schulischen Einrichtungen und Heimen. Darüber berichtet der FOCUS am 10. März 2010. Danach gibt es jetzt auch Hinweise auf Mißbrauch und Mißhandlungen

  • im Heim Vincenzhaus in Hofheim in den 50er und 60er Jahren;
  • am katholischen Internat in Bensheim bis Ende der 70er Jahre ;
  • im Ernst-Schneller-Heim im sächsischen Eilenburg zwischen 1970 und 1980;

In diesen Jahrzehnten lagen auch die Vorfälle an der Odenwaldschule in Heppenheim. Die Schulleitung hat Hinweise auf 24 Fälle aus den 1970er und 80er Jahren.

Ein Streitpunkt in der öffentlichen Diskussion ist die Frage, ob die sogenannte "sexuelle Revolution" der 68er Generation zu den Einflußursachen des sexuellen Mißbrauch gerechnet werden kann. In der Sendung "Menschen bei Maischberger" vom Dienstagabend vertrat die Soziologin und Publizistin Gabriele Kuby die Auffassung, daß die Ideen der 68er Generation über eine freizügige Sexualität zu den mitverantwortlichen Ursachen für sexuelle Verfehlungen gehören.

Kuby stieß mit dieser Auffassung auf energischen Widerstand des ehemaligen CDU-Politikers Heiner Geißler. Geißler warf Kuby vor, sie verteufele die Sexualität. Die Katholische Kirche forderte er auf, das Zölibat aufzuheben und von Priestern keine sexuelle Enthaltsamkeit mehr zu verlangen. Er sieht einen Zusammenhang zwischen Zwang zur Enthaltsamkeit und sexuellem Mißbrauch. Für den ehemaligen Jesuitenschüler Geißler war das Keuschheitsgebot Grund, den Jesuitenorden wieder zu verlassen.

Im am Donnerstag erscheinenden Interview mit der Wochenzeitung DIE ZEIT verteidigt auch der Grünen-Politiker und Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit die freizügige Sexual-Moral der 68er Generation. Laut ZEIT tritt er auch weiterhin für eine libertäre Sexualmoral ein. Die »repressive Vor-68er-Sexualmoral« hat nach Meinung Cohn-Bendits großen Schaden angerichtet. Er räumte jedoch ein, daß "im Überschwang auch Fehler gemacht worden seien, die korrigiert werden müssten. So seien keine klaren Grenzen gesetzt worden, sagte der Europapolitiker dem "Main-Netz" (10.03.10)  zufolge. Cohn-Bendit war selbst von 1958 bis 1965 Schüler der privaten Odenwaldschule, deren Vorstand wegen der Mißbrauchsfälle jetzt geschlossen zurücktreten will.

Der ehemalige, heute 81 Jahre alte, Sexualaufklärer Oswald Kolle nimmt eine kritische Haltung zum Einfluß der Ideen der 68er Generation auf Mißbrauchsfälle ein. Die damaligen Veränderungen des Denkens haben nach Auffassung von Kolle die Vorfälle an der Odenwaldschule begünstigt. Das damalige geistig-soziale Klima sei zu eigenen Zwecken von den Tätern ausgenutzt worden. Der "Frankfurter Neuen Presse" (08.03.10) sagte Kolle: "Das liegt an den Ideen der sogenannten 68er, die gesagt haben, sexuelle Freiheit ist richtig links, ist sozialistisch, alles andere ist spießig. Und damit haben sie den Schülern den Kopf verdreht. Das ist natürlich das Gegenteil von Freiheit, das Gegenteil von Freiheit ist Unfreiheit. Das Gegenteil von Freiheit ist Sklaverei. Was diese angeblichen Pädagogen gemacht haben, war Sklavenhaltung."

Unterdessen hat die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder im Interview mit dem Donaukurier einen "Aktionsplan zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung" angekündigt. Er soll im Herbst ins Bundeskabinett eingebracht werden. Neben dem Schutz von Kindern und Jugendlichen soll eine bessere Unterstützung der Opfer und eine optimierte Arbeit mit den Tätern Ziel des Aktionsplanes sein.


 

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