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Freiheit der Bildung statt Schulzwang

05.07.08


Abstruse Blüten der deutschen Schulzwangsverpflichtung

Netzwerk Bildungsfreiheit fordert Aufhebung des Schulzwanges

(MEDRUM) "70 Jahre Schulzwang sind genug", heißt es in einer Presserklärung des Netzwerkes Bildungsfreiheit zum Reichsschulgesetz, das am 6. Juli 1938 die nationalsozialistische Führung unter Adolf Hitler und Reichsminister Dr. Rust in Berchtesgaden als Reichsschulpflichtgesetz unterzeichnet wurde.

Das Netzwerk kritisiert, dass die wesentlichen Bestandteile dieses Gesetzes auch heute, nach 70 Jahren, noch Gültigkeit besäßen. Mit dem Untergang des vermeintlich „tausendjährigen Reiches" seien zwar die meisten Gesetze und Verordnungen aus jener Zeit verschwunden, der europaweit einmalige deutsche Schulzwang sei jedoch weiterhin gültig. Dem Staat sei es unverändert möglich, Schüler mit Hilfe der Polizei und notfalls unter Einsatz von Gewalt der Schule zuzuführen, da die Schulgesetze der meisten Bundesländer den Paragraphen fast wörtlich in ihre Gesetzgebung übernommen hätten.

Ein Blick in die Schulgesetze der Bundesländer zeigt dies. So heißt es in § 19 des Schulpflichtgesetzes (SchpflG) von Nordrhein-Westfalen unter der Überschrift "Schulzwang":

"Bleibt die Einwirkung nach § 18 erfolglos, so werden die Schulpflichtigen der Schule zwangsweise zugeführt. Die zwangsweise Zuführung erfolgt auf schriftliches Ersuchen des Schulleiters. Auf sie finden die Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG NW) über die Anwendung des unmittelbaren Zwanges Anwendung."

Der "gewalttätige Schulzwang" treibe abstruse Blüten, sagt das Netzwerk und verweist auf die mittlerweile zahlreichen Fälle, die Schlagzeilen in den Medien gemacht haben. Die gewaltsame Durchsetzung endete in einigen bekannten Fällen mit der Einlieferung einer Schülerin in die Psychiatrie, Auswanderung einer Familie nach Frankreich oder sogar Verhängung von Gefängnisstrafen gegen die Eltern, wie jüngst im Fall des Elternpaares Dudek, über den MEDRUM berichtete (MEDRUM-Artikel v. 19.06.08). Dieses Druck- und Zwangssystem müsse abgeschafft und durch ein System ersetzt werden, das Freiheit und Vielfalt ermögliche, meint das Netzwerk.

In der Erklärung heißt es:

"Der 6. Juli 1938 stellte eine historische Zäsur dar, waren doch bis zu diesem Tag auch schulfreie, alternative Bildungswege möglich und wurden, wenn auch in bescheidenem Maße, praktiziert. Obwohl 1717 in Preußen die Schulpflicht eingeführt wurde, konnte man in der Reichsverfassung vom 28.3.1849 noch lesen: „Der häusliche Unterricht unterliegt keiner Beschränkung". Die bestehende Schulpflicht wurde bis 1938 immer im Sinne einer Unterrichtspflicht verstanden und ließ Ausnahmen zu. Die meisten demokratisch verfassten Staaten der Welt kennen daher bis heute keinen Schulzwang, sondern praktizieren eine Bildungspflicht, die Raum für eine Vielzahl von Alternativen bietet, wie Kinder heute lernen.

Der im Kern gewalttätige Schulzwang hat in Deutschland solch abstruse Blüten getrieben, dass 2007 die 15-jährige Tochter einer vorbildlichen Erlanger Familie zwangsweise mit einem Großaufgebot an Polizei und Jugendamt in die Psychiatrie verbracht wurde. Ihr Vergehen: Sie wurde zu Hause individuell unterrichtet und gefördert, statt weiter die öffentliche Schule zu besuchen, wo ihr das Lernen zunehmend Schwierigkeiten bereitete.

Die Akademikerfamilie Dudek aus dem hessischen Archfeld wird ihre Vorliebe für freie Bildungsformen in Kürze mit Gefängnis bezahlen müssen. Der älteste Sohn lernte zwar zu Hause so gut, dass er jetzt seinen Realschulabschluss als Klassenbester mit der Note 1,1 absolvierte, der Geist des Reichsschulpflichtgesetzes forderte jedoch seinen Tribut in Form von je 3 Monaten Haft für Vater und Mutter.

