Die verfassungsrechtliche Norm des Trennungsverbotes und Familie Gorber
von Kurt J. Heinz
(MEDRUM) Noch fünf Kinder der Familie Gorber aus Überlingen leben gegen ihren Willen und gegen den Willen der Eltern seit nun fast acht Monaten getrennt von ihrer Familie unter staatlicher Aufsicht im Kinder- und Jugendheim. Die Gewalt des Staates hat hier in das Recht der Kinder und Eltern eingegriffen, als Familie zusammen zu leben. Für Familie Gorber war dies eine Zäsur, ein nine-eleven für ihr Schicksal. Wie ist eine solche Trennung aus rechtlicher Sicht zu betrachten?
Artikel 6 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) verbietet es grundsätzlich, Kinder gegen den Willen der Eltern von der Familie zu trennen, zu der sie gehören und in der sie leben. Das Grundgesetz sagt: "Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen."
Das Trennungsverbot kann also nur aufgrund eines Gesetzes durchbrochen werden, um einem Erziehungsversagen zu begegnen und eine drohende Verwahrlosung der Kinder zu verhindern.
Dieses Trennungsverbot wurde im Fall der Familie Gorber im Januar dieses Jahres durchbrochen. Kinder und Eltern wollen, dass dieser Eingriff nun durch einen richterlichen Beschluss am 25. September beendet wird. Unabhängig von der Frage, wie das staatliche Handeln zu Anfang des Jahres aus rechtlicher Sicht beurteilt werden kann, stellt sich nun aktuell erneut die Frage, ob es im Fall der Familie Gorber zulässig wäre, ihnen ihr Recht auf ein Zusammenleben zu verwehren und das Trennungsverbot des Grundgesetzes auch weiterhin zu durchbrechen. Wären dafür überhaupt die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt?
Das Grundgesetz stellt eine sehr hohe Hürde auf. Denn ein Erziehungsversagen und die Verwahrlosung eines Kindes ist ein schwerwiegender Umstand. Der Verfassungsgeber will eine Kindeswegnahme nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulassen, weil die Trennung der Kinder von ihren Eltern der schwerwiegendste staatliche Eingriff in eine Familie und in die Rechte von Eltern und Kindern ist. Deshalb soll ein solcher Eingriff nur dann zulässig sein, wenn es der Schutz des Kindes gebietet, weil sein Wohl durch Erziehungsversagen oder drohende Verwahrlosung gefährdet ist.
Staatliche Eingriffe in die Familie haben auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach in der Vergangenheit beschäftigt. Es hat zu diesen grundgesetzlichen Normen bereits in einem Urteil aus Jahr 1982 ausgeführt, dass das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreichen muss, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet sein muss.
Erziehungsversagen und eine Verwahrlosung kann also nicht etwa schon angenommen werden, wenn aus staatlicher Sicht das Wohl eines Kindes auf andere Art besser gefördert werden kann als durch die Erziehung und den Verbleib in der Familie, selbst wenn dies aus objektiv nachvollziehbaren Gründen so zu sein scheint. Gefährdung des Wohls setzt vielmehr eine massive Beeinträchtigung durch schwerwiegendes elterliches Fehlverhalten oder aus anderen Gründen voraus, die nicht nur vorübergehender Natur sein darf. Eine Gefahr für das Kindeswohl muss entweder schon gegenwärtig sein oder zumindest nahe bevorstehen, und sie muss so ernst zu nehmen sein, dass sich bei einer Fortdauer eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Nur dann kann ein Erziehungsversagen oder die Gefahr der Verwahrlosung und Gefährdung des Kindeswohls konkret angenommen werden. Damit sind staatlichem Handeln eindeutige Grenzen gesetzt.
Das Bundesverfassungsgericht machte in seinem vorgenannten Urteil deutlich, dass selbst die eingeschränkte Fähigkeit beider Eltern, ihren Haushalt selbständig zu versorgen, andere Obliegenheiten ohne fremde Hilfe wahrzunehmen und vorausschauend zu planen, es nicht rechtfertigen, ein Kind den Eltern wegzunehmen.
Auch die Tatsache, dass der Staat ein Wächteramt ausübt, gibt ihm nicht das Recht, ein Kind von den Eltern zu trennen oder in ihre Erziehung einzugreifen, etwa deswegen, weil er eine andere Erziehung oder bessere Förderung des Kindes für möglich oder nötig hält. Das Bundesverfassungsgericht stellte hierzu fest, dass es nicht zur Ausübung des Wächteramtes gehöre, gegen den Willen der Eltern für eine den Fähigkeiten des Kindes vermeintlich bestmögliche Förderung zu sorgen.
