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  • Der Weg der Bundesregierung bis zum Lockdown


    17.05.20

    Der Weg der Bundesregierung bis zum Lockdown

    von Kurt J. Heinz

    (MEDRUM) "Es ist Ernst. Nehmen Sie es auch ernst." Das waren die Worte der Bundeskanzlerin bei ihrer Rede am 18. März 2020 an die deutsche Öffentlichkeit, mit der sie Bürgerinnen und Bürger auf Eingriffe in Grundrechte und in das Leben der Menschen einschwor, die als Notmaßnahme gegen die Ausbreitung des Coronavirus gedacht waren.  Es war das erste Mal, dass die Bundeskanzlerin sich einer Rede, die als "Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede" bezeichnet werden könnte, sich direkt an die deutsche Bevölkerung wandte. Bis zu diesem Tag waren genau 78 Tage vergangen, seitdem bekannt geworden war, dass sich in China ein mysteriöses Virus auszubreiten begann.

    Angela Merkel: Öffentliches Leben herunterfahren

    Ende Dezember 2019 gab es erste Meldungen über ein neuartiges Virus, das in China aufgetaucht war. 78 Tage später trat die Bundeskanzlerin vor die Kameras (18. März 2020) und begründete weitreichende Schließungsmaßnahmen, die sie zuvor mit den Regierungschefs der Bundesländer vereinbart hatte.

    Seit dem Zweiten Weltkrieg habe es keine derartige Herausforderung gegeben, sagte Merkel in ihrer vom Fernsehen übertragenen Rede, mit der sie einschneidende Maßnahmen begründete. Sie erklärte, Richtschnur all ihres Handelns sei es, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, sie über die Monate zu strecken, und so Zeit zu gewinnen, Zeit, damit diejenigen, die erkranken, bestmöglich versorgt werden könnten. Die Krankenhäuser wären völlig überfordert, wenn in kürzester Zeit zu viele Patienten eingeliefert werden würden. Deswegen gehe es darum, das öffentliche Leben so weit es eben möglich sei, herunterzufahren. Dies sei existentiell. Vorerst gebe es keine Veranstaltungen mehr, keine Messen, keine Konzerte, und vorerst auch keine Schule mehr, keine Universität, kein Kindergarten, kein Spiel auf einem Spielplatz (► Video der Rede).

     

    Große Zustimmung für Merkel

    Trotz aller Einschränkungen, die den Bürgern Deutschlands in der Folge auferlegt wurden, sieht der überwiegende Teil die drastischen Maßnahmen als gerechtfertigt an. Die Regierenden erfreuen sich einer lange Zeit nicht gekannten Zustimmung. 89 % der Befragten sagten laut Politbarometer des ZDF vom 27.03.2020, die Bundesregierung mache ihre Arbeit in der Corona-Krise eher gut (Medienspiegel). 75 % der Befragten sagten, die Maßnahmen zur Einschränkung der Corona-Pandemie seien gerade richtig. Im Politbarometer Extra vom 8. Mai meinten immer noch 81 % der Befragten, die Bundesregierung mache ihre Sache eher gut (Medienspiegel). Und Angela Merkel erzielt trotz oder wegen Corona Höchstwerte und steht an der Spitze der beliebtesten Politiker mit einer Note von 2,6. Nach ihr kommen mit Markus Söder (2,1), Olaf Scholz (1,9) und Jens Spahn (1,3), drei weitere "Macher" in der Corona-Krise.

    Zum Zeitpunkt des Fernsehauftrittes der Kanzlerin war die Pandemie längst schon in Italien ausgebrochen und hatte zahlreiche Todesopfer gefordert. Der erste Coronakranke wurde am 20. Februar in der Ortschaft Codogno gemeldet und ab Ende Februar begannen sich in Bergamo die Krankenhäuser rasant zu füllen. Dennoch wurden in Bayern am 15. März, also drei Tage bevor die Kanzlerin mit größter Eindringlichkeit zur Verkündigung des Kontaktverbotes an die deutsche Öffentlichkeit herantrat, noch Kommunalwahlen abgehalten. Die Behörden und auch Ministerpräsident Söder beschwichtigten zuvor. Stifte und Papier seien nicht ansteckend, meinte Markus Söder laut ZDF. Andrerseits hatte die Staatsregierung zu diesem Zeitpunkt bereits die Schließung aller Kindertagesstätten ab 16. März angeordnet.

    "78 Tage bis zum Lockdown. Die verlorenen Wochen"

    Ob der Bundesregierung die unerwartet hohe Zustimmung auch dann noch erhalten bleibt, wenn etwa klar werden würde, dass es gravierende Versäumnisse gab und der wochenlange Lockdown mit all seinen Folgen hätte vermieden werden können, bleibt abzuwarten. Vorerst hat sich öffentlicher Protest auf die Einschränkungen fokkusiert, die der Bevölkerung auferlegt wurden.

