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Kollektives Versagen in einer fundamentalen Verfassungsfrage


09.07.09

Kollektives Versagen in einer fundamentalen Verfassungsfrage

"Abgeordnete sollten Entscheidung über Lissabon nun dem deutschen Volk überlassen"

(MEDRUM) Der Bevollmächtigte Vertreter vor dem Bundesverfassungsgericht von Peter Gauweiler (CSU), Professor Dietrich Murswiek, bringt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Lissabonner Vertrag im Interview in der "JUNGEN FREIHEIT" auf den Punkt. Die verfassungswidrigen Entscheidungen der Abgeordneten des Deutschen Bundestages nennt er ein "Versagen in einer fundamentalen Verfassungsfrage".

12 wesentliche Feststellungen von Dieter Murswiek:

  • Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist wegen der Frage des Souveränitätsverlusts spektakulär und weitreichend.
  • Offenbar hat man ein politisches Interesse, den Richterspruch herunterzuspielen. Aber es sind eben nicht nur Marginalien, die für verfassungswidrig erklärt wurden.
  • Es ist Aufgabe der Medien, darzustellen, daß es sich hier nicht nur um einen Bagatellfehler handelt, wie die Politik uns das gerne verkaufen möchte, sondern um ein Versagen in einer fundamentalen Verfassungsfrage.
  • Es sind in der Tat erstaunlich viele Personen gewesen, ... die sich auch beratungsresistent gezeigt haben. So hatte der Abgeordnete Gauweiler beantragt, neben den als EU-Enthusiasten bekannten Professoren auch einen Wissenschaftler, der eine kritische Sicht auf den Vertrag von Lissabon hätte vermitteln können, als Sachverständigen einzuladen; der Antrag wurde abgelehnt.
  • Das Bundesverfassungsgericht mußte den Bundestag zwingen, die Rechte zu bewahren, die er freiwillig und unter Verstoß gegen das Grundgesetz aufzugeben bereit war (Peter Gauweiler: "Selbstkastrierung").
  • Mittels Lissabon wäre die EU auf leisen Sohlen und Stück für Stück immer mehr so etwas wie ein europäischer Superstaat geworden.
  • Der EU-Vertrag ist laut Urteil zwar mit dem Grundgesetz vereinbar - aber nur mit dem Inhalt, der sich aus der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts ergibt, und wenn dessen Auslegung äußerst restriktiv und zugunsten des Souveränitätserhalts der Mitgliedstaaten erfolgt.
  • Wenn der durch Artikel 79 Absatz 3 definierte Verfassungskern von Bundestag oder Regierung bewußt verletzt werden würde, dann wäre das in der Tat so etwas wie ein Staatsstreich.
  • Mit diesem Urteil ist klar, daß unser Grundgesetz einen europäischen Bundesstaat nicht zuläßt.
  • Jetzt ist klar, zumindest soweit es Deutschland betrifft, hat das Karlsruher Bundesverfassungsgericht und nicht der Luxemburger EuGH das letzte Wort.
  • Die Öffentlichkeit sollte die Arbeit des EuGH kritischer beäugen und dort, wo es zu juristisch kaum zu rechtfertigenden Kompetenzausweitungen kommt, protestieren.
  • Da sich Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung als nicht ausreichend verantwortungsbewußt erwiesen haben, wäre es politisch und moralisch notwendig, nun dem deutschen Volk die Entscheidung zu überlassen.

          Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes kann symbolisch als ein Mißtrauensvotum gegenüber den Vertretern in der Parteiendemokratie unseres Landes betrachtet werden. Das Ratifizierunggesetz war mit 515 Ja-Stimmen und 58 Nein-Stimmen, bei 1 Enthaltung angenommen worden.

          Letztlich war es der politischen Kompetenz und Courage des CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler zu verdanken, dass die Fehlentscheidung des Bundestages durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt werden konnte, da er die Hauptklage beim Bundesverfassungsgericht geführt hat. Er hatte bereits 2008 erklärt:

          • Diese neue Europäische Union des Vertrages von Lissabon beansprucht, über das bisherige EU-Recht hinaus, dass ihr Recht - nicht nur ihr im Vertrag von Lissabon formuliertes faktisches „Verfassungsrecht", sondern auch jede Richtlinie und Verordnung - Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten, einschließlich deren Verfassungsrecht, hat. Damit ist für die Deutschen der letztverbindliche Schutz des Grundgesetzes und der Schutz der Länderverfassungen durch die deutsche Exekutive und die deutsche Gerichtsbarkeit zur Disposition gestellt beziehungsweise beseitigt.
          • Die vorbehaltlose Zustimmung zu diesem Vertrage entmachtet nicht nur die gewählte Volksvertretung, sondern auch das Bundesverfassungsgericht und überträgt die Kompetenz zur verbindlichen Entscheidung aller das Verhältnis zwischen Europäischer Union und Mitgliedstaaten betreffenden Kompetenzfragen dem Gerichtshof der Europäischen Union.

          Die große Mehrzahl der Repräsentanten des Deutschen Volkes hingegen, so kann resümiert werden, hat - im Gegensatz zum CSU-Politiker Peter Gauweiler und dem Bundesverfassungsgericht - eklatant versagt.  Die Entscheidungen von mehr als zwei Dritteln der deutschen Abgeordneten zum Lissabonner Vertrag gehörten nicht zu den Sternstunden des Deutschen Bundestages.


          JUNGE FREIHEIT -> „Das ist ein epochales Urteil"

          MEDRUM -> Kollektives Versagen in einer fundamentalen Verfassungsfrage


          Leserbriefe

          Diese Partei hatte auch geklagt!

          http://ccc-chriscuschris.de/

          Die Zielrichtung der Klage der LINKEN war nicht dieselbe. Dies wird an den Gründen für die Klage der LINKEN deutlich, über die in einem Artikel des Abgeordneten der LINKEN, Alexander Ulrich, MdB, u.a. gesagt wird: "Das Europäische Parlament darf aber weniger mitentscheiden als etwa der Deutsche Bundestag. ... Das Europäische Parlament hat zudem kein Recht, Gesetze vorzuschlagen. ... DIE LINKE will mehr Europa, so fordern wir eine europäische Wirtschaftsregierung, um Wirtschaftsnationalismus zu überwinden."