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Ein klärendes Gespräch mit idea und Widerruf

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31.01.10

Ein klärendes Gespräch mit idea und Widerruf

Evangelische Kirche Mitteldeutschlands auf fragwürdigem Kurs

Ein Zwischenruf von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) Wegen der Forderung des Bildungsdezernenten der Evangelische Kirche Mitteldeutschlands (EKM), Oberkirchenrat Christhard Wagner, der Leiter der Evangelischen Nachrichtenagentur „idea", Helmut Matthies, solle den Gerhard-Löwenthal-Preis zurückgeben, weil seine Annahme die Tabugrenze zum Rechtsextremismus verschiebe, trafen sich die EKM und „idea" zum Gespräch. Unter der Überschrift „Klärendes Gespräch im Augustinerkloster in Erfurt" hieß es zunächst in einer gemeinsamen Pressemeldung, „idea" habe mit Rechtsextremismus nichts zu tun. Doch nach dieser einvernehmlich klingenden Erklärung verbreitete der Evangelische Pressedienst Ost am Tag darauf die wie ein Widerruf erscheinende Meldung, die „Mitteldeutsche Kirche bleibt bei Kritik an ‚idea'-Leitung". Die evangelische Wochenzeitung "die Kirche" geht einen Schritt weiter. Sie sieht die Position der EKM nicht nur als Kritik an der „idea"-Leitung, sondern am Magazin „idea" selbst: „Mitteldeutsche Kirche bleibt bei Kritik am Magazin ‚idea' ", lautet die Überschrift ihrer Meldung in der Ausgabe vom 31. Januar 2010.


Den Anlaß für das Gespräch zwischen der EKM und idea im Erfurter Augustinerkloster am 20. Januar gab Oberkirchenrat Wagner mit einer Ende Dezember 2009 vom Evangelischen Pressedienst und der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) verbreiteten Meldung. Wagner hatte darin von Helmut Matthies resolut gefordert, er solle den Gerhard-Löwenthal-Preis zurückgeben, der ihm Anfang Dezember von der „Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung“ verliehen worden war. Wagners Begründung lautete, mit der Preisannahme des von der JUNGEN FREIHEIT vergebenen Preises verschiebe Matthies die Tabugrenze zum Graubereich des Rechtsextremismus und ließe die gesamte idea-Redaktion auf einem Grat zum rechtsextremen Milieu balancieren.

Mit dieser Erklärung erhob Wagner nicht nur massive Vorwürfe an die JUNGE FREIHEIT, sondern setzte - gewollt oder ungewollt - Matthies und eine Vielzahl anderer untadeliger Demokraten dem Verdacht aus, mit dem Rechtsextremismus zu liebäugeln. Zwei mögliche Erklärungen wären dafür denkbar: entweder hat Matthies nicht die Kompetenz, um das angeblich rechtsextreme Potenzial der JUNGEN FREIHEIT zu erkennen, oder aber Matthies weiß darum, setzt sich aber bewußt darüber hinweg. Fehlende Kompetenz darf bei einem Mann vom Kaliber Matthies getrost ausgeschlossen werden. Als Erklärung bliebe also übrig, daß Matthies tatsächlich mit dem rechten Auge „extrem“ liebäugelt. Und genau darin liegt der für Matthies und idea ehrenrührige, absurde Verdacht.

Matthies wandert genauso wenig auf einem Grat zum rechtsextremen Milieu wie viele verdiente, namhafte Zeitgenossen, die sich mit ihrem Namen für die JUNGE FREIHEIT im "Appell für die Pressefreiheit" einsetzten, als man 2006 diese Wochenzeitung von der Leipziger Buchmesse verbannen wollte. Es waren renommierte Medienvertreter und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie beispielsweise Helmut Markwort, Chef des FOCUS, der bedeutende Philosoph Robert Spaemann oder der ehemalige Präsident des BDI und Vorsitzende der Leibniz-Gemeinschaft, Hans-Olaf Henkel, sowie der Historiker Joachim C. Fest, die ihre Reputation einsetzten, um die JUNGE FREIHEIT vor der Rufmordkampagne einer linken Szene und Pauschalverurteilungen in Schutz zu nehmen; allesamt Persönlichkeiten, denen nichts ferner liegt, als ein rechtsextremes Milieu zu fördern. Doch dies hat Oberkirchenrat Wagner übersehen oder er hat zumindest nicht die richtigen Schlüsse daraus ziehen wollen. Matthies hat in seinem Kommentar „Geschichte einer Verleumdung“ vom 7.1.2010 den diffamierenden Charakter von Wagners Anschuldigungen aufgezeigt.