    Doch es wird ebenso zunehmend die Frage gestellt, ob die Bundesregierung rechtzeitig und angemessen gehandelt hat. So berichtet die WELT am SONNTAG (Ausgabe vom 17.05.20) über eine ganze Reihe von Defiziten und kommt zu dem Schluß, dass viele Wochen verloren wurden, bis gehandelt wurde. Die WELT verwendet dabei auch eine Reihe ihr vorliegender, aber nicht öffentlich zugänglicher Quellen. Die Erkenntnisse wurden unter die Überschrift gestellt: "78 Tage bis zum Lockdown. Die verlorenen Wochen" (Medienspiegel). Der Bayerische Rundfunk (BR) bezieht sich auf die gleichen Quellen, die der WELT vorliegen, und stellt fest, dass die Gefahr einer Pandemie durch das Coronavirus in Deutschland unterschätzt worden sei. Der BR: "Das geht unter anderem aus vertraulichen Dokumenten hervor, die BR und Welt am Sonntag ausgewertet haben." (Medienspiegel)

    Erste Frühwarnmeldungen im Dezember 2019 verhallen ungehört

    Bereits im Dezember habe der Bundesnachrichtendienst vom neuen Virus in China erfahren, schreibt die WELT. Am 31. Dezember 2019 habe die dpa eine Meldung über eine mysteriöse Lungenkrankheit in China gebracht: "Es geht um eine unbekannte Lungenentzündung in China". Ebenfalls am 31. Dezember habe das internationale Frühwarnsystem ProMED eine E-Mail versendet, die auch nach Berlin an das Robert-Koch-Institut gegangen sei. Doch seien diese Meldungen nicht beachtet worden, so die WELT.

    Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten: "Geringes Risiko"

    Wie die WELT weiter berichtet, wies auch der Medizinische Dienst der Lufthansa am 6. Januar auf eine neuartige Krankheit in China hin, und das Auswärtige Amt hatte demzufolge seine Reise- und Sicherheitshinweise zu China im Bereich „Gesundheit“ ergänzt. 

    Am 8. Januar bestätigte China, dass ein neuartiges Coronavirus festgestellt worden sei.

    Am 9. Januar verschickt das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC, Abbildung links) seinen ersten Bericht an die Mitgliedstaaten: Laut WELT schätzte das ECDC das Risiko für Reisende als „gering“ ein, ebenso die Eintrittswahrscheinlichkeit des Virus in die EU.

    Spätestens am 20. Januar war die Dringlichkeit, mit der das neuartige Coronavirus zu betrachten war, augenscheinlich geworden. Wie die Medien berichteteten, trat der Staatschef Chinas selbst an die Öffentlichkeit heran und wies auf den Ernst der Lage hin. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Virus schon in weitere Länder ausgebreitet und wurde in Thailand und Japan festgestellt. Die WELT hebt hervor: Zwei Tage später führte Angela Merkel mit dem chinesischen Staatschef ein Telefongespräch. Dabei sei es um Handelsfragen und ein Treffen mit der EU gegangen, aber das Virus sei von deutscher Seite mit keinem Wort erwähnt worden.

    Erster Testnachweis

    Der Berliner Virologe Christian Drosten entwickelte noch im Januar mit Hochdruck an der Berliner Charité ein Verfahren für den Testnachweis, wie die Berliner Charité mit einer Pressemeldung am 16. Januar mitteilte (Abbildung links).

    Drosten gehörte zu den Entdeckern des SARS-Virus 2002. Er wurde für seine Leistungen bei der Entwicklung eines diagnotischen Tests 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

    Drosten besorgt, Spahn und Wieler stimmen auf falsche Aussagen ein

    Im Interview mit dem SPIEGEL vom 21. Januar riet Drosten zu besonderer Vorsicht. Die Übertragung des Virus scheine besonders schnell zu gehen, war seine Einschätzung (Medienspiegel).

    Gesundheitsminister Jens Spahn und der Präsident des RKI, Lothar H. Wieler, erklärten ihrerseits hingegen in Interviews, dass Deutschland beruhigt sein könne. Dazu die WELT wörtlich: "Spahn erklärt, das Infektionsgeschehen sei milder als bei der Grippe. Die Deutschen werden eingestimmt – auf falsche Aussagen, wie sich zeigt." Deren Kenntnisse beruhten, so die WELT, weitgehend auf dem Kenntnisstand der WHO und ECDC. Spahn habe sogar gesagt, das Risiko für Deutschland sei „sehr gering“.

    In dieser Fehleinschätzung wurde Spahn auch vom Präsidenten des RKI gestützt. Wieler meinte in der Sendung nano vom 22. Januar: "Insgesamt gehen wir davon aus, dass sich das Virus nicht sehr stark auf der Welt ausbreitet.“ (Medienspiegel) Die wenigen Fälle in China würden gut behandelt. Eine gegenteilige Äußerung kam in der gleichen Sendung von dem deutschlandweit bekannten Virologen und Epidemiologen Alexander Kekulé. Er hatte erklärt: „Ich teile nicht ganz die Gelassenheit des Robert-Koch-Instituts. Ich rechne auch in Europa mit Fällen, wir müssten uns auch in Deutschland darauf vorbereiten." Wie sich im weiteren Verlauf zeigen sollte, wurden - entgegen Kukulé's Empfehlung - keine vorbereitenden Maßnahmen

    Infektion kommt in Europa an - Spahn: "Ansteckungsgefahr gering"

    Am 24. Januar kommt das Virus schließlich in Europa an. Zuerst in Frankreich, am 27. Januar auch in Deutschland bei Mitarbeitern der Firma Webasto. Wie der Münchner Merkur am 29. Januar berichtete, äußerte Spahn, die Ansteckungsgefahr in Deutschland sei weiterhin gering: „Daher möchte ich auch alle zur Gelassenheit aufrufen. ... Für übertriebene Sorge gibt es keinen Grund.“ Es sei zu erwarten gewesen, dass das Virus Deutschland erreichen werde, sagte Spahn. Es habe sich aber auch schon gezeigt, dass das Land gut vorbereitet sei. Er sei zuversichtlich, dass eine weitere Ausbreitung in Deutschland verhindert werden könne (Medienspiegel).