In seiner Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht klar entschieden, dass der Staat, und hier beispielsweise Mitarbeiter eines Jugendamtes, nicht die Rolle staatlich eingesetzter "Aufseher und Obererzieher" haben, denen das Recht zukommt, den Eltern vorschreiben zu dürfen, wie sie das Kind zu erziehen haben und wie nicht.
Damit ist klar, dass weder unterschiedliche Auffassungen in Erziehungsfragen oder in Fragen der allgemeinen Lebensführung und des Glaubens einen Eingriff in das Zusammenleben einer Familie zulassen. Einzig und allein ein massives Fehlverhalten der Eltern, wie etwa eine konkrete Gefährdung, Vernachlässigung und drohende Verwahrlosung der Kinder, lassen eine staatliche Trennung der Kinder von ihrer Familie zu. Die verfassungsrechtlichen Normen weisen nicht dem Staat, sondern den Eltern die "Lufthoheit" über den Kinderbetten zu - auch dem Kind über sich selbst. Der ehemalige Generalsekretär der SPD und heutige Arbeitsminister Scholz unterlag mit seiner staatslastigen Vorstellung einem Irrtum, oder er wollte sich bewußt über das hinwegsetzen, was der Verfassungsgeber wollte.
Betrachtet man nun den Fall Gorber, so sind - gemessen an den grundgesetzlichen Normen und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes - keinerlei Gründe erkennbar, die eine fortgesetzte Trennung der Kinder von ihren Eltern auch nur ansatzweise als zulässig erscheinen lassen. Es ist weder ein Erziehungsversagen noch eine drohende Verwahrlosung der Kinder erkennbar. Geradezu absurd erscheinen vor dem Hintergrund des grundgesetzlich geschützten Kinder- und Elternrechtes Begründungen von staatlicher Seite, die im bisherigen Verfahrensgang aufgetaucht sind.
Eine kurzzeitige Erkrankung der Mutter zu Jahresanfang ist längst ausgestanden und kann keinesfalls dazu herhalten, eine nachhaltige Gefährdung des Kindeswohls und der Verwahrlosung zu begründen. Die Kinder selbst haben durch ihre Persönlichkeit, ihre Haltung und ihr Verhalten gezeigt, dass für ihr körperliches, seelisches und geistiges Wohl in der Familie weitaus besser gesorgt ist als in der Heimunterbringung, in der sie zwangsweise in Gruppen leben müssen, die sich aus Problemfällen zusammensetzen. Eine zwangsweise, fortgesetzte Heimunterbringung würde sogar die Gefahr bergen, dass vor allem ihr seelisches Wohlergehen deutlich beeinträchtigt, auf Dauer sogar gefährdet ist. Sie leiden unter den Attitüden und Attacken verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher, mit denen sie außer der Unterbringung kaum Gemeinsamkeiten haben, schon gar keine geistigen oder seelischen. Die Gorber-Kinder sind weder Fälle sexuellen Mißbrauchs, noch leiden sie unter zerrütteten Familienverhältnissen oder vergleichbaren Verwerfungen familiärer Lebensumstände. Im Gegenteil: In einem Gutachten, das über die Kinder erstellt wurde, heißt es, dass sie aus einer glücklichen Familie zu kommen scheinen. Für wie viele Kinder kann das heute noch guten Gewissens festgestellt werden? So verwundert es auch nicht, dass der größte Halt der Kinder im Heim aus der geschwisterlichen Gemeinsamkeit besteht, die sie aus ihrer Familie mitbringen, und aus der Hoffnung im Vertrauen auf die Kraft ihrer Eltern, wieder von einer Welt zerrütteter Biographien erlöst zu werden, denen sie alltäglich im Heim ausgesetzt sind.