Wer Helmut Matthies und seine langjährige Arbeit kennt, weiß, daß bei ihm nicht der leiseste Zweifel an seiner demokratischen Gesinnung und christlichen Rechtschaffenheit angebracht ist. Rechtsextremes Gedankengut und Matthies verhalten sich ungefähr so wie der Teufel und das Weihwasser. Oberkirchenrat Wagner scherte sich jedoch nicht darum. Mit Fug und Recht durfte jeder erstaunt sein, daß ein evangelischer Kirchenmann einen untadeligen, hoch verdienten protestantischen Christen und Publizisten mit einer zwar pfiffig formulierten, aber inhaltlich fragwürdigen und persönlich diskriminierenden Stellungnahme in die Nähe einer rechtsextremen Ecke schob.

Statt die Verdienste von Helmut Matthies und idea zu würdigen und einer diffamierenden Kampagne vorzubeugen, setzte sich Wagner an deren Spitze. Vom Dach der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands aus übernahm er die Rolle eines politischen Inquisitors, der Matthies und idea das Gütesiegel der demokratischen Unbedenklichkeit aberkennen will. Deshalb verwundert es nicht, daß Robert Spaemann die Vorwürfe gegen Helmut Matthies im Interview mit der JUNGEN FREIHEIT als „empörend“ bezeichnete.

Vom Gespräch im Augustinerkloster, das Landesbischöfin Ilse Junkermann moderierte, durfte zumindest eine Ehrenerklärung für Matthies und idea erwartet werden. Auf Seiten der EKM nahmen neben Bischöfin Junkermann der Oberkirchenrat Wagner, auf Seiten von idea nahmen der Vorstandsvorsitzende von idea, Horst Marquardt, sowie der „idea“-Leiter Helmut Matthies teil.

In ihrer gemeinsamen Pressemitteilung stellten die beiden Seiten zu ihrem Treffen übereinstimmend und versöhnlich klingend fest, daß Rechtsextremismus mit dem christlichen Glauben unvereinbar sei. Es wurde ebenso festgehalten: „Es liegt der EKM fern, idea und Pfarrer Matthies mit Rechtsextremismus zu identifizieren“. Diese Erklärung konnte als Bemühen um eine Kompromißformel gewertet werden, mit der einvernehmlich die Ablehnung des Rechtsextremismus herausgestellt wird. Als Ehrenerklärung für Matthies und idea bleibt sie jedoch halbherzig und besitzt keine durchschlagende Überzeugungskraft. Denn anstatt zumindest auch die unbestreitbaren Verdienste von idea unter der Leitung von Matthies anzuerkennen, wurde weiter festgehalten, daß es unverändert unterschiedliche Einschätzungen zur Preisannahme und ihrer Außenwirkung gebe. Worin diese Unterschiede nach dem gemeinsamen Gespräch noch bestanden und welche Bedeutung diesen von der EKM konkret beigemessen wurde, blieb offen.

Die Kompromißformel des Gespräches hätte Akzeptanz finden können, wenn die Beteiligten auf Seiten der EKM vom konsequenten Bestreben geleitet gewesen wären, Helmut Matthies und idea aus dem Kreis der „Verdächtigen“ zu entlassen. Die Hoffnung darauf erwies sich jedoch als trügerisch. Spätestens mit Erscheinen der Meldung des Evangelischen Pressedienstes Ost (21.01.10) zeigte sich das Gegenteil. Wagner schob die Erklärung nach, „die EKM vertrete weiter ihre Position, wie sie in der Pressemitteilung formuliert wurde“ (EKM vom 28.12.09). Mit dieser nachgeschobenen Stellungnahme hob der Oberkirchenrat den gefundenen Kompromiß auf und setzte damit die Kampagne gegen Helmut Matthies und "idea" fort, wie die Meldungen des Evangelischen Pressedienstes und der Evangelischen Wochenzeitung "die Kirche" zeigen. Wer wie Wagner an dem Vorwurf festhält, Matthies ließe die gesamte idea-Redaktion auf dem Grat zum rechtsextremen Milieu balancieren, stellt auch die unausgesprochene, doch logisch zwingende Frage in den Raum, ob dies von der EKM als tragbar angesehen wird. Es liegt daher auf der Hand, daß Wagner die Chance nicht ergreifen wollte, mit einem klärenden Gespräch im Augustinerkloster einen versöhnlichen Kurs einzuschlagen.