    Zu diesem Zeitpunkt hat die Lufthanse nach einem Coronavirus-Verdacht in einer Lufthansa-Maschine drastische Maßnahmen ergriffen - und sämtliche Flüge nach China ausgesetzt. "Vorerst bis zum 9. Februar werden keine Lufthansa-Flugzeuge in China landen", meldete die Zeitung Merkur weiter.

    Besorgnis von Spahn gilt Verschwörungstheorien, nicht aber dem Virus

    Der Gesundheitsminister meinte dennoch, das Virus beunruhige ihn nicht. Ihn beunruhigten vielmehr Verschwörungstheorien. Dementsprechend berichtet am 29. Januar die Rheinische Post unter der Überschrift "Spahn warnt vor Verschwörungstheorien zum Coronavirus", Spahn habe den Eindruck, dass viele in den sozialen Medien unterwegs seien, die unsere Gesellschaft zersetzen wollen (Medienspiegel). 

    Virlologe Kekulé warnt vor chinesischen Verhältnissen, erhält aber keine Antwort 

    Doch, wie die WELT es als Gegensatz herausstellt, andere handeln: "Linien wie Lufthansa und British Airways stellen Ende Januar alle China-Flüge ein." Zur Frage offener Grenzen nimmt die WHO zu diesem Zeitpunkit die Haltung Chinas ein und spricht sich für offene Grenzen aus.

    Eine andere Haltung vertrat der Virologe und Epidemiologe Alexander Kekulé im Bayerischen Rundfunk: „Nun sagen die Behörden, dass Maßnahmen an den Flughäfen nichts bringen und dass die normale Grippeinfektion viel schlimmer sei. Das ist natürlich falsch. Man muss die Ausbreitung dieses Virus, das nichts anderes als ein Sars-Virus ist, verhindern. Sonst kriegen wir chinesische Verhältnisse.“ (Medienspiegel) Kekulé wendete sich mit seiner Besorgnis an das RKI, sagt aber im Corona-Kompass des MDR dazu, dass er keine Antwort erhalten habe.

    Prof. Kekulé ist Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Mikrobiologie und Virologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums Halle. Von 2003 bis 2015 beriet er die Bundesregierung als Mitglied der Schutzkommission zum Seuchenschutz. Seit zwei Monaten bietet er in Zusammenarbeit mit dem MDR täglich den Corona-Kompass an (Abbildung links).

    Vorkehrungen aus dem Pandemieplan 2012 wurden nicht umgesetzt

    Ohne Konsequenzen blieb dem WELT-Bericht zufolge auch ein Pandemieplan aus dem Jahr 2012, in dem präzise Vorkehrungen gegen eine Pandemie definiert und empfohlen wurden. Es müsste wesentlich mehr Geld ausgegeben werden, um gegen eine Pandemie gewappnet zu sein, so zitiert die WELT die Forderung des Berichts. Dabei ging es auch um Schutzausstattungen. Doch blieben diese Erfordernisse offenbar unbeachtet. Stattdessen wurden im Februar Hilfslieferungen an China geleistet, die, wie die WELT schreibt, sich später als naiv erwiesen. Die deutschen Stellen schätzten die Lage anscheinend falsch ein.

    Hersteller von Schutzmaterial warnt Gesundheitsminister vergeblich

    Ein Hersteller von Schutzmaterial wandte sich besorgt an den Gesundheitsminister, denn er verkaufte einen kompletten Monatsvorrat an einem Tag. Die WELT: "Anfang Februar schreibt er dem Gesundheitsminister, er sei besorgt, es könne zu bedenklichen Engpässen an Schutzmaterial kommen. Keine Reaktion.

    Tage später schreibt er Spahn wieder. Wieder keine Antwort. Die bekommt er erst, als er im Fernsehen warnt." Der besorgte Unternehmer warnte Spahn: "Wie kann es sein, dass private Wirtschaft mehr zum Schutz des Staates übernimmt als der Staat selbst. ... Sie müssen dringend beginnen zu agieren und nicht nur zu reagieren."

    Spahn: Pandemie eine "zurzeit irreale Vorstellung"

    Auch Mitte Februar blieb Spahn bei seiner abwiegelnden Haltung. Die Möglichkeit einer Pandemie bezeichnete er als eine "zurzeit irreale Vorstellung". Notfalls könne man viele Krankenhauszimmer durch entsprechende Maßnahmen zu Isolierzimmern umgestalten. 

    Vor diesem Hintergrund wird in der Ortschaft Gangelt im Landkreis Heinsberg am 15. Februar noch kräftig Karneval gefeiert.

    Infektionsketten in Italien nicht mehr nachvollziehbar

    Erst als in Italien die Lage immer dramatischere Ausmaße annimmt, zeichnet sich in der Bundesregierung ein allmähliches Umdenken ab. Spahn erklärt dazu in einer Pressekonferenz am 24 Februar: „Die Infektionsketten sind teilweise nicht mehr nachzuvollziehen. Insofern ändert sich durch die Lage in Italien auch unsere Einschätzung der Lage. Die Coronaepidemie ist als Epidemie in Europa angekommen und deshalb müssen wir auch damit rechnen, dass sie sich in Deutschland ausbreiten kann. Ich bin davon überzeugt, dass wir bestmöglich vorbereitet sind und uns vorbereitet haben.

