Embryonale Stammzellen -
Eine gespenstische, unaufrichtige Debatte
von Dr. med. Wolfgang Furch
22.02.2008
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Aus aktuellem Anlass der Novellierung des Stammzellgesetzes vom 28.6.2002 hat zwar im Deutschen Bundestag eine offene und faire Debatte zu den vorliegenden vier Änderungsanträgen stattgefunden, aber war sie auch aufrichtig?
Was sind Stammzellen? Es sind so genannte „Alleskönnerzellen" (pluripotent) d.h., sie können sich in alle Zell- und Gewebsarten verwandeln, wenn sie durch Punktion aus einem menschlichen Frühembryo gewonnen werden = embryonale Stammzellen (EStZ). Auf sie richten sich riesige Erwartungen hinsichtlich Gewebs- und sogar Organersatz. Der Embryo stirbt allerdings nach der Entnahme ab. Ethisch unbedenkliche Stammzellen kann man aus Nabelschnurblut, Teilen der Nachgeburt, dem Fruchtwasser oder auch dem blutbildenden System des erwachsenen Menschen gewinnen. Sie heißen daher adulte Stammzellen. Ihre Potenz ist nur unwesentlich geringer als diejenige der EStZ.
Da in Deutschland der oben beschriebene Vorgang der Gewinnung der EStZ in Deutschland gesetzlich verboten ist (Embryonenschutzgesetz), hat man im Stammzellgesetz in Import im Ausland gewonnener EStZ-Stammlinien erlaubt, soweit sie vor dem Stichtag des 1. Januar 2002 gewonnen worden waren. Dies geschah, um nicht von hier aus Anreize zur Tötung ausländischer Frühembryonen zu setzen.
Was nun allerdings verblüfft ist die Tatsache, dass sowohl Politiker als auch Wissenschaftler die gravierenden Nachteile der EStZ verschweigen. Embryonale Stammzellen wirken im Fremdgewebe in einem sehr hohen Prozentsatz als Tumorzellen. Eine Abzüchtung dieser Eigenschaft nimmt ihnen ihre Potenz. Sie sind therapeutisch nicht direkt anwendbar, da sie als Fremdgewebe vom Wirtsorganismus abgestoßen werden. Man müsste den Umweg über eine Herstellung einer genetischen Kopie des Patienten durch Klonierung gehen und die Zellen aus dem Klon-Embryo gewinnen.
Diese spektakuläre Technik ist erst recht unsinnig. Was hülfe es auch einem Parkinson-Patienten, wenn seine Beschwerden eventuell gebessert würden, er aber dafür einen Hirntumor entwickelte? Nach diesen Informationen versteht der geneigte Leser vielleicht besser, warum es über all die Jahre keine einzige klinische Studie über die Anwendung von EStZ gibt, wohl aber über 17000 Studien über die Therapie mit adulten Stammzellen, z.B. mit erstaunlichen Erfolgen in der Behandlung schwerer Herzinfarkte (Uni Rostock ). Was man nicht mehr verstehen kann ist, dass die Politik massiv Forschungsgelder in die EStZ-Forschung fließen lässt und sehr viel weniger in die Arbeit mit adulten STZ, obwohl deutsche Forscher hier führend in der Welt sind und nach eigenem Urteil auf die Ergebnisse einer Grundlagenforschung mit EStZ gar nicht angewiesen sind.
Wir müssen festhalten, dass die in Artikel 5 Abs.3 Satz 1 des Grundgesetzes festgelegte Forschungsfreiheit nicht grenzenlos ist, sondern „ihre absolute tatbestandsimmanente Grenze in der Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art.1 Abs.1 GG) findet, die im Dasein des Menschen um seiner selbst willen liegt" (Prof. Ch. Hillgruber, F.A.Z. vom 5.2.2008 S.35 ). Man könnte es auch anders ausdrücken, wie Prof. M. Spieker: „Unschuldige nicht zu töten ist eine Rechtspflicht, Kranken durch neue Therapien zu helfen eine Tugendpflicht. Bei Tötungshandlungen hat die Rechtspflicht immer Vorrang vor der Tugendpflicht. Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel.
In der aktuellen Debatte im Bundestag um die Einführung eines neuen Stichtages auf den 1. Mai 2007 kann logischerweise nur der fraktionsübergreifende Gesetzesentwurf, der auf die Abschaffung der umstrittenen Forschung mit embryonalen Stammzellen zielt, zur Annahme empfohlen werden, da die Überlegungen zu einem Stichtag nach dem oben Ausgeführten obsolet sind.
zum Autor:
Dr. med. Wolfgang Furch ist Frauenarzt und stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Christlicher Publizisten (ACP).
Der Gesetzestext zum Stammzellgesetz ist im Anhang enthalten und kann heruntergeladen werden.