07.03.11
Ich habe keinen Vereinspräsidenten, sondern einen Verkehrsminister berufen
Hätte der ehemalige SPD-Verkehrsminister Reinhard Klimmt nach der Logik von Angela Merkel im Amt bleiben können?
(MEDRUM) Angela Merkel wird heftig kritisiert, weil sie mit der Feststellung, sie habe keinen wissenschaftlichen Assistenten, sondern einen Verteidigungsminister ins Kabinett berufen, den Verbleib von Freiherr zu Guttenberg im Amt des Verteidigungsminister begründete. Was ist von diesem Argument zu halten? Hält die jetzige Haltung der Unionsführung von CDU und CSU einer kritischen Prüfung im Vergleich zu früheren Fällen stand?
Die Frage, ob ein Minister im Amt bleiben soll, stellte sich auch beim ehemaligen Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt im Kabinett Schröder. Am 16. November 2000 trat Reinhard Klimmt (SPD) als Bundesverkehrsminister zurück. Hätte er zurücktreten müssen, wenn für ihn das Gleiche gegolten hätte, was Angela Merkel und die Unionsparteien für den Verbleib von Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg als Begründung anführten? Nein. Denn Reinhard Klimmt hatte sich als Verkehrsminister im Kabinett Schröder nichts zu schulden kommen lassen. Er trat zurück, weil der Fußballclub 1. FC Saarbrücken, dessen Präsident er bis 1999 war, im Rahmen eines Beratervertrages in den 90er Jahren Gelder erhalten hatte, die als unzulässiges Sponsoring angesehen wurden. Klimmt wurde deswegen von der Staatsanwaltschaft Beihilfe zur Untreue vorgeworfen. Klimmt sagte damals, er habe nicht wissentlich etwas Falsches getan, räumte jedoch ein, daß er die damaligen Verträge als Vereinsvorsitzender nicht gründlich genug geprüft hatte. Nach der Logik von Angela Merkel hätte Klimmt jedoch im Amt bleiben können. Analog zu Angela Merkel hätte Kanzler Schröder sagen können: Ich habe keinen Vereinspräsidenten, sondern einen Verkehrsminister ins Kabinett berufen.
Nicht nur der damalige Kanzler Schröder, sondern auch die CSU sahen dies jedoch anders. Die CSU, deren Parteivorsitzender Horst Seehofer jetzt mit allen hadert, die das Verhalten von Freiherr zu Guttenberg kritisiert haben, vertrat im Fall des ehemaligen Bundesverkehrsministers eine völlig andere Haltung als es die heutige Logik der CDU-Vorsitzenden Merkel nahegelegt hätte. "Wenn die Staatsanwaltschaft Koblenz jetzt einen Strafbefehl erlässt, ist Herr Klimmt als Bundesminister nicht mehr tragbar. Dann muss er sofort zurücktreten.", sagte beispielsweise CSU-Generalsekretär Thomas Goppel damals der Tageszeitung "Die Welt". Es wurde nicht unterschieden zwischen der Leistung der Person im Ministeramt und der vormaligen privaten Tätigkeit im Ehrenamt als Vereinsvorsitzender eines Fußballclubs.
Von der früheren Haltung der Union wollen viele Unionspolitiker jetzt allerdings wenig wissen. Politiker aus den eigenen Reihen, die in staatlichen Spitzenämtern sitzen und sich aus ihrer Verantwortung heraus kritisch zu den Verfehlungen von Freihherr zu Gutenberg geäußert haben, wie die Bundesbildungsministerin Annette Schavan oder der Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert, werden sogar kräftig gescholten. Darüber werde zu reden sein, drohte ihnen und Angela Merkel der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer an. Martin Lohmann, der Sprecher des Arbeitskreises Engagierter Kaholiken, forderte sogar öffentlich eine Entschuldigung des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (→ Martin Lohmann fordert Entschuldigung von Bundestagspräsident Lammert).