    Atemschutzmaske absolute Mangelware

    Noch sind weder Grenzschließungen geplant, noch Schutzmasken empfohlen. Das RKI sieht „keine hinreichende Evidenz“, dass sie das Risiko einer Ansteckung Gesunder verhinderten. Spahn selbst empfiehlt, in den Ellbogen zu husten und Hände zu waschen. So könnten alle Bürger etwas für den Gesundheitsschutz tun. Einen Mundschutz hält er für unangebracht, denn der könne die Menschen in trügerischer Sicherheit wiegen. Fakt ist, dass zu diesem Zeitpunkt Atemschutzmasken in ganz Deutschland absolute Mangelware sind (MEDRUM berichtete darüber).

    Einschneidende Quarantänemaßnahmen im Landkreis Heinsberg

    Zwei Tage später wird das Ausmaß der Infektionsausbreitung in Heinsberg deutlich. Der Landrat richtet am 26. Februar einen Krisenstab ein und lässt alle Schulen schließen. Es wurde festgestellt, dass sich zahlreiche Menschen mit dem Coronavirus angesteckt hatten. Um eine Weiterverbreitung zu verhindern, wurden den Menschen im Landkreis einschneidende Quarantänemaßnahmen auferlegt.

    Das RKI ändert nun seine Risikobewertung von "gering" auf "gering bis mäßig". Auch diese Einschätzung war unzureichend, wie sich zwei Wochen später herausstellen sollte. Bei einer Besprechung stellt das Gesundheitsministerium fest, dass Schutzmasken in Deutschland knapp werden und für den Eigenbedarf in Deutschland ein Vorrang eingeräumt werden müsse, ggf. auch ein Exportverbot für medizinische Schutzausstattungen in Kraft gesetzt werden müsste.

    Dessenungeachtet wird in Deutschland der Straßenkarneval gefeiert und in Passau wird am 26. Februar der politische Aschermittwoch veranstaltet. 

    Virologe Kekulé warnt: alle Kriterien einer Pandemie sind erfüllt, erhält aber erneut keine Antwort

    Erneut wird der Virologe Kekulé vorstellig. In einem Gastbeitrag für die ZEIT schreibt er am 25. Februar: "Aufgrund der hohen Ausbreitungsgeschwindigkeit und der Tatsache, dass auch Infizierte mit geringen Symptomen offenbar ansteckend sind, würde es an ein Wunder grenzen, wenn sich eine weltweite Ausbreitung des Virus noch verhindern ließe." Aus seiner Bestandsaufnahme folgert Kekulé eine "unbequeme Wahrheit": Die Epidemie mit dem neuen Coronavirus ist bereits jetzt eine Pandemie, also ein nicht mehr zu kontrollierender Ausbruch über mehrere Kontinente. Spätestens mit den aktuellen Übertragungsketten in Italien, die über mehrere Stufen gingen und nicht auf einen Import zurückgeführt werden können, sind alle Kriterien einer Pandemie erfüllt."

    Kekulé sagte dazu ergänzend, dass er den zuständigen Stellen vorgeschlagen hatte, ab sofort alle in die Krankenhäuser eingelieferten Fälle schwerer oder untypischer Lungenerkrankungen auf Sars-CoV-2 zu untersuchen. Weiter betonte Kekulé wie wichtig eine ausreichende medizinische Schutzausrüstung für das medizinische Personal ist, dass diese jedoch nicht überall in ausreichender Stückzahl vorrätig sei. Insgesamt, so hat sich Kekulé laut WELT in einer E-Mail an Innenminister Seehofer und Gesundheitsminister Spahn geäußert, sah er eine exponentielle Zunahme der Infektionsfälle voraus und erkannte darin eine unmittelbare, hohe Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung, der staatlichen Strukturen und der Wirtschaft.“ Zugleich stellt er einen kurzzeitigen, zweiwöchigen Lockdown vor, mit der Absage von Großveranstaltungen, vorübergehenden Schließung von Kitas und Schulen, sowie Einreisekontrollen und Social Distancing (Abstand halten). Doch Kekulé erhält der WELT zufolge keine Antwort.

    Angela Merkel plädiert für Maß und Mitte

    Am 28. Februar findet erstmals eine Besprechung im neu gebildeten Krisenstab statt. Aus dem Besprechungsprotokoll, das der WELT vorliegt, geht hervor, dass sich Gesundheitsministerium, Kanzleramt und Auswärtiges Amt gegen eine strengere Kontrolle der Grenzen aussprechen. Die Bundeskanzlerin äußert sich an diesem Tag erstmals zu Corona und plädiert bei einem Empfang in ihrem Wahlkreis Stralsund dafür, "Maß und Mitte" einzuhalten. Eine Absage von Großveranstaltungen hält sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht für notwendig. Das RKI empfahl, die Durchführung von Großveranstaltung für jede einzelne Veranstaltung abzuwägen.

    Anfang März nimmt die Zahl der Infizierten in Deutschland zu. Vom 29. Februar steigt die Zahl der Neuinfizierten innerhalb einer Woche von 70 auf 795 am 7. März, also eine Verzehnfachung in 7 Tagen. Es ist der vom Virologen Kekulé zuvor befürchtete Beginn eines exponentiellen Anstiegs, der auf mehr als 6000 Neuinfektionen bis Mitte März anstieg.

