Offener Brief
von Martin F. Kurkowski
Herrn
Arno Meißner - persönlich
Direktor des Schulamtes des Werra-Meißner-Kreises
und Vorsitzender der CDU-Fraktion im Kreistag des Landkreises Kassel
Telefax: 06622 - 914 119 gefaxt 28.08.2008 17:35
Betreff
Familie Dudek in Herleshausen-Archfeld:
Gefängnisstrafe für Eltern, die im Unterricht zuhause einen Musterschüler
hervorgebracht haben,
auf Antrag des Ihrer Verantwortung unterstehenden Schulamtes,
und zugleich Bestrafung der Kinder mit Entzug ihrer Eltern
Bezug
Mein Brief an Sie vom 14.05.2008
Ihr Strafantrag gegen Familie Dudek
Strafantrag der Staatsanwaltschaft: AZ 4634 Js 18564/05
Urteil des Landgerichts Kassel vom 18.06.2008 - noch nicht rechtskräftig
Sehr
geehrter Herr Meißner,
infolge
Ihres Antrags wurden Jürgen und Rosemarie Dudek, Eltern von 7 Kindern, die sie
aufopfernd und mit sehr gutem Erfolg, wie Ihnen bekannt ist, erzogen und selbst
unterrichtet haben - der älteste Sohn Jonathan Dudek erwies sich nach dem
Übergang in der Realschule als Musterschüler, der in allen Fächern, Sport
ausgenommen, mit der Note 1 abschloss, und bei seiner ersten Bewerbung die von
ihm gewünschte Lehrstelle bekam - am 18. Juni 2008 zu je drei Monaten
Gefängnisstrafe ohne Bewährung verurteilt, nur weil sie ihre Kinder aus
christlichen Glaubens- und Gewissensgründen nicht in die Staatsschule schicken.
Bald
nach der Verkündigung des Urteils teilten Sie den Eltern mit, dass Sie erneut
Strafantrag gegen sie stellen würden, wenn sie bis zum 31. August 2008 ihre
Kinder nicht in die Staatsschule bringen würden.
Dies
ist für einen Menschen mit gesundem Menschenverstand nicht nachvollziehbar.
Ich
vermag auch nicht zu erkennen wie dies mit einem freiheitlichen Rechtsstaat,
welcher die allgemeinen Menschenrechte respektiert, vereinbar sein sollte. Es
erinnert an eine sozialistische Diktatur, wo der Staat die Kinder als sein
Eigentum betrachtet.
Über
den Fall wurde ausführlich berichtet, insbesondere von der Werra-Rundschau und
im Internet. Das Ehepaar Dudek ist unbescholten. Sie beziehen außer Kindergeld
keine Leistungen vom Staat.
Sie
haben aber bereits rund 500 Euro Strafe zahlen müssen wegen
„Schulpflichtverletzung" - und haben dem Staat vermutlich über 100.000 DM
bzw. Euro an Schulkosten durch Nichtinanspruchnahme einer staatlichen Schule
erspart, und zur Verkleinerung der Klassengröße beigetragen.
Ihre
Begründung lautet, wie ich gehört habe:
„Gesetz ist Gesetz. Ich habe ja schließlich meinen Amtseid auf die Verfassung
abgelegt...."
„Mein Dienstherr muss sich auf mich verlassen können."
Der
Eid, den Sie laut § 72 Hessisches Beamtengesetz abgelegt haben, lautet
wörtlich:
„Ich schwöre, daß ich das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und
die Verfassung des Landes Hessen sowie alle in Hessen geltenden Gesetze wahren
und meine Pflichten gewissenhaft und unparteiisch erfüllen werde, (so wahr mir
Gott helfe)."
Ich
sehe mich veranlasst, Sie auf folgende Tatsachen hinzuweisen:
„Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt
und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht."
Auch Sie, Herr Direktor des Schulamtes, sind daher als Amtsträger der
vollziehenden Gewalt an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht
gebunden - und zwar vorrangig vor der Hessischen Verfassung und vor dem
Hessischen Schulpflichtgesetz!
Erziehungsberechtigt sind auch nach Art. 7 Abs. 2 und 4 lediglich die
Eltern, denn sie werden die „Erziehungsberechtigten" genannt. Die
Lehrer sind gemäß Art. 7 GG keine Erziehungsberechtigten, sondern „Lehrkräfte".
D. h. sie sollen dem Kind allgemeines Wissen und Fertigkeiten beibringen
als Vorbereitung für das spätere Berufsleben. Schulen sind gemäß dem
Grundgesetz keine Erziehungsanstalten, sondern Unterrichtsanstalten.
Daraus folgt für jeden, der zu logischem Denken fähig und willens ist,
dass der Staat gemäß Grundgesetz keinen allgemeinen eigenständigen
Erziehungsauftrag hat! Einen solchen kann er allenfalls hilfsweise
wahrnehmen oder delegieren, wenn die Eltern aus einem der oben genannten
Gründe als Erzieher ihrer Kinder ausfallen oder versagen. Dies ist im
Falle Dudek nicht der Fall, denn hier sind offensichtlich besonders
verantwortungsvolle und tüchtige Eltern am Werk.