Klar ist: Es bestanden weder vor noch nach dem Gespräch irgendwelche ernst zu nehmende Zweifel am freiheitlichen, demokratischen Geist von Helmut Matthies und idea. Klar ist ebenso, daß Oberkirchenrat Wagner offenbar nicht davon abrücken will, Matthies und idea zu kompromittieren, indem er sein „unsinniges“ (Spaemann) Extremismus-Urteil über die JUNGE FREIHEIT unbeirrt weiter vertritt und die Auszeichnung des idea-Leiters damit verknüpft. Oberkirchenrat Wagner steht mit seiner Auffassung auch in Opposition zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das 2005 feststellte, daß durch eine "extremistische" Einstufung der JUNGEN FREIHEIT ihr Grundrecht auf Pressefreiheit wiederholt verletzt worden war. Unklar und fraglich ist andererseits, ob auch Bischöfin Junkermann selbst, als leitende Repräsentantin der Mitteldeutschen Kirche, in die rückfällige Verurteilung durch ihren Bildungsdezernenten einstimmt oder ob sie bereit ist, die enorme Lebensleistung von Matthies und die jahrzehntelange, verdienstvolle Arbeit der wichtigen evangelischen Stimme „idea“ vorbehaltlos anzuerkennen.

Die absurden, konstruierten Vorwürfe aus der EKM an Matthies und idea sind also trotz des Zusammentreffens im Augustinerkloster nicht aus der Welt geräumt. Sie stehen unverändert im Raum und gefährden nicht zuletzt auch das Vertrauenskapital der Leitung einer Landeskirche, die nicht die Rolle einer Politkirche mit zweifelhaften, polarisierenden Urteilen übernehmen sollte. Eine Bischöfin, die sogar für ehemals regimetreue Spitzel und Denunzianten des DDR-Staates gefordert hat, diese nicht in Schubladen zu sperren, sollte erst Recht von ihrem Bildungsdezernenten verlangen, verunglimpfende Erklärungen über einen verdienten Demokraten und Publizisten wie Helmut Matthies zu unterlassen. Oberkirchenrat Wagner bringt damit nicht nur den idea-Leiter, sondern die gesamte Evangelische Nachrichtenagentur idea und ihren Vorstand zu Unrecht in Verruf. Mit den Worten Robert Spaemans gesagt: Dies bleibt empörend. Wer wüßte es besser?


die Kirche -> Mitteldeutsche Kirche bleibt bei Kritik an Magazin "idea" (Print-Ausgabe 5, 31. Januar 2010)

EKM -> Mitteldeutsche Kirche bleibt bei Kritik an "idea"-Leitung

epd Ost -> Mitteldeutsche Kirche bleibt bei Kritik an "idea"-Leitung

JUNGE FREIHEIT -> Spaemann: Die Vorwürfe gegen Helmut Matthies sind empörend

idea -> idea hat mit Rechtsextremismus nichts zu tun

EKM -> Klärende Begegnung zwischen der EKM und idea

JUNGE FREIHEIT -> Professor von Campenhausen: „Mißliebige zu Extremisten stempeln"

MEDRUM ->Die Geschichte einer Verleumdung

MEDRUM -> Solidarisierung mit Helmut Matthies

JUNGE FREIHEIT -> Die Reformation und das vergoldete Kälbertum

EKM -> Bildungsdezernent der EKM kritisiert Leiter der Evangelischen Nachrichtenagentur idea ...