    Drosten: Erkrankung in erster Linie eine Erkältung und Ausbreitung geringer als bei pandemischer Influenza

    Noch am 2. März erklärte der Virologe Drosten in der Bundespressekonferenz, in den sozialen Medien gebe es viele Bestrebungen, auch zu dramatisieren. Es gebe inzwischen so Firmen, die versuchten, Geld zu machen mit Informationen. Was er da so lese, gehe immer in Richtung einer möglichst hohen Einschätzung des Risikos. Drosten dazu: "Ich sehe das nicht, ganz ehrlich gesagt, außer, in ganz grundsätzlichen Überlegungen. ... Ganz einfach gesagt: Wir haben viele milde Fälle. Diese Erkrankung ist eine Erkältung in erster Linie, eine Erkältung, die mehr so die unteren Atemwege betrifft, und die ist im Prinzip für den Einzelnen gar kein Problem. Worüber wie uns Gedanken machen, ist der Druck auf die Gesellschaft, es geht um alle, um die Kapaziäten des Medizinsystems, um die Kapazitäten, die wir haben. Und der Druck auf die Gesellschaft, den wir durch so eine Erkrankung haben, ist sehr von der Geschwindigkeit abhängig. Für die Gesellschaft mache es einen großen Unterschied, ob alle diese Fälle auf einmal kommen oder sich über lange Zeit ausdehnen."

    Das sei das, was am allerschwersten zu schätzen sei, so Drosten. Ein Blick in die gegenwärtigen Zahlen deute aber darauf hin, dass die Ausbreitung geringer sei als bei einer pandemischen Influenza. Es könne aber sein, dass er sich da grob verschätze. 

    Professorin: Es macht keinen Sinn, dass wir alle hier mit Masken rumlaufen

    Minister Spahn rief zur Wachsamkeit auf und meinte: "An bestimmten Stellen in Deutschland wird der Alltag ein Stück eingeschränkt sein müssen." Auf die Frage, ob damit zu rechnen sei, dass irgendwann die Grenzen geschlossen werden, antwortete Spahn: "Die Kurzanwort auf Ihre Frage wäre: nein." Die Einstellung von Direktflügen aus China lehnte er ebenso ab. Dies wäre keine verhältnismäßige Maßnahme und liege in der Verantwortung der Fluggesellschaften, so Spahn.

    Auf die Frage der Verknappung von Schutzmitteln meinte der Minister, das Beste, was wegen der Verknappung von Desinfektionsmitteln und Schutzausstattung wie Masken gemacht werden könne, sei, dies besser zu steuern. Spahn: "Es braucht nicht jeder eine Maske zuhause". Die Spahn bei der Pressekonferenz begleitende Professorin Petra Gastmeier verstärkte Spahn's Haltung zu Schutzmasken. Sie erklärte: "Die Mitbürger, die gar kein Desinfektionsmittel brauchen, sollen darauf verzichten zugunsten des medizinischen Personals." Dies sei eine Frage der Solidarität. Und zum Thema Masken meinte sie: "Was die Maske betrifft: Mitarbeiter im Gesundheitswesen brauchen eine Maske, um sich zu schützen im Kontakt zu dem Patienten. Aber es macht keinen Sinn, dass wir alle hier mit Masken rumlaufen. Es hilft nicht. Das hat sich ja auch in Japan oder in China, wo das ja weit verbreitet ist, gezeigt, dass das nicht der richtige Weg ist."

    RKI startet tägliche Situationsberichte  

    Am 4. März 2020 beginnt das RKI,  einen täglichen Lagebericht herauszugeben. Er enthält detaillierte Angaben über das nationale und internationale Infektionsgeschehen. In seinem Bericht vom 4. März stellte das RKI unter anderem fest:

    • "Insgesamt wurden in Deutschland 262 laborbestätigte SARS-CoV-2-Infektionen aus 15 Bundesländern berichtet.
    • Im Landkreis Heinsberg (NW) ist es durch Karnevalsveranstaltungen Mitte Februar zu zahlreichen Übertragungen gekommen; 42% der Fälle in Deutschland sind darauf zurückzuführen.
    • Italien meldete 2.502 (+466) laborbestätigte Fälle mit 79 (+27) Todesfällen.
    • Das RKI schätzt bestimmte Regionen als Risikogebiete ein. In China: Provinz Hubei (inkl. der Stadt Wuhan); im Iran: Provinz Ghom, Stadt Teheran; in Italien: Region Lombardei, Stadt Vo in Region Venetien, Region Emilia-Romagna"

    Todesfälle gab es zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch nicht.

    Mit Stand vom 08.03.2020 informiert das RKI, dass Italien zu den Ländern mit den höchsten Fallzahlen gehört: "Dort wurden Fortbewegungsbeschränkungen auf die gesamte Region Lombardei und zahlreiche Provinzen anderer Regionen ausgeweitet. In ganz Italien bleiben Schulen, Kindergärten und Universitäten geschlossen und sind öffentliche Veranstaltungen weitgehend ausgesetzt. Über die Region Grand Est (ehemals Elsass, Lothringen und Champagne-Ardenne) in Frankreich wurde vermeldet, dass eine Quarantäne von engen Kontaktpersonen und Testung aller Verdachtsfälle aus Kapazitätsgründen nicht mehr erfolgen kann. Zugleich treten in Deutschland die beiden ersten Todesfälle in Verbindung mit einer Corona-Infektion auf (Heinsberg und Essen)."