Der „eigenständige staatliche Erziehungsauftrag", der dem der Eltern
„gleichgeordnet" sei, wie die Gerichte immer wieder behaupten,
tatsächlich aber übergeordnet wird, wodurch auch das angebliche
„gleichgeordnet" zunichte gemacht wird, ist in Wahrheit eine
grundgesetzwidrige politische Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
(vom 6.12.1972, BVerfGE 34, 165/183), die damals unter dem Einfluss der
unter Willy Brandt an die Macht gekommenen Sozialisten unter Missachtung
des Wortlauts des Grundgesetzes vom „Roten Senat" des
Bundesverfassungsgerichts, wie er inoffiziell genannt wurde, in den Art. 7
hineininterpretiert wurde. Denn Schulen im Sinne des Grundgesetzgebers
sind, wie gesagt, keine Erziehungsanstalten (von einigen Sonder- bzw.
„Förderschulen" und Internaten für schwer Erziehbare abgesehen)
sondern Stätten der Wissensvermittlung. Grundgesetzwidrig ist diese
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts deshalb, weil offensichtlich
nicht begründet durch den Wortlaut des Grundgesetzes, und eine
offensichtliche Verletzung des natürlichen vorrangigen Erziehungsrechtes
der Eltern, das in Art. 6 GG ausdrücklich statuiert ist.
Siehe ausführlich hierzu das Rechtsgutachten „Rechtliche Aspekte des
Homeschooling" des Diplom-Juristen Johannes Goldbecher (im Internet
zu lesen oder herunter zu laden).
Insbesondere haben Sie die Glaubens- und Gewissensfreiheit und
-entscheidung der Eltern Dudek missachtet und verletzt, denn Sie haben das
Ehepaar Dudek behandelt als gäbe es kein Grundrecht der Glaubens- und
Gewissensfreiheit - obwohl diese sich darauf berufen haben. Dasselbe gilt
für die Staatsanwaltschaft und das Landgericht.
Über die Gewissensfreiheit hat das Bundesverfassungsgericht unter anderem
folgenden im Sinne des Grundgesetzes folgenden Leitsatz aufgestellt:
„Das GG sieht die freie menschliche Persönlichkeit und ihre Würde als
höchsten Rechtswert an. So hat es folgerichtig in Art. 4 Abs. 1 die
Freiheit des Gewissens und seiner Entscheidungen, in denen sich die
autonome sittliche Persönlichkeit unmittelbar ausspricht, als
‚unverletzlich' anerkannt. ... Die von der Verfassung gewährleistete
Gewissensfreiheit umfasst nicht nur die Freiheit, ein Gewissen zu haben,
sondern grundsätzlich auch die Freiheit, von der öffentlichen Gewalt nicht
verpflichtet zu werden, gegen Gebote und Verbote des Gewissens zu
handeln." (BVerfGE 78, 395). Dem entsprechend darf ein
Wehrpflichtiger den Dienst mit der Waffe verweigern, obwohl der Wehrdienst
nach dem Selbstverständnis dieses Staates seiner Sicherheit gilt. Daraus
folgt logisch, dass auch die Schulpflicht gegenüber Verweigerern der
Schulpflicht aus Gewissensgründen zurückzutreten hat. Dies gilt umso mehr,
als im Falle der Schulpflichtverweigerung die Sicherheit des BRD-Staates
nicht gefährdet ist, auch nicht die Demokratie, denn es ist klar, dass
Kinder, die in einer Demokratie Freiheit genießen, die Demokratie eher
schätzen werden als Kinder, die gegen ihren Willen in die Staatsschule
gezwungen und ihren geliebten Eltern entrissen werden. Für diese wird die
Demokratie zu einem Symbol einer widerlichen Diktatur. Das wollen Sie doch
nicht, oder?
Das sollten gerade wir Deutschen aus den Erfahrungen mit Hitler und dem
SED-Regime gelernt haben.
Die hierzu ergangenen Gerichtsurteile sind für Sie, Herr Meißner, ohnehin
nicht bindend, da sie die Schulbehörde nicht zum Vollzug der ausnahmslosen
Schulpflicht verpflichten, sondern lediglich ermächtigen (ich habe
Staatsrecht studiert bei Prof. Konrad Hesse, dem bekannten Lehrbuchautor
und späteren Richter am Bundesverfassungsgericht).
