02.07.08
Auswanderung als letzter Ausweg, um dem Zwangssystem der Schulpflicht zu entgehen?
Zwangsgeld - Gerichtsvollzieher - Pfändung - Kontensperrung - Erzwingungshaft - Sorgerechtsentzug
(MEDRUM) Deutsche Behörden arbeiten gründlich, hieß es früher oft. Das tun sie auch heute noch, zumindest wenn es zum Beispiel darum geht, die Schulpflicht durchzusetzen. Der Fall Dudek mit der Verurteilung der Eltern zu 3-monatigen Gefängnisstrafen ist kein Novum. Vor ihm begann 2006 ein anderer Fall Schlagzeilen zu machen: Der Fall Neubronner.
Die beiden Söhne, damals 7 und 9 Jahre alt, wollten lieber zu Hause lernen und weigerten sich, eine Schule zu besuchen. Da Familie Neubronner ihre Kinder zwar zur Schule bringen konnte, aber ihr Verbleiben dort nicht erzwingen konnte, wurde ein Zwangsgeld fast in Höhe der Monatsdiät eines Bundestagsabgeordneten verhängt: 6000 EURO. In Tagessätzen ausgedrückt also etwa 30 Tagesätze, gemessen am Bundestagsabgeordneten, und 600 Tagessätze, gemessen am Hartz IV-Empfänger.
Über einen solchen Geldbetrag verfügte die Familie allerdings nicht, sie konnte ihn also weder bezahlen, noch war sie verständlicherweise bereit, ihre Wohnungseinrichtung verkaufen, um das Zwangsgeld aufbringen zu können. Folgerichtig schickte die Behörde den Gerichtsvollzieher zur Familie, um das pfänden zu lassen, was Familie Neubronner nicht freiwillg abzugeben bereit war, aber doch hätte pfändbar sein können. Parallel dazu sperrte man auch ihre Bankkonten, um Geldbeträge ggf. auch unmittelbar pfänden zu können. Auch die Ausschöpfung dieser Möglichkeiten konnte das Zwangsgeld nicht eintreiben. Also kam als weitere Maßnahme die Androhung der Beugehaft. Zahlen sie 6000 EURO oder begeben Sie sich in das Gefängnis, boten sich ihr als Alternativen, die für Familie Neubronner jedoch keine wirklichen Alternativen enthielten. Da sie nicht zahlen konnte, blickte sie ausschließlich einer Beugehaft im Gefängnis nebst drohenden Entzug des Sorgerechtes für ihre Kinder entgegen. Familie Neubronner sah letztlich nur noch einen Ausweg aus dieser Zwangslage und setzte so zum Befreiungsschlag an. Sie wanderte nach Frankreich aus.
In einem Leserbrief, abgedruckt in Familientrends, schreibt Familie Neubronner zu ihrem Fall heute:
"Unser Auswanderungsgrund:
Unsere Kinder haben sich in der Schule nicht wohlgefühlt und wollen lieber frei und eigenständig ohne Schule lernen. Wir haben jahrelang vergeblich versucht, Bildungsfreiheit für unsere Kinder zu erreichen, wie sie im gesamten entwickelten Ausland und in allen Ländern der EU inklusive Schweiz möglich ist ... In Deutschland wird der 1938 eingeführte Schulzwang zunehmend rigide durchgesetzt, während in allen anderen Ländern der Trend zu einer größeren Bildungsvielfalt und vermehrtem Freilernen geht. Wir wurden mit hohen Zwangsgeldern und Erzwingungshaft bedroht, man schickte uns den Gerichtsvollzieher ins Haus, um die Zwangsgelder zu pfänden, und sperrte unsere sämtlichen Konten. Zusätzlich stand nach einem skandalösen Urteil des Bundesgerichtshof die Gefahr eines teilweisen Sorgerechtsentzuges im Raum. Daraufhin leben wir seit Januar 2007 im Ausland und haben derzeit in Frankreich ein neues Zuhause gefunden.
Wir würden lieber heute als morgen in unsere Heimat, zu unseren Verwandten und Freunden etc. zurückkehren und tun alles dafür, damit Bildungsfreiheit endlich auch in Deutschland möglich wird. Uns sind zahlreiche andere Familien bekannt, die Deutschland aus demselben Grund verlassen. Die meisten sind allerdings schlauer als wir und gehen, noch bevor ihre Kinder schulpflichtig werden. Gerade die Bildungselite lässt sich nicht dazu zwingen, ihre Kinder in einem überholten Bildungssystem verkümmern zu lassen, während ringsumher die freie Bildung, weil sie im Informationszeitalter angemessen ist, blüht und gedeiht. Solange die deutschen Behörden am "German Schulzwang" festhalten, wird auch der Brain Drain weitergehen."
Dass es zu solchen Zwangs- und Konfliktlagen kommt, hat angesichts des neuen Falls "Dudek" auch den Arbeitskreis Christlicher Publizisten auf seiner Bundestagung am 27. Juni unter dem Leitthema "Was sind uns unsere Werte wert?" beschäftigt. Der Professor für Rechtswissenschaften und politische Wissenschaften Konrad Löw regte dabei an darüber nachzudenken, ob nicht Gesetze und ihre Handhabung so weiterentwickelt werden können, dass solchen Konfliktlagen besser Rechnung getragen werden könne (MEDRUM-Bericht v.30.06.08).
Dagmar Neubronner hat ihre Einblicke und Erfahrungen in ihrem Buch "Die Freilerner - unser Leben ohne Schule
verarbeitet. Das Buch ist 2008 erschienen.
Detallierte Informationen zum Fall Neubronner sind zu finden in der Mediathek unter: www.bvnl.de.
Auf dieser Internetseite wird auch Vergleich zwischen Schulbehörde und Familien Neubronner als Dokument bereitgestellt, mit dem es Familie bis zu einer gerichtlichen Klärung vorübergehend ermöglicht wurde, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten. Damit wurde vorübergehend ein Kompromiß zwischen Schulbesuchspflicht einerseits und dem Anspruch auf individuelle Bildungsfreiheit geschlossen. Dieser Vergleich ist abrufbar unter: Kooperationsvereinbarung.
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-> Soll und Ist im deutschen Schulsystem
-> Zum Fall Dudek
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