    Spahn empfiehlt, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern vorerst abzusagen

    Ebenfalls am 8. März erklärt Minister Spahn der dpa, er erwarte wegen der weiter steigenden Zahl von Infektionen merkliche Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Es spricht sich dafür aus, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern "vorerst abzusagen". 

    In der Neuen Osnabrücker Zeitung (Ausgabe vom 09.03.20) stellt der Charité-Virologe mit Blick auf Aussagen, Deutschland sei bestens ausgerüstet, fest: „Es ist nicht mehr angebracht, die Lage zu verharmlosen. Wir stehen vor einer bislang nicht gekannten Bedrohungslage und können nicht absehen, was das bedeutet. Wir haben jetzt noch etwas Zeit für Planungen und Investitionen, die wir nicht vertrödeln dürfen. Wir müssen verdammt aufpassen.“

    Zwei Tage später äußert sich Angela Merkel in der Bundespressekonferenz. Am Tag zuvor hatten die Staats- und Regierungschefs der EU in einer Videokonferenz über das Thema Corona beraten. Merkel: "Es ging um die Eindämmung der Gefahr durch das Virus. Das Virus ist in Europa angelangt. Es ist da. Das müssen wir alle verstehen. Die Maßstäbe für unser politisches Handeln ergeben sich aus dem, was uns Wissenschaftler sagen. ... Unser Vorgehen muss davon bestimmt sein, dass wir unser Gesundheitssystem nicht überlasten, sondern dass wir mit den Möglichkeiten unseres Gesundheitssystems so umgehen, dass wir die Ausbreitung des Virus und der Infizierungen verlangsamen. Es geht also um das Gewinnen von Zeit, und wir werden dann natürlich auch Prioritäten setzen müssen", sagt sie. Und es gehe auch darum, das wirtschaftliche Leben einigermaßen aufrechterhalten können. Deshalb gebe es Empfehlungen des Gesundheitsministers, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen abzusagen." Aber, so Merkel, es gebe auch unterhalb dieser Schwelle etwas zu tun und damit einen guten Beitrag zu leisten. Am Ende erläuterte Merkel die Maßnahmen zur Abfederung wirtschaftlicher Folgen wie das Kurzarbeitergeld und 125 Mio Euro, die zusätzlich für die Erforschung eines Impfstoffes bereitgestellt werden sollen. Auf europäischer Ebene gebe es die Corona Response Initiative in Höhe von 25 Mrd Euro."

    Das Worst-Case-Szenario

    Für das weitere Vorgehen wird in den nächsten Tagen ein Szenarienpapier erstellt, das den "Worst Case" in den Blick nimmt. Dieser Worst Case (denkbar schlimmste Fall) spricht von einer Million Toten, falls keine Gegenmaßnahmen getroffen werden würden. Das müsse kommuniziert werden. In diesem Papier werden im Wesentlichen diejenigen Maßnahmen beschrieben, die einige Tage später der deutschen Öffentlichkeit präsentiert werden: Die Minimierung des Sozialkontaktes mit Ausgangs- und Kontaktsperren und einer weitgehenden Stilllegung des öffentlichen Lebens, die dem obersten strategischen Ziel dienen soll, den Worst Case zu vermeiden.

    Die Ministerpräsidenten befassen sich in den nächsten Tagen mit der Frage, ob Kitas und Schulen geschlossen werden sollten. Drosten, der sich noch am 11. März gegen eine Schließung ausgesprochen hatte, verkündete am 12. März in seinem Podcast, dass er seine Meinung geändert habe. Seine Begründung: Eine Studie aus den USA sei bei Untersuchungen zur Spanischen Grippe vor etwa 100 Jahren zu der Erkenntnis gekommen, dass sich die Schließung von Schulen als wirksam erwiesen habe. 

    Das nächste Treffen der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs fand am Donnerstag, 12. März, statt. Bund und Länder hatten sich beraten und in der Folge davon, wurden bereits ab 16. März Schulen und Kindertagesstätten geschlossen. In Bayern teilte die Familienministerin dazu mit: "Nach einer Allgemeinverfügung des Bayerischen Gesundheitsministeriums gilt von Montag, den 16. März 2020, bis Sonntag, den 19. April 2020, grundsätzlich ein Betretungsverbot für Kinder in Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegestellen oder Heilpädagogischen Tagesstätten in Bayern."

    Weitreichende Kontaktsperre

    Am 16. März 2020, beschloss die Bundeskanzlerin im Einvernehmen mit den Regierungschefs der Bundesländer, durch eine weitreichende Kontaktsperre das öffentliche Leben herunterzufahren und die Sozialkontakte zu minimieren.  Bund und Länder hatten sich insbesondere darauf geeinigt, Bars, Clubs, Theater, Museen, Messen, Kinos, Tierparks, Sporteinrichtungen, Schwimmbäder, Spielplätze sowie alle sonstigen Einzelhandelsverkaufsstellen zu schließen.

    Verboten wurden Zusammenkünfte in Vereinen und sonstigen Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie die Wahrnehmung von Angeboten in Volkshochschulen, Musikschulen und sonstigen öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich sowie Reisebusreisen, zusätzlich Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften.