Die Gefahr für die freiheitliche Demokratie ist umso größer, je mehr die
eigentlich Verantwortlichen andere an ihrer Stelle entscheiden lassen. Nur
wenn die Mehrheit der Beamten sich an Recht und Gesetz hält und die
Freiheitsrechte der Menschen respektiert, kann dieser Staat ein
freiheitlicher Rechtsstaat sein. Dies sollten gerade deutsche Beamte aus
der deutschen Geschichte gelernt haben, denn der blinde Gehorsam der
Parteifunktionäre und Staatsbeamten gegenüber ihren Vorgesetzten in der
Partei und im Staatsapparat - sei es der "Führer" und die NSDAP, sei es das
Politbüro der SED, in dem sie aufgehört haben, selbstständig zu urteilen,
waren die Stützen der Macht der beiden deutschen Diktaturen im letzten
Jahrhundert.
Aus
diesen Gründen bitte ich Sie sehr, Herr Meißner, Ihre Entscheidung bezüglich
Familie Dudek noch einmal zu überdenken und
Aus den dargelegten verfassungsrechtlichen Gründen sind Sie dazu
verpflichtet. Das Hessische Schulgesetz bestimmt in seinem § 60 Abs. 2:
„Die Vollzeitschulpflicht kann durch den Besuch einer Ersatzschule erfüllt
werden. Anderweitiger Unterricht außerhalb der Schule darf nur aus
zwingenden Gründen vom Staatlichen Schulamt gestattet werden". Da die
genannten Freiheitsrechte des GG, insbesondere das vorrangige
Erziehungsrecht der Eltern und die Glaubens- und Gewissensfreiheit
gegenüber dem Hessischen Schulgesetz vorrangiges Recht sind, ist ihre
Geltendmachung (sofern sie nicht missbräuchlich geschieht, was hier nicht
der Fall ist) ein zwingender Grund. Die Gestattung des Unterrichts zu Hause
zwecks Gewährleistung der genannten Grundrecht ist demnach auch im Rahmen
des Hessischen Schulgesetzes zulässig.
Da das Urteil des Landgerichts vom 18.06.2008 noch nicht rechtskräftig
ist, weil die Eltern Dudek dagegen Revision eingelegt haben, ist dies
möglich.
Ferner
bitte ich Sie zu bedenken:
Der Staat hat seine Berechtigung nur insoweit er tätig ist, das Wohl seiner
Bürger zu schützen und zu mehren. Jeder Staat, der seine eigenen Zwecke an
erste Stelle setzt, ist eine Diktatur. Es gibt in diesem Falle keinen
Staatszweck, der die absolute Schulpflicht unter Missachtung der Grundrechte
rechtfertigen würde, auch nicht die Politik der Integration, denn Integration
mittels Schulzwang ist Zwangsintegration und Zwangsassimilation.
Dies verstößt gegen das Pluralismusprinzip der freiheitlichen Demokratie und
gegen den Minderheitenschutz, den das Bundesverfassungsgericht in ständiger
Rechtsprechung zu einem Wesensbestandteil der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung erklärt hat.
Sie,
Herr Meißner, haben zwar die Macht, aber nicht das Recht, eine glückliche
Familie ins Unglück zu stürzen und zu vernichten - und Sie sind persönlich
dafür verantwortlich, wenn Sie es denn wirklich tun.
Wenn
Sie schon die Eltern strafen wollen, so haben Sie erst recht keine
Berechtigung, die Kinder zu bestrafen und zu schädigen, denn diese würden durch
den Verlust ihrer Eltern am meisten leiden. Die Eltern würden aufgrund ihres
starken Glaubens und ihrer Bereitschaft zum Martyrium die Gefängnisstrafe
wahrscheinlich verkraften, aber die Kinder würden dadurch unsäglich leiden und
lebenslänglich traumatisiert werden. Sie würden mit Sicherheit eine solche
„Demokratie" durchschauen als das, was sie dann wirklich ist: eine
menschenverachtende, kinderfeindliche Diktatur, die unschuldige Menschen ins
Unglück stürzt.
Auch
der deklarierte Grundsatz dieses Staates, dass bei allen Entscheidungen das
Kindeswohl an erster Stelle stehen müsse, würde hierdurch in sein Gegenteil
verkehrt!
Und
schließlich, wie werden Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren,
hauptverantwortlich zu sein für die Zerstörung einer glücklichen Familie und
den Kindern ihre geliebten Eltern zu rauben?
Wollen
Sie, Herr Meißner, wirklich Ihr Berufsleben mit einer solch grundgesetzwidrigen
und menschenfeindlichen
Schandtat beenden?
Ich
verbleibe in großer Sorge und hoffe sehr, von Ihnen als „christlichem"
Politiker eine befriedigende Antwort zu erhalten.
Sollte
dies nicht der Fall sein, dann gedenke ich diesen Brief als Offenen Brief zu
veröffentlichen.
Sollten
Sie meiner Bitte willfahren, so ist ihnen dies als eine mutige Tat hoch
anzurechnen. Alle Anhänger der freiheitlichen demokratischen Grundordnung
müssten Ihnen Beifall zollen.
Es
ist besser spät einen verkehrten, unheilvollen Weg zu verlassen als gar nicht -
auch das ist eine Lehre aus der Geschichte....
gez.
Martin F. Kurkowski