Auch die anfängliche Umfeldverdächtigung des Vaters, er erziehe die Kinder gewaltsam, er sei psychisch labil und nicht berechenbar, wie es in der Presse berichtet wurde, hat sich als unhaltbar erwiesen. Der Vater dieser Familie wurde mit der überfallartigen Wegnahme seiner Kinder unsäglichen Belastungen und Zumutungen ausgesetzt, die jede Familie bis ins Mark erschüttern. Seiner psychischen Stabilität und seinem Stehvermögen haben es Frau und Kinder maßgeblich zu verdanken, dass diese Familie nicht schon längst gebrochen ist. Dies hat der dramatische Verlauf des Geschehens für jeden aufmerksamen und unvoreingenommenen Beobachter gezeigt. Auch ihm kann - ebenso wenig wie der Mutter - ein Erziehungsversagen oder eine Vernachlässigung seiner Kinder vorgehalten werden, die zu einer Gefahr werden oder zur Verwahrlosung führen könnte. Den Vater als unberechenbaren, gewalttätigen Zeitgenossen darzustellen, ist unberechtigter Rufmord gewesen, für den diejenigen zur Verantwortung gezogen werden müssten, die ihn betrieben haben. Nachreden und Verleumdungen dieser Art sind mit Recht nicht von der Meinungsfreiheit geschützt, sondern fallen potenziell in den Bereich strafbarer Tatbestände, wie ein Blick in das Strafgesetzbuch zeigt.
Auch eine amtliche Hypothese, das Wohl der Kinder sei durch die Art der Erziehung in ihrer Familie und ihre Lebensweise gefährdet, ließ sich in keiner Weise erhärten. Das dazu vorliegende Gutachten über die Kinder bescheinigt jedermann das Gegenteil. Die Hypothese hat sich als geradezu grotesk erwiesen. Diesseits von persönlichen, durch subjektive Lebensauffassungen geprägten, individuellen Vorstellungen gibt es keinerlei objektive Fakten, die auf ein Erziehungsversagen oder drohende Verwahrlosung auch nur hindeuten könnten. Hier versuchen anscheinend staatliche "Aufseher und Obererzieher", die es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ohnehin nicht geben darf, genau das zu tun, was ihnen weder zusteht noch ihres Amtes ist. Sie haben sich offenkundig angemaßt, Eltern vorschreiben zu wollen, wie sie ihre Kinder zu erziehen haben, welche Rolle der christliche Glaube für das Zusammenleben in der Familie spielen darf und wie mit ihm umzugehen ist. Es sei hier an die sehr kritikwürdige Feststellung einer Amtsperson erinnert, die Kinder hätten den Glauben ihrer Eltern unkritisch übernommen. Mit derartigen Feststellungen will man versuchen, der Familie ein Zusammenleben zu verweigern. Solche subjektiven Wertungen mögen Mitarbeitern staatlicher Instanzen persönlich durchaus zugestanden werden, wenn sie zum Beispiel selbst ihre eigenen Kinder nach einem solchen Verständnis erziehen wollen. Sie dürfen jedoch keinesfalls zum Maßstab staatlicher Eingriffe in die Erziehung und das Zusammenleben der Familie Gorber oder anderer Familien gemacht werden und haben nicht das Geringste mit einem Erziehungsversagen oder einer Gefahr der Verwahrlosung zu tun, wie es der Verfassungsgeber vorgegeben hat. Im Gegenteil: Die familiäre Geborgenheit und der christliche Glaube gibt den Gorber-Kindern genau den Halt, den ihre leidgeprüften Altersgenossen im Heim nicht haben. Die Kinder der Familie Gorber kommen aus einer christlichen Familie, sie sind geistig rege und mitfühlsame Menschen, sie sind sozial bindungsfähig und lebten in einem intakten seelischen Gleichgewicht, das nur durch einen einzigen Umstand ins Wanken gebracht worden sein könnte: durch die zwangsweise Trennung vom Elternhaus.
Es wird höchste Zeit, dass der nine-eleven für Familie Gorber nun beendet wird.
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Online-Unterzeichnung der Bittschrift der "Initiative Gorber"
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Leserbriefe
Grundgesetz ade
Das Grundgesetz hat heute eher nur noch symbolischen Wert. Da kann man dann stolz drauf verweisen - auch wenn es vorn und hinten verletzt wird. Im Grunde ist es das Papier nicht mehr wert, auf dem es steht. Ich denke, man muß einfach einsehen, daß die Gerichte im Grunde tun, was sie wollen. Ob man nun vor einem unberechenbaren Tyrannen oder vor manchem deutschen Gericht/Richter steht, macht da keinen Unterschied. Recht bekommt auch der, der es sich kaufen kann - einfach mit einem guten Anwalt. Wer sich den nicht leisten kann oder aus der falschen deutschen Kaste kommt, hat Pech gehabt.
Ggf wären unter einem Tyrannen dann wenigstens die Abgaben niedriger. Heute ist man per 1-Euro-Job längst wieder Leibeigener von Staat und Konzernen.