 

Leserbriefe

Seit gut 30 Jahren gehört idea zu meiner regelmäßigen Lektüre. OKR Wagner hat keinen einzigen Artikel benannt, der seine Vorwürfe belegen könnte. Seit gut 20 Jahren schreibe ich in lockeren Zeitabständen und ehrenamtlich für idea. OKR Wagner beleidigt also auch mich, den badischen Kollegen von ihm mit breiter EKD-Erfahrung. Wer gelernt hat, Zusammenhänge zu sehen, erkennt unschwer, dass sich Wagner in eine antievangelikale Stimmung in diesem Lande einreiht. Sie beginnt mit dem Jugendkongress Christival in Bremen und geht über einen Seelsorge-Kongress in Marburg bis zu Sendungen beim ZDF (frontal21) und in der ARD (Panorama). Dagegen hatten sich der bisherige EKD-Ratsvorsitzende Huber und der bisherige Rat der EKD in wünschenswerter Deutlichkeit ausgesprochen. Wagner kommt das besondere "Verdienst" zu, die Kampagne gegen die Evangelikalen nun auch innerkirchlich in Szene zu setzen. Damit erweist er sich als unqualifiziert zum kirchenleitenden Amt. Er müßte längst wissen, dass der Kirche schadet, wer die Evangelikalen angreift. Das ist der harte Kern des Problems. Die Diskussion über den Preis und die Junge Freiheit lenkt davon nur ab.

Klaus Baschang Oberkirchenrat i. R.
Schlehenweg 3, 76149 Karlsruhe

Lieber Herr Baschang, herzlichen Dank, daß Sie sich für die Meinungsfreiheit einsetzen. Wie schön, daß es in unserer Badischen Kirche solche Männer wie Sie gibt, die auch im Ruhestand nicht nur eine klare Meinung haben, sondern diese auch öffentlich kund tun. Ich befürchte, daß es in gewissen Kirchen noch eine "linke Seilschaft" gibt, die alle, welche nicht ihrer Meinung sind, als "rechts" bezeichnen. Wenn wir wirklich zusammenwachsen wollen, sollte jeder genau nachdenken, was er von sich gibt, vor allem wenn er im Namen seiner Kirche spricht. (Ich bin von Geburt eine lutherische Sachsen-Anhaltinerin) Ihnen weiterhin Gottes Segen und den Mut zum klaren Bekenntnis.
Ursula Gaßner, Pfarrerin i.R.

Wo Menschen mit christlichem Anspruch anderen Christen nach persönlichen oder gesellschaftlich opportunen Wertigkeitskategorien "Unbedenklichkeitssiegel" aufdrücken wollen (oder verweigern), machen sie sich verdächtig. Gott sei Dank gibt es das Recht der freien Meinungsäußerung, des freien Wortes und - so habe ich es in den Jahren der SED-Bevormundung erlebt - hatte die Kirche diesbezüglich eine anerkennenswerte rühmliche Vorreiterrolle. Preiszuerkennungen sind immer noch Anerkennungen von Leistungen durch Preisstifter von aussen. Glücklicherweise gibt es keine "Zentral (-komitee) vergabe" in Berlin mehr, muß man diesbezüglich niemand um Erlaubnis fragen oder sich besonderer staatstragender Loyalitätsverdienste würdig erwiesen haben. Gerhard Löwenthal oder die Junge Freiheit muß man persönlich nicht mögen, aber persönliche Aversionen oder persönliche politische Denkrichtungen haben bei öffentlichen Stellungnahmen hintanzustehen. Unabhängige und streitbare Geister tun in unserem Land bitter Not, auch wenn Angepasstheiten und Zwänge wieder das öffentliche Leben bestimmen und die Karriere weithin beflügeln. Über OKR Wagners Intention zu medienwirksamen Verlautbarungen kann nur spekuliert werden.  idea hat sich die Freiheit bewahrt, unabhängig und unangepasst zu sein. Damit sticht sie, - gleichwohl auch die JF, - heraus aus dem großen Blätterwald weichgespülter, sich nur marginal unterscheidender Presseorgane. Diffamierungen und öffentliche Herabwürdigungen überschreiten eine Tabugrenze, - nämlich die, demokratischer Spielregeln. Und die gelten in Mitteldeutschland seit 1989 wieder, ...oder immer noch!