    Schließlich einigen sich am 22. März die Bundeskanzlerin und Regierungschefs der Länder darüber hinaus, eine bundesweite Kontaktsperre zu verhängen. Damit wurde es insbesondere verboten, mit mehr als zwei Personen das Haus zu verlassen (MEDRUM berichtete über den Beschluss  von Bund und Ländern (Verhaltensregeln für die Bevölkerung). Mit der Verhängung der Kontaktsperre waren die Maßnahmen zum Herunterfahren des öffentlichen Lebens, der so genannte Lockdown abgeschlossen.

    Schwerste Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik

    Der Stillstand des Öffentlichen Lebens hielt für mehr als 6 Wochen an. Dass dies folgenschwer sein würde, war zu erwarten. Seine Folgen sind in ihrer Dramatik von Tag zu Tag sichtbarer geworden. Von einem Zangenangriff auf Deutschlands Wirtschaft spricht Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel, im Interview mit dem Spiegel (Ausgabe vom 17.05.20, siehe Medienspiegel). Er sieht große Gefahren: "Wir müssen unsere Prognosen revidieren. Wir sind zu tief gefallen."

    Damit stellt sich nicht nur die Frage, wie die Folgen verkraftet werden können, sondern zunehmend auch die Frage, ob die Bundesregierung rechtzeitig und zielgenau gehandelt hat, oder ob sie bei Vermeidung von Fehleinschätzungen nicht auch frühzeitiger und auf andere Weise hätte handeln können. Die Frage nach Handlungsalternativen stellt sich nicht zuletzt deswegen, weil sich angesichts des ansteigenden Drucks, Lockerungen zuzulassen, auch die Frage erhebt, wie reagiert werden sollte, falls einer zweiten Infektionswelle begegnet werden müsste.

    Denn mittlerweile nehmen die Probleme aus nahezu allen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft geradezu beängstigende Ausmaße an. Die Bundesregierung spannt einen Rettungsschirm nach dem anderen auf, um die Zahl von Zusammenbrüchen wenigstens vermindern zu können. Gravierende Einbrüche verzeichnen insbesondere die Autoindustrie mit ihren Zulieferbetrieben, die Deutsche Bahn, Luftverkehrsgesellschaften wie die Lufthansa, Touristikunternehmen wie die TUI, das gesamte Hotel- und Gaststättengewerbe, Einzelhandelsunternehmen und Warenhäuser, Selbstständige aus der Dienstleistungsbranche wie Friseure, die gesamte Kultur-, Unterhaltungs- und Veranstaltungsbranche sowie zahllose andere Unternehmen, die zum Teil nur noch wirtschaftlich überleben können, wenn ihnen kräftige staatliche Hilfen gewährt werden. Hinzu kommen Erwartungen aus dem Raum der EU, die geradezu gigantische Größenordnung annehmen. Von mehreren Billionen ist die Rede. Zu den Merkmalen dieser Entwicklung gehören:

    • lockdownbedingter Einbruch der deutschen Wirtschaftsleistung um 20 Prozent
    • etwa 10 Millionen Beschäftigte gingen in Kurzarbeit
    • jede Woche Kosten des Shutdowns für die Wirtschaft in Höhe eines mittleren zweistelligen Milliardenbetrages
    • Einbußen der Bahn durch lockdownbedingten Passagierrückgang von bis zu 13,5 Milliarden Euro.
    • 2,1 Millionen Deutsche sehen sich in ihrer Existenz bedroht
    • Steuerausfälle für den Staat in dreistelliger Milliardenhöhe, davon allein 13 Mrd bei den Kommunen durch fehlende Gewerbesteuern und 44 Mrd für den Bund
    • die Einrichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds durch den Bund in einem Volumen von bis zu 600 Mrd Euro
    • die Gewährung von Finanzhilfen im Rahmen der EU in Höhe von 540 Mrd Euro (240 Milliarden Euro aus dem Rettungsschirm ESM, 200 Milliarden Euro als Kredite über die Europäische Investitionsbank (EIB) und 100 Milliarden Euro über das EU-Kurzarbeitsprogramm Sure
    • die Einrichtung eines Wiederaufbaufonds für die EU in der Höhe von 500 Mrd Euro
    • die Forderung des EU-Parlamentes nach Rettungspaketen in Höhe von 2 Billionen Euro
    • Lufthansa erwartet Staatshilfen in Höhe von 10 Mrd Euro
    • der Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) fordert einen milliardenschweren Rettungsfonds
    • Steuerausfälle durch Senkung der Umsatzsteuern für gastronomische Betriebe
    • auch die Kulturbranche hofft auf die Einrichtung eines Rettungsfonds
    • fast der Hälfte aller Warenhäuser droht das Aus.

    Im Zuge des Stillstandes hat sich eine immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geöffnet, die so schnell nicht wieder geschlossen werden kann. Der Begriff "Herausforderung", den Merkel bei ihrer Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede am 18. März verwendete, bedeutet übersetzt: Es muß mit der schwersten Wirtschaftskrise seit Bestehen der Bundesrepublik gerechnet werden. 

    Statt schwarzer Null ein schwarzes Loch

    Bundestagspräsident Schäuble hat angesichts der weitreichenden Forderungen nach staatlichen Hilfen und der aufgelegten Wirtschaftshilfen vor der Hoffnung gewarnt, der Staat könne für alles aufkommen. Am Ende, so Schäuble, könne der Staat nur so viel an Hilfen und Sozialleistungen aufbringen, wie erwirtschaftet werde. Er sieht die Gefahr, die Möglichkeiten des Staates zu überschätzen.

