Ohne Demokraten und Zivilcourage zum Schutz der Freiheit gibt es keine Demokratie
von Kurt J. Heinz
(MEDRUM) Wer könnte der Feststellung des Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble beim Festakt zum Gedenken an den Herrenchiemseer Verfassungskonvent von 60 Jahren widersprechen, dass es ohne Demokraten keine Demokratie gebe? Wohl keiner.
Diese schmerzliche Erfahrung hat das deutsche Volk im letzten Jahrhundert beim Niedergang der Weimarer Republik am eigenen Leibe erlitten, und mit ihm Völker auf der ganzen Welt, die durch den Niedergang der Demokratie und Aufstieg des Totalitarismus nationalsozialistischer Prägung bis ins Mark erschüttert wurden.
Dem freiheitlichen Verfassungsstaat fehlte es damals genau an den Voraussetzungen, die Schäuble heute in Erinnerung rief, die er aber selbst nicht schaffen könne: "Ohne Demokraten gibt es keine
Demokratie." Er erinnerte an den antitotalitären Grundkonsens, der den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee geleitet hatte.
Die einzigartige Erfahrung, die in der totalen Entwürdigung des Menschen unter dem nationalsozialistischen Regime von Adolf Hitler gipfelte und in den historischen Genozid am jüdischen Volk entartete, leitete den Konvent aus "Verantwortung vor Gott und den Menschen" in seinem Beschluss, die Würde des Menschen zum unantastbaren Gut und obersten Prinzip zu erheben, das zu schützen Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist, wie es im Artikel 1 des Grundgesetzes verankert ist. Der Wesensgehalt dieses Prinzips ist zum Manifest der freiheitlichen und rechtsstaatlichen Demokratie des heutigen deutschen Staates geworden.
Schäuble erinnerte wie Altkanzler Helmut Schmidt bei seiner Ansprache am 20. Juli zum Feierlichen Gelöbnis von Bundeswehrrekruten vor dem Berliner Reichstagsgebäude an die Widerstandskämpfer, die sich gegen das
Nazi-Regime stellten. Der heroische Mut des damaligen Widerstandes sei zwar heute nicht mehr vonnöten, meinte Schäuble, aber für unsere freiheitliche Gesellschaft bleibe Engagement ebenso
unverzichtbar wie Zivilcourage.
So unumstritten die Erkenntnis des Bundesinnenministers sein mag, so schwer scheint es oft zu sein, den demokratischen Geist der Freiheit im Alltag zu beweisen und den Mut aufzubringen, für die Kultur dieses Geistes auch gegen Anfeindungen couragiert einzutreten, sei es gegen extremistische Bestrebungen, gegen Ideologien einer repressiven Gleichmacherei, oder sei es gegen die Unterdrückung von Minderheiten und Minderheitsmeinungen.
Wehret den Anfängen, oft kommen sie schleichend, und langsam erodierend, um sich dann überfallartig und unaufhaltsam wie ein gewaltiger Erdrutsch über alles zu ergießen und unter sich zu begraben, was im Wege steht, wie es beim Einsturz der Weimarer Republik geschehen war.
Demokratie braucht Demokraten, Demokratie braucht Engagement für die Freiheit, Demokratie braucht eine Kultur des Widerstandes gegen Unfreiheit, Demokratie braucht das Vertrauen und Erleben ihrer inneren Werte, die für die Menschen erfahrbar sein müssen, besonders für die Schwachen.
Wer sich der Zustimmung der Schwachen, der Kleinen und der Minderheiten zur Demokratie sicher sein kann, braucht sich um die Zustimmung der Starken und die Stabilität der Demokratie kaum Sorgen zu machen. Wer sich in erster Linie um die Freiheit der Schwachen, der Kleinen und der Minderheiten kümmert, sorgt zugleich für den Erhalt einer freiheitlichen Gesellschaft und des demokratischen Verfassungsstaates. Dessen "oberstes Gebot sind die Würde und das Recht des einzelnen Menschen - nicht nur für die Regierenden, sondern für uns alle", wie Altkanzler Helmut Schmidt es ausdrückte. Dann brauchen wir Heroen wie einen Graf Oberst von Stauffenberg tatsächlich nur noch als historische Persönlichkeiten, deren vorbildhaftes Eintreten gegen das Unrecht und Verbrechen uns zum richtigen Handeln mahnen.
MEDRUM-Artikel
->Würde und das Recht des einzelnen Menschen sind oberstes Gebot
-> Ausweitung des Staates und Verlust der Freiheit
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