BAMBERGER ERKLÄRUNG
verabschiedet im
Rahmen des internationalen Symposiums
„Deutsche Jugendämter und Europäische Menschenrechtskonvention"
Bamberg, 20. / 21. Oktober 2007
Leitung : Annelise Oeschger, Präsidentin der Konferenz der Internationalen
Nichtregierungs-
organisationen des Europarates
Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen und der Erfahrungen zahlreicher
betroffener Familien
sowie Beiträgen von Fachleuten stellen die Teilnehmer des Symposiums fest:
- Im Rahmen des Kinder- und
Jugendschutzes in Deutschland, namentlich von Seiten der Jugendämter,
kommt es zu Verletzungen der Menschenrechte, insbesondere der Artikel 3,
5, 6, 8, 13 und 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
- Die Jugendämter in
Deutschland unterstehen keiner wirksamen Kontrolle, weder fachlich noch
rechtlich.
- Jugendämter setzen sich oft
über rechtskräftige Entscheide von Gerichten zum Sorgerecht und zum Umgang
hinweg.
- Unter dem Vorwand des
Datenschutzes wird das elementare Recht der Informationsfreiheit und der
Akteneinsicht für Angehörige und ihre Anwälte verletzt.
- Die Entziehung des
Sorgerechts sollte die ultima ratio sein und nur erfolgen, wenn Eltern
erziehungsunfähig sind und das Kindeswohl mit keiner anderen Maßnahme
garantiert werden kann. In der Praxis wird das Sorgerecht jedoch oft entzogen,
ohne
dass ein solcher Grund vorliegt und diese Tendenz hat sich in der letzten
Zeit noch verstärkt. Dabei wird auch die Möglichkeit der Unterbringung des
Kindes im familiären Umfeld zu wenig genutzt.
- Die Wegnahme der Kinder
erfolgt oft in menschenverachtender Art und Weise.
- Statt dass die möglichst
rasche Rückkehr des Kindes vorbereitet wird, wird das Kind den Eltern sehr
oft entfremdet, durch direkte Beeinflussung des Kindes und / oder durch
Verschleppung des Verfahrens durch das Jugendamt und die Gerichte. In
vielen Fällen wird mit der nachlassenden Widerstandskraft und der
finanziellen Überforderung der Eltern und deren Umfeld gerechnet.
- Aus Angst vor Repressalien
wagen es Eltern, unterstützende Personen und Fachleute oft nicht, gegen
Maßnahmen oder Entscheide rechtliche Schritte zu unternehmen.
- Den Eltern wird es oft
unmöglich gemacht, die Rechte wahrzunehmen, die ihnen auch nach einem
Sorgerechtsentzug zustehen (z. B. Kontakt mit der Schule und
Mitspracherecht, Einverständnis bei medizinischen Eingriffen, religiöse
Erziehung).
- Während der
Fremdunterbringung sind zahlreiche Kinder physischen und psychischen
Misshandlungen ausgesetzt.
- In zahlreichen Fällen wird
den Eltern der Umgang mit ihren Kindern in ihrer Muttersprache verweigert
oder den Kindern wird der Gebrauch ihrer Muttersprache untersagt. Dabei
werden auch Körperstrafen angewendet.
- Die Kontrolle der Pflegeheime
und Pflegefamilien ist oft mangelhaft.
- Die Mitarbeiter der
Jugendämter können kaum straf- oder zivilrechtlich zur Verantwortung
gezogen werden.
- Sowohl bei den Jugendämtern
wie bei den Gerichten fehlt fachlich genügend ausgebildetes Personal. Eine
Folge davon ist, dass sich beide zu sehr auf Gutachten verlassen, die oft
einseitig sind. Von der Einholung von Gegengutachten oder Gutachten
neutraler Experten, auch aus dem Ausland, wird oft abgesehen.
- Statt dass sich Behörden auf
Fakten stützen, legen sie ihren Entscheiden oft subjektive Meinungen und
Vorurteile zu Grunde (Etiketten statt Fakten). Dieses Vorgehen ist vor
allem da festzustellen, wo die Diagnose und / oder die Therapie unter
medizinischen
Fachleuten strittig ist, wie zum Beispiel bei der chronischen Borreliose
und dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADHS). Ein weiteres inakzeptables
Vorgehen besteht darin, die wissenschaftlich höchst umstrittene Diagnose
„Münchhausen-by-Proxy-Syndrom" zur Begründung von Sorgerechtsentzügen zu
missbrauchen. In diesen Fällen stehen häufig auch politische und
wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel, was die Gefahr von Entscheidungen
die das Kindeswohl außer Acht lassen, nochmals stark erhöht.
Die staatlich angeordnete Fremdunterbringung von Kindern scheint
mehr und mehr von wirtschaftlichen Interessen geprägt zu sein. Zahlreiche
Institutionen sind zum wirtschaftlichen Überleben auf die regelmäßige Zuteilung
von Kindern angewiesen.
Die Teilnehmer des Symposiums fordern daher:
- Die Umstrukturierung des
Kinder- und Jugendschutzes, vor allem die Einführung einer unabhängigen
und wirksamen Rechts- und Fachaufsicht, die Einführung eines unabhängigen
Fachgremiums, das die Entscheide betreffend den Entzug des Sorgerechts
unverzüglich und in der Folge auch die Vorbereitung der Rückkehr
regelmäßig überprüft, sowie die obligatorische Fortbildung für das
Personal von Jugendämtern und Familiengerichten.
- Diese Umstrukturierung muss
garantieren, dass Entscheide betreffend das Sorgerecht ausschließlich
aufgrund von Fakten und nicht von Vorurteilen gefällt werden, zum Beispiel
durch Einholung von mindestens zwei unabhängigen Gutachten.
- Die konsequente Verfolgung
strafrechtlich relevanter Handlungen, die von Mitarbeitern von
Jugendämtern und Gerichten begangen werden.
- Die Einführung der Stelle
einer nationalen Ombudsperson für die Angelegenheiten des Kindes- und
Jugendschutzes.
- Die Menschenrechte auf
Freiheit und Sicherheit und auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(EMRK Art. 5 und 8) dürfen nicht dem abgeleiteten Grundrecht auf
Datenschutz untergeordnet werden. Auf allen Stufen des Verfahrens muss
Transparenz für die Eltern und deren Vertreter garantiert werden.
- Die Überprüfung der Rechts-
und Zweckmäßigkeit aller aktuellen Fälle von Sorgerechtsentzug innerhalb
kürzester Zeit durch ein eigens dafür eingesetztes
unabhängiges nationales Fachgremium.
- Die ideelle und materielle
Rehabilitation der betroffenen Kinder und Familien.
- Die Umsetzung der
Empfehlungen des Menschenrechtskommissars des Europarats zuhanden der
Bundesrepublik Deutschland (z.B. „die Aufnahme der Menschenrechte als
Kernbestandteil der beruflichen Ausbildung im Justizvollzug und für Lehrer
und Praktiker im Sozialwesen und Gesundheitsbereich").
Die Aufnahme der Jugendamts-Problematik in den Folgebericht des
Menschenrechtskommissars des Europarats zur Situation in Deutschland.
Die Teilnehmer des Symposiums erwägen:
- Die Organisation einer
Folgeveranstaltung in den nächsten Monaten.
- Die Förderung der
internationalen Vernetzung von betroffenen Familien, deren Vertretern und
Experten diverser Fachrichtungen.
- Die Einreichung einer
Petition beim Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments, in der die
Bundesrepublik Deutschland aufgefordert wird, alle aktuellen Fälle von
Fremdplatzierung von Kindern zu überprüfen.