Andere Freilernerfamilien verlassen Deutschland und ihr gewohntes Umfeld, erfreuen sich aber nun der wiedergewonnen Freiheit in unseren europäischen Nachbarstaaten.

Dass eine Atmosphäre des Zwangs und Drucks kein nachhaltiges, erfolgreiches Lernen fördert, ist in der Fachwelt mittlerweile unumstritten. Dass deutsche Bildungspolitiker unter allen Umständen auf der Präsenz in einem Schulgebäude bestehen, obwohl Lernen an anderen Orten und anderen Umständen häufig mindestens genauso gut, wenn nicht besser gelingt, ist weder nachvollziehbar noch zeitgemäß.

Es ist an der Zeit, eindeutige Vorgaben des UN-Sonderbeauftragten Vernor Munoz umzusetzen, der bei seinem Besuch in Deutschland gefordert hatte, dass „Bildung nicht auf reine Schulanwesenheit reduziert werden darf". Vielmehr seien „Fernlehrmethoden und Homeschooling .... gültige Optionen..., die unter bestimmten Umständen weiterentwickelt werden können."

Das Netzwerk Bildungsfreiheit fordert den deutschen Schulzwang nach 70 Jahren endgültig zu beerdigen und die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass vielfältige schulische und schulfreie Bildungswege möglich werden, die zueinander in Konkurrenz treten und sich gegenseitig bereichern. Wir halten Freiheit und Vielfalt anstelle von staatlichen Monopolen für den besten Ausweg aus der deutschen Bildungsmisere. Bundeskanzlerin Merkels Motto „Mehr Freiheit wagen" sollte endlich auch für den Bildungsbereich gelten."

Das "Netzwerk Bildungsfreiheit" ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Organisationen, Elterninitiativen und Einzelpersonen. Es setzt sich für das Recht auf freien Zugang zur Bildung, freie Wahl und freie Gestaltung des individuellen persönlichen Bildungsweges ein.

Aufruf zu öffentlicher Diskussion

Die Koordinationsstelle der Initiative „Freiheit und Vielfalt der Bildungswege" hat zu einer öffentlichen Diskussion aufgerufen. Sie verweist darauf, dass Deutschland seit 2008 das einzige Land in der Europäischen Union sei, das an einer Schulpflicht mit Anwesenheitszwang festhalte, welche durch Bußgelder, Beugehaft, Polizeigewalt und Entzug des Sorgerechts durchgesetzt werden könne und auch häufig werde - wenn die Familien nicht rechtzeitig auswanderten. Konträr dazu werde Deutschen im Ausland durch deutsche Behörden jedoch gleichzeitig aktiv der Hausunterricht empfohlen.

Als Beispiele für Regelungen der Schulpflicht in anderen europäischen Ländern nennt die Koordinierungsstelle:

Beispiel Dänemark:
Wenn mindestens zwölf Familien ihre Kinder gemeinsam unterrichten wollen, trägt der Staat die Personalkosten für die Lehrkräfte und gewährt Zuschüsse zu den Sachkosten.

Beispiel Österreich:
Schulpflicht kann durch häuslichen Unterricht erfüllt werden, wenn dies vor Beginn des Schuljahres beim Bezirksschulrat angezeigt wird.

Beispiel Niederlande:
70 Prozent aller Schulen werden privat geführt und voll vom Staat finanziert.

Beispiel Großbritannien:
Die Eltern tragen die Verantwortung für die Bildung ihrer Kinder. Die Bildungspflicht kann durch Schulbesuch erfüllt werden oder „auf andere Weise". Das Leben ohne Schule fällt in die letztere Kategorie. Eine Genehmigung ist nicht erforderlich.

ImageDen morgigen Sonntag sehen Initiativen, die sich für die Aufhebung des Schulzwanges als einem überholten Relikt einsetzen, als Schulzwang-Gedenktag, an dem sie mit einem Kampagnenlogo auf "70 Jahre Schulzwang in Deutschland" aufmerksam machen wollen.

 

 

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Weitere Information im Internet:

-> Bildungsvielfalt Natürliches Lernen (bvnl)