    Was für die staatlichen Hilfen im nationalen Bereich gilt, trifft auch für die Forderungen aus dem Raum der EU zu wie Wiederaufbaufonds und Rettungspakete für notleidende EU-Staaten, die zumindest zu einem Teil durch Staaten wie die Bundesrepublik als Nettozahler finanziert werden müssten.

    Was immer deutlichere Konturen annimmt, ist die Umkehrung einer finanzpolitischen Entwicklung von der schwarzen Null zu einem schwarzen Loch. Während die schwarze Null über viele Jahre das Markenzeichen einer deutschen Haushalts- und Finanzpolitik gewesen ist, die für solides Wirtschaften stand, steht nun ein schwarzes Loch für einen Strudel, der durch kollabierende Teile der Wirtschaft entsteht und immer größere Ressourcen zu verschlingen droht, was zwar theoretisch durch finanzielle Rettungsschirme in gigantischer Größenordnung verhindert werden soll, aber drastische und schmerzhafte Konsequenzen haben dürfte. Daher ist es keine Überraschung, dass die Wirtschaft bereits vor einigen Wochen eine Ende des Lockdown gefordert hat, zumal es auch kritische Stimmen gibt, die den Lockdown für unnötig gehalten haben.

    Es wird interessant sein, was dazu einer der Top-Ökonomen Deutschlands, Hans-Werner Sinn zu dieser Problematik zu sagen hat. Er wird sich zu der Frage, wie die Wirtschaft überlebt, in seinem neuesten Buch äußern, das im Juli mit dem Titel "Der Corona-Schock" im Verlag Herder erscheinen soll.

    Nach der rigiden Einschränkung stellte sich die Frage, auf welchem Wege es möglich ist, sich wieder von dem Lockdown zu befreien, ohne eine erneute pandemische Ausbreitung herbeizuführen. Ein überzeugendes Konzept dazu gibt es nicht. Die Verantwortlichen haben immer wieder betont, dass sie "auf Sicht fahren".

    Klar und nicht umstritten dürfte sein: Ein zweiter Lockdown ist kaum vorstellbar. Es wird schon schwer genug sein, den ersten Lockdown in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu verwinden. Der Weg aus der Krise wird steinig sein und Opfer verlangen. Es ist nicht auszuschließen, dass die eigentliche Bewährungsprobe an die Solidarität nicht in der Akzeptanz der Einschränkungen durch den Lockdown, sondern in der Hinnahme der noch bevorstehenden Einschnitte besteht.


     

  • Virologe: Wir haben einen Fehler wiederholt

    Titel: 
    Virologe: Wir haben einen Fehler wiederholt
    Quelle: 
    ZDF
    vom: 
    04.03.20
    Zum Inhalt: 

    ZDF: Wie sind Chinas Maßnahmen, die ja doch auch sehr drastisch sind, vom Standpunkt eines Virologen aus zu beurteilen?

    Alexander Kekulé: China hat sehr drastisch und leider zu spät reagiert. Das ist das Hauptproblem gewesen. Am Anfang gab es ja sogar eine Vertuschung der Fälle. Man hat nicht zugegeben, wie viele (Fälle) im Land sind und hat auch am Anfang wirklich aktiv verhindert, dass die Ausbreitung bekämpft wird in Wuhan

    Dann später hat man diese erste Phase einer epidemischen Bekämpfung, wo man noch in der Lage ist kleine Infektionsherde quasi auszutreten, die hat man verpasst und deshalb nur noch mit Eingrenzungsmaßnahmen gearbeitet. Wir nennen das "Cordon sanitaire" - ein Sanitätsband um die Stadt herum gezogen. Das ist völlig schief gegangen, weil die Menschen in Scharen vorher die Stadt verlassen haben. Der Bürgermeister von Wuhan hat erklärt, dass über die Hälfte seiner elf Millionen Einwohner vorher geflohen sind, bevor dieser Cordon geschlossen war und dadurch hat das überhaupt nicht funktioniert.

  • Fernsehansprache von Bundeskanzlerin Merkel

    Titel: 
    Fernsehansprache von Bundeskanzlerin Merkel
    Quelle: 
    ARD
    Informationstyp: 
    Video
    Zum Inhalt: 

    Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger,
    das Coronavirus verändert zurzeit das Leben in unserem Land dramatisch. ...

  • Politbarometer Extra vom 8. Mai

    Titel: 
    Politbarometer Extra vom 8. Mai
    Quelle: 
    ZDF
    vom: 
    08.05.20
    Zum Inhalt: 

    Weiterhin zufrieden ist eine sehr deutliche Mehrheit der Bundesbürger mit der Arbeit der Bundesregierung in der Corona-Krise. Dass diese ihre Arbeit eher gut macht, sagen 81 Prozent, eher schlecht meinen nur 13 Prozent.

  • Corona: Drei Viertel finden Maßnahmen richtig

    Titel: 
    Corona: Drei Viertel finden Maßnahmen richtig
    Quelle: 
    ZDF
    vom: 
    27.03.20
    Zum Inhalt: 

    Eine große Mehrheit (89 Prozent) der Befragten bescheinigt der Bundesregierung gute Arbeit in der Corona-Krise (schlecht: acht Prozent; Rest zu 100 Prozent hier und im Folgenden jeweils "weiß nicht"). Diese Einschätzung teilen die Anhänger aller